Hechtwagen

Hechtwagen
Schemazeichnung der Bauform eines Hechtwagens aufgrund des vorgegebenen Lichtraumes (grau)

Hechtwagen ist eine Bezeichnung für Eisen- und Straßenbahnwagen, die sich aus dem Vergleich der Wagenform mit der Kopfform des Raubfisches Hecht ableitet. Die Wagenkästen von Hechtwagen sind zu den Enden hin abgeschrägt und werden dadurch schmaler, was insbesondere in engen Kurven eine bessere Ausnutzung des Lichtraumes ermöglicht.

Inhaltsverzeichnis

Schnellzugwagen der Deutschen Reichsbahn

Die zwischen 1921 und 1928 gebauten Einheits-Schnellzugwagen der Bauarten 21, 22, 23 und 26 der Deutschen Reichsbahn werden gemeinhin als Hechtwagen bezeichnet. Unter Eisenbahnern wurde für diese Wagen aufgrund ihrer speziellen Kopfform auch der drastischere Ausdruck "Schweineschnauzen" verwendet. Diese Fahrzeuge wurden von der Deutschen Reichsbahn der DDR im Zuge der Gattungsbereinigung 1951 der Wagentype D4 zugeordnet, während sie die Deutsche Bundesbahn im Jahre 1954 in der Verwendungsgruppe 23 zusammenfasste.

Hechtwagen in (Teil-)Stahlbauweise

Untergestell und Kastengerippe der Hechtwagen der Bauarten 21, 22 und 23 bestanden aus vernieteten Stahlprofilen. Das Kastengerippe war mit Blechen verkleidet. Alle Sitzwagen wiesen eine einheitliche Länge über Puffer von 20,61 m auf.

Die charakteristische Hechtform der Wagenenden wurde von den letzten Bauarten sächsischer Schnellzugwagen übernommen. Die bisher im preußischen Waggonbau üblichen Oberlichter entfielen zugunsten der in Süddeutschland eingeführten einfacheren Tonnendächer. Die Traufkante im Bereich der Wagenenden verlief bei den ersten Wagen noch waagrecht; bei allen folgenden Wagen stieg sie schräg zum Wagenende hin an. Vom Knick in der Außenverkleidung bis zur Stirnwand bestand das Dach aus einem starken Stahlblech, was den Einstiegsbereich sehr widerstandsfähig machte. Dazwischen wurde das Dach in hergebrachter Weise mit Segeltuchbespannung auf Holzlatten eingedeckt.

Hinsichtlich des Komforts für die Reisenden blieben die Hechtwagen hinter den Schnellzugwagen der Länderbahnen zurück. Die Abteillängen waren geringer, und die Fensterbreiten orientierten sich an den preußischen Maßen, die kleiner als die entsprechenden bayerischen und sächsischen Abmessungen waren, so dass die Abteile insbesondere der dritten Klasse etwas düster waren.

Insgesamt wurden von der Deutsche Reichsbahn zwischen 1921 und 1926 214 Sitz-, 10 Gepäck- und 31 Schlafwagen als Hechtwagen eiserner Bauart beschafft. Wegen der neu eingeführten Zuggattung Fernschnellzug (FD), die nur die erste und zweite Wagenklasse führte, wurden dabei überproportional viele Polsterklassenwagen eingestellt. Im einzelnen verteilen sich die gebauten Fahrzeuge auf folgende Wagengattungen:

Sitzwagen

Gattung Sitzplätze Anzahl Baujahr(e) Bemerkungen
C4ü-21 76 27+5* 1922–23 *geänderte Nachbauserie
C4ü-21a 76 1 1924
B4ü-22 48 15 1923–24 Bauart "Hapag-Lloyd"
C4ü-22 76 25 1923–24
C4ü-22a 76 20 1923
A4ü-23 42,
sp. 28
6 1925 Bauart "Hapag-Lloyd"
AB4ü-23 12/33,
sp. 8/33
31 1924–25
AB4ü-23a 12/33,
sp. 8/33
64 1924–25
AB4ü-23b 12/33,
sp. 8/33
7 1923
C4ü-23 76 13 1923–24

Packwagen

Gattung Ladegewicht Anzahl Baujahr(e) Bemerkungen
Pw4ü-23 10,0 t 10 1923

Schlafwagen

Gattung Schlafplätze Anzahl Baujahr(e) Bemerkungen
WL4ü-21 36 21 1921–26 Schlafwagen 3. Klasse; ab 1926 an die Mitropa vermietet
WL4ü-23 10 od. 20 10 1923–24 Schlafwagen 1./2. Klasse; ab 1926 an die Mitropa vermietet

Hechtwagen in Ganzstahlbauart

Bereits 1925 plante die Reichsbahn, längere Wagen mit günstigeren Abteilmaßen zu beschaffen. Da aber aufgrund der Verpflichtung der DRG zur Zahlung der deutschen Reparationsleistungen entsprechende Finanzmittel fehlten, wurden nur vier solche Wagen (2 AB4ü, 2 C4ü) für die LBE gebaut. Die Dächer bestanden nunmehr vollständig aus Stahlblech, so dass der Übergang zur Ganzstahlbauart vollzogen war.

Erst 1926 konnte die Deutsche Reichsbahn solche Wagen beschaffen. Im Gegensatz zu den geplanten Wagen der Bauart von 1925 lief das Dach bei der Bauart 26 gerade bis zu den Stirnwänden durch, so dass die sich verjüngenden Einstiegsbereiche von einem dreiecksförmigen Vorsprung überdacht wurden.

Von den Hechtwagen in Ganzstahlbauart wurden zwischen 1926 und 1928 für die Deutsche Reichsbahn 150 D-Zugwagen folgender Gattungen gebaut:

Gattung Sitzplätze Anzahl Baujahr(e) Bemerkungen
A4ü-26 42,
sp. 28
20 1926–27 Bauart "Hapag-Lloyd"
AB4ü-26 12/36,
sp. 8/36
20 1927
AB4ü-26a 12/36,
sp. 8/36
10 1927–28 "Görlitz II schwer"-Drehgestelle
C4ü-26 80 92 1927–28
C4ü-26a 80 8 1927 "Görlitz II schwer"-Drehgestelle

Hechtwagen der PKP

Die PKP ließ ca. 1930 bei polnischen Waggonfabriken u.a Lilpop, Rau i Loewenstein modifizierte, verlängerte Hechtwagen in Ganzstahlbauweise mit geraden Wagenenden bauen. Etliche dieser Wagen übernahm die Reichsbahn im Zuge des zweiten Weltkriegs als Fremdwagen. Nachdem die Verhandlungen zwischen der Deutschen Bundesbahn mit der PKP über einen Rücktausch von Wagen scheiterten, modernisierte die DB die Wagen mit Normteilen z.B.Aluminiumrahmen, Schiebetüren am Wagenende,Lichtanlage und Toiletteneinrichtung. Der letzte sogenannte Polenhecht ist aufarbeitungswürdiges Exponat (Stand 2010) des Eisenbahnmuseums Darmstadt-Kranichstein

Straßenbahnfahrzeuge

Großer Hechttriebwagen in Dresden im Jahr 2005

Unter der Bezeichnung Großer Hecht ist ein in Dresden zwischen 1931 und 1972 verkehrender vierachsiger Straßenbahntriebwagen bekannt, der eine für damalige Verhältnisse beachtliche Länge von über 15 Metern aufwies. Das abgebildete Exemplar ist im Straßenbahnmuseum Dresden zu besichtigen. Ein weiteres Exemplar befindet sich im Verkehrsmuseum. Als Kleiner Hecht wurden ähnlich aussehende Zweiachser bezeichnet, die außer nach Dresden auch an die Straßenbahn Magdeburg geliefert wurden.

Bei der Hamburger Straßenbahn (Betreiber Hamburger Hochbahn AG) wurden ab 1940 Wagen des Hechtwagen-Typs (Baureihen V6 und V7) verwendet. Sie hießen im Volksmund „Sambawagen“, weil der große Bereich vor dem Schaffnersitz an eine Tanzfläche erinnerte, und der Sambatanz seinerzeit in Mode war. Ähnliche Straßenbahnwagen in ganz Deutschland wurden so genannt.

Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) verwendeten für ihre Schweizer Standardwagen aus den Jahren 1940 bis 1954 ebenfalls den Ausdruck Hechtwagen. Diese Strassenbahnwagen haben die vordere und die hintere Türe in der Schräge. Das Trammuseum Zürich hat einen Hechtwagen für die Nachwelt aufbewahrt.

Eine spätere Serie von Tramwagen der VBZ aus den 1960er Jahren wurde im Hinblick auf die nie realisierte Unterpflasterbahn gebaut. Diese Wagen waren weniger zugespitzt, damit sämtliche Türen in der Fläche sind und die Fahrgäste an den geplanten Hochbahnsteigen sicher einsteigen können. Der damit etwas behäbigeren und weniger schnittigen Form entsprechend erhielten die Wagen zur Abgrenzung von den Hechten den Spitznamen Karpfenwagen. Die letzten Be 4/4 "Karpfen" waren bis Ende 2006 noch werktags im Einsatz und wurden mit der fortschreitenden Ablieferung der niederflurigen Be 5/6 "Cobra" entbehrlich.

Literatur

  • Deppmeyer, Joachim: Die Einheits-Personen- und Gepäckwagen der Deutschen Reichsbahn. Bauarten 1921–1931 – Regelspur, Franckh, Stuttgart 1982, ISBN 3-440-05111-0
  • Wagen für Europa. Die Geschichte der 26,4-m-Wagen, Eisenbahn-Kurier Special 74, EK-Verlag, Freiburg 2004, ISSN 0170-5288

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