Grundrechtsträgerschaft

Grundrechtsträgerschaft

Grundrechtsberechtigung oder Grundrechtsträgerschaft besteht, wenn eine Person Berechtigte, also Trägerin eines Grundrechts ist. Sie hat dann ein subjektives Recht gegen den Staat als Grundrechtsverpflichteten, dessen Inhalt sich nach dem jeweiligen Grundrecht richtet.

Die Grundrechtsberechtigung in Bezug auf ein bestimmtes Grundrecht ist zu unterscheiden von der Grundrechtsfähigkeit, also der Fähigkeit, überhaupt Träger von Grundrechten zu sein.

Grundrechtsberechtigung im Einzelnen

Wer Träger eines bestimmten Grundrechts sein kann, richtet sich nach dessen persönlichem Schutzbereich. Danach gibt es Grundrechte, die jedem Menschen zustehen ("Menschenrechte"), solche, die nur Deutschen zustehen ("Deutschengrundrechte"), und das Asylrecht, dessen Träger nur Ausländer sein können. Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen richtet sich nach Art. 19 Abs. 3 GG. Fehlt die Grundrechtsberechtigung in Hinblick auf ein bestimmtes Grundrecht, so kommt nach herrschender, freilich umstrittener Ansicht die subsidiäre allgemeine Handlungsfreiheit in Betracht.

Teilweise wird vertreten, wer das geschützte Handeln aus tatsächlichen Gründen nicht wahrnehmen könne, sei mangels Grundrechtsmündigkeit nicht Träger des Grundrechts, etwa das sprechunfähige Kleinkind nicht Träger der Meinungsfreiheit. Überwiegend wird aber diese Vermischung von Schutzgut und Grundrechtsberechtigung abgelehnt und die Grundrechtsmündigkeit vielmehr auf die Prozessfähigkeit vor dem Bundesverfassungsgericht bezogen.


Fehlende Grundrechtsberechtigung

Grundsätzlich nicht grundrechtsberechtigt, sondern grundrechtsverpflichtet ist der Staat, also die gesamte öffentliche Gewalt mit Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung (Art. 1 Abs. 3 GG), unabhängig davon, ob es sich um hierarchische Verwaltung oder rechtlich selbständige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen handelt. Wäre es anders, würden die Grundrechte, anstatt dem Bürger Freiheiten vom Staat zu sichern, dem Staat neue Eingriffsbefugnisse schaffen. Einzige Ausnahme ist die Grundrechtsträgerschaft der Hochschulen hinsichtlich der Wissenschaftsfreiheit und der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hinsichtlich der Rundfunkfreiheit.

Fälschlich als weitere Ausnahme genannt werden oft noch die öffentlich-rechtlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften in Bezug auf die Religionsfreiheit. Diese angebliche Ausnahme beruht auf dem vereinfachenden Merksatz, Art. 19 Abs. 3 GG betreffe nur juristische Personen des privaten Rechts, anknüpfend an die Tatsache, dass Personen des öffentlichen Rechts ganz überwiegend staatlich sind. Die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften sind wegen des Verbotes der Staatskirche (vgl. Trennung von Kirche und Staat) aber gerade nicht Teil des Staates und deshalb nicht nach Art. 1 Abs. 3 GG grundrechtsverpflichtet, sondern grundrechtsberechtigt. Es handelt sich also gerade nicht um eine Ausnahme davon, dass der Staat nicht grundrechtsberechtigt ist, sondern um den Normalfall des Art. 19 Abs. 3. In Folge der oft gebrauchten missverständlichen Formulierung wird leicht übersehen, dass öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften nicht etwa nur in Hinblick auf Art. 4 GG (Religionsfreiheit) grundrechtsberechtigt sind, sondern umfassend grundrechtsberechtigt wie jede andere Vereinigung von Bürgern auch.

Die Justizgrundrechte werden allerdings ganz überwiegend auch dem Staat und ausländischen juristischen Personen gewährt. Das folgt aus dem Wesen des gerichtlichen Verfahrens. Bei der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1, deren Träger Gemeinden und Landkreise, also Teile des Staates sind, handelt es sich dagegen nach überwiegender Ansicht zwar um ein subjektives Recht, nicht dagegen um ein Grundrecht. Die Parallele der Kommunalverfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG) zur Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) erinnert aber noch daran, dass zur Zeit des Absolutismus die demokratisch organisierte Gemeinde nicht als staatlich, sondern als Teil der Gesellschaft angesehen wurde.

Grundrechtsberechtigung im Prüfungsaufbau

Im Prüfungsaufbau der Verfassungsbeschwerde wird die Grundrechtsberechtigung, obgleich eine Frage des persönlichen Schutzbereichs, nicht nur in der Begründetheit, sondern schon in der Zulässigkeit geprüft. Ansatzpunkt hierfür ist Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG: wer in Bezug auf das jeweilige Grundrecht "jedermann" im Sinne dieser Vorschrift ist, bestimmt sich nach der Grundrechtsberechtigung. Ein Chinese beispielsweise wäre mangels deutscher Staatsbürgerschaft nicht "jedermann" in Bezug auf das Deutschengrundrecht der Berufsfreiheit (aber in Bezug auf die dann eingreifende allgemeine Handlungsfreiheit), seine Verfassungsbeschwerde insoweit schon unzulässig.

Ist die Grundrechtsberechtigung bejaht, schließt sich die Prüfung der Beschwerdebefugnis an, also ob die Verletzung des Grundrechts möglich erscheint.

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