Guedelon

Guedelon
Guédelon, Juli 2005

Guédelon ist ein Burgbauprojekt auf dem Gebiet der französischen Gemeinde Treigny im Département Yonne, etwa 185 km südlich von Paris. Nach den Prinzipien der Experimentellen Archäologie werden bei diesem Rekonstruktionsprojekt ausschließlich Techniken aus dem 13. Jahrhundert angewandt.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Guédelon liegt etwa 140 km südöstlich vom Pariser Zentrum entfernt, ca. 40 km südwestlich des Städtchens Auxerre bei dem Ort Saint-Sauveur-en-Puisaye. Etwa 30 km westlich verläuft die französische Autobahn A77, die auf diesem letzten Streckenabschnitt den Fluss Loire begleitet.

Finanzierung

Zunächst wurde das Projekt allgemein als Plan von Verrückten und als Hirngespinst abgetan. Als sich die Ernsthaftigkeit und der zunehmende Baufortschritt abzuzeichnen begannen, förderten der Staat Frankreich und die Europäische Union Guédelon mit 2,5 Millionen Euro. Seit Auslauf dieser Förderung trägt sich das Großprojekt selbst durch Spenden, Eintrittsgelder, Merchandising und Gastronomie.[1] 2005 zählte die Anlage ca. 245.000 Besucher.

Verlauf

Eine Mauer der Burg Guédelon im Juni 2005

Der Begründer des Projekts, Michel Guyot, hat in den letzten 20 Jahren bereits viele Schlösser und Burgen in der Region restauriert und dabei nützliche Erfahrungen gesammelt. Mit Guédelon setzte er einen lange gehegten Traum in die Tat um; nach einer längeren Suche nach einem geeigneten Platz und vielen Vorbereitungen wurde 1997 in einem aufgelassenen Steinbruch mit dem Bau begonnen. Dabei kommen Methoden des 13. Jahrhunderts zur Anwendung, und es wird so weit wie möglich auf moderne Technik wie Kräne, Baumaschinen und Wasserwaagen verzichtet.

Mit dem Baufortschritt begannen sich Wissenschaftler der verschiedensten Bereiche für das Projekt zu interessieren. So erhielt das Projekt Fachberatung und -begleitung von Kultur-, Bau- und Kunsthistorikern, Architekten, Archäologen u. v. m. Es zeigte sich, dass viele mittelalterliche Bautechniken komplett neu erlernt werden mussten, da sie zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten waren. Versuch und Irrtum spielten dabei eine erhebliche Rolle. Gebaut wird während der warmen Jahreszeiten.

Das Projekt soll unter möglichst authentischen Bedingungen, ähnlich den Ansätzen zur „lebendigen Archäologie“, durchgeführt werden. Demnach sind die Handwerker und Mitarbeiter in mittelalterliche Gewänder gekleidet, und auf der Baustelle finden sich keine modernen Werkzeuge oder Hilfsmittel. Sämtliche Werkzeuge und Hilfsmittel wie Tretkräne, Lehrgerüste und Gewölbeschalungen u. a. werden auf der Baustelle selbst hergestellt. Transportarbeiten werden mit großrädrigen Pferdekarren bewerkstelligt.

Um die Baustelle herum ist mittlerweile eine ganze Siedlung von „Zulieferern“ entstanden, in denen Handwerker unter anderem Dachschindeln, Körbe, Töpferwaren, Fliesen, Nägel, Werkzeuge, Seile, Balken, Wolle und Kleidung herstellen; außerdem werden Pferde, Schafe, Schweine, Gänse, Hühner und Enten gehalten.

Die Arbeiter beginnen täglich um 9:00 Uhr, ab 10:00 kommen die Besucher, die fast alle Bereiche besichtigen können. Holz für die Gerüste wird im umliegenden Wald geschlagen, Steine werden in dem alten Steinbruch, in dem sich die Baustelle befindet, mit einfachen, „zeitgemäßen“ Werkzeugen gebrochen und dann mit Pferdewagen zu den Steinmetzwerkstätten transportiert. Es werden weder Zement noch Schrauben verwendet, sondern auf der Baustelle wird aus Sand, Tonerde und gelöschtem Kalk Mörtel hergestellt.

Nägel werden in der örtlichen Schmiede von Hand geschmiedet. Allerdings werden einige Rohmaterialien „importiert“, z. B. Roheisen von eher geringer Qualität (kein Stahl) oder besagter gelöschter Kalk, da dessen Herstellung vor Ort zu gefährlich ist. Mörtel und Steine werden dann in vor Ort handgefertigten Körben bis an ihren Bestimmungsort gebracht.

Unter der Leitung von Michel Guyot arbeiten voraussichtlich noch bis 2023 50 vollberufliche Arbeiter und in der Hauptsaison bis zu 16 Freiwillige an der Burg. Die Arbeiten ruhen von November bis März, in dieser Zeit ist die Baustelle auch für Besucher geschlossen.

Bedeutung

Dem Projekt Guédelon wird mittlerweile ein wertvoller kulturhistorischer und pädagogischer Aspekt zugeschrieben. Zum ersten Male kann das Entstehen einer mittelalterlichen Großbau- und Wehranlage von Anfang bis Ende miterlebt werden. Dabei werden, wie oben angeführt, traditionelle Techniken neubelebt oder wiederentdeckt; das Konzept, das der Gesamtanlage zugrunde liegt, wird erlebbar gemacht und somit ein vitales Bild der Lebens- und Denkweise des Hochmittelalters vermittelt. Gerade bei der nachwachsenden Generation wird somit das Geschichtsinteresse beispielhaft geweckt und gefördert.

Literatur

  • Thomas Bitterli-Waldvogel: Guédelon. Bau einer Burg im 21. Jahrhundert. In: Burgen und Schlösser. Zeitschrift für Burgenforschung und Denkmalpflege. Heft 4, 2006. Braubach, Europäisches Burgeninstitut.

Film

Der Dokumentarfilmer Reinhard Kungel begleitet die Bauarbeiten seit 2000 mit seinem Filmteam. Neben Dokumentationen über Guédelon für ARTE und WDR/SWR realisierte das Team eine dreisprachige DVD.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. „Neue, uralte Ritterburg“ Salzburger Nachrichten, 5. April 2003


47.5833333333333.15583333333337Koordinaten: 47° 35′ 0″ N, 3° 9′ 21″ O


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