Guédelon

Guédelon
Stand der Arbeiten im Juli 2009

Guédelon ist ein Burgbauprojekt auf dem Gebiet der französischen Gemeinde Treigny im Département Yonne. Nach den Prinzipien der Experimentellen Archäologie werden bei diesem Rekonstruktionsprojekt nur Techniken aus dem 13. Jahrhundert angewandt.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Guédelon liegt im Bereich der Gemeinde Treigny, etwa 140 km südöstlich vom Pariser Zentrum entfernt, rund 40 km südwestlich der Stadt Auxerre bei dem Ort Saint-Sauveur-en-Puisaye. Etwa 30 km westlich verläuft die französische Autoroute A77, die auf diesem letzten Streckenabschnitt den Fluss Loire begleitet.

Entstehung

Plan der Anlage
Eine Mauer der Burg Guédelon im Juni 2004

Der Begründer des Projekts, Michel Guyot, hatte seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts einige Schlösser und Burgen in der Region restauriert und dabei Erfahrungen gesammelt. Mit der Burg Guédelon setzte er einen lange gehegten Traum in die Tat um; nach vielen Vorbereitungen und einer längeren Suche nach einem geeigneten Platz, an dem ausreichend Baumaterialien wie Stein, Holz und Wasser zur Verfügung stehen, wurde 1997 in einem aufgelassenen Steinbruch mit dem Bau begonnen. Dabei kommen Methoden des 13. Jahrhunderts zur Anwendung, und es wird so weit wie möglich auf moderne Technik wie Kräne, Baumaschinen und Wasserwaagen verzichtet.

Mit dem Baufortschritt begannen sich Wissenschaftler der verschiedensten Bereiche für das Projekt zu interessieren. So erhielt das Projekt Fachberatung und -begleitung von Kultur-, Bau- und Kunsthistorikern, Architekten oder Archäologen. Es zeigte sich, dass viele mittelalterliche Bautechniken neu entwickelt werden mussten.

Das Projekt wird unter möglichst authentischen Bedingungen durchgeführt, ähnlich den Ansätzen der „lebendigen Archäologie“. Demnach tragen die Handwerker und Mitarbeiter mittelalterliche Gewänder, auf der Baustelle finden sich zudem keine modernen Werkzeuge oder Hilfsmittel, abgesehen von persönlicher Schutzausrüstung (etwa Schutzbrille und Stahlkappenschuhe). Sämtliche Werkzeuge und Hilfsmittel wie Tretkräne, Lehrgerüste und Gewölbeschalungen u. a. werden auf der Baustelle selbst hergestellt. Transportarbeiten werden mit großrädrigen Pferdekarren bewerkstelligt.

Um die Baustelle herum ist mittlerweile eine ganze Siedlung von „Zulieferern“ entstanden, in denen Handwerker unter anderem Dachschindeln, Körbe, Töpferwaren, Fliesen, Nägel, Werkzeuge, Seile, Balken, Wolle und Kleidung herstellen; außerdem werden Pferde, Schafe, Schweine, Gänse, Hühner und Enten gehalten.

Holz für die Gerüste wird im umliegenden Wald geschlagen, Steine werden in dem alten Steinbruch, in dem sich die Baustelle befindet, mit einfachen, „zeitgemäßen“ Werkzeugen gebrochen und dann mit Pferdewagen zu den Steinmetzwerkstätten transportiert. Es werden weder Zement noch Schrauben verwendet, stattdessen wird auf der Baustelle aus Sand, Tonerde und gelöschtem Kalk Mörtel hergestellt.

Nägel werden in der örtlichen Schmiede von Hand geschmiedet. Allerdings werden einige Rohmaterialien „importiert“, z. B. Roheisen von eher geringer Qualität (kein Stahl) oder besagter gelöschter Kalk, da dessen Herstellung vor Ort zu gefährlich ist. Mörtel und Steine werden dann in vor Ort handgefertigten Körben bis an ihren Bestimmungsort gebracht.

Unter der Leitung von Michel Guyot arbeiten voraussichtlich noch bis 2023 50 vollberufliche Arbeiter und in der Hauptsaison bis zu 16 Freiwillige an der Burg. Die Arbeiten ruhen von November bis März, in dieser Zeit ist die Baustelle auch für Besucher geschlossen.

Touristische Bedeutung

Bereits im zweiten Jahr zählte die Anlage nach Betreiberangaben etwa 65.000 Besucher[1], 2005 waren es 245.000. In der Saison 2010 besuchten 320.000 Menschen das Burgfeld von Guédelon, davon ungefähr 80.000 Schüler.[1]

Finanzierung

Zunächst wurde das Projekt allgemein als unseriös abgetan. Als sich die Ernsthaftigkeit und der zunehmende Baufortschritt abzuzeichnen begannen, förderten der Staat Frankreich und die Europäische Union Guédelon mit 2,5 Millionen Euro. Seit Auslauf dieser Förderung trägt sich das Großprojekt selbst durch Spenden, Eintrittsgelder, Merchandising und Gastronomie.[2]

Tochterprojekt in den USA

Unter dem Namen Ozark Medieval Fortress wurde 2008 im Staate Arkansas ein Tochterprojekt gestartet, das ebenfalls unter der Leitung von Michel Guyot steht.[3]

Literatur

  • Thomas Bitterli-Waldvogel: Guédelon. Bau einer Burg im 21. Jahrhundert; in: Burgen und Schlösser. Zeitschrift für Burgenforschung und Denkmalpflege, Heft 4, 2006. Braubach, Europäisches Burgeninstitut.
  • Philippe Minard, François Folcher: Guédelon: Des hommes fous, un château fort. Paris: Aubanel, 2003; ISBN 9782700603132
  • Richard Utz: “There Are Places I Remember:” Situating the Medieval Past in Postmedieval Memory; Transfiguration: Nordic Journal of Christianity and the Arts 6.2 (2007), S. 89–108.

Film

Der Dokumentarfilmer Reinhard Kungel begleitet die Bauarbeiten seit 2000 mit seinem Filmteam. Neben Dokumentationen über Guédelon für ARTE und WDR/SWR realisierte das Team eine dreisprachige DVD.

Weblinks

 Commons: Guédelon – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Rüdiger und Marianne Hillenbrand: „Vielleicht einfach Glück“. In: Südkurier vom 8. September 2011
  2. Ulrich Traub: Neue, uralte Ritterburg; in: Salzburger Nachrichten, 5. April 2003
  3. http://www.ozarkmedievalfortress.com/en-us/about-us/michel-guyot
47.5833333333333.1558333333333

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