- Harpstedt-Nienburg
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Als Harpstedt-Nienburger Gruppe werden einige eisenzeitliche archäologische Funde aus dem nordwestdeutschen Geestgürtel zwischen Ems und unterer Mittelelbe zusammengefasst. Sie nehmen eine Mittelstellung ein zwischen dem – in der Latènezeit keltischen – südlichen Mitteleuropa, das mit großen, stadtartigen Siedlungen (so genannten Oppida), einer reichen Oberschicht und intensiven Kontakten zum Mittelmeerraum schon Züge einer Hochkultur aufwies, und der nordöstlich zwischen Wesermündung und unterer Oder sich erstreckenden Jastorfkultur. Die zeigt nur wenig Veränderungen gegenüber der Bronzezeit, eher karge materielle Verhältnisse, nur geringe Zeichen sozialer Differenzierung, und wird als Vorstufe oder frühe Stufe germanischer Kultur angesehen.
Die Funde der Harpstedt-Nienburger Gruppe sind untereinander sowohl räumlich als auch zeitlich uneinheitlich. Wegen der regionalen Unterschiede wird auch einer Ems-Hunte-Gruppe im Westen von einer Nienburger Gruppe im Osten unterschieden. Herausragend ist der Unterschied der Hausformen: Im westlichen Bereich waren zweischiffige Häuser üblich, im östlichen wie auch weiter nördlich das dreischiffige Langhaus, das Jahrhunderte später zum Fachhallenhaus weiterentwickelt wurde. In zweischiffigen wie dreischiffigen Häusern wohnten Menschen und Tiere unter einem Dach (Wohnstallhaus). Die einfachen Gehöfte waren in Streusiedlung über das Land verteilt, eine Siedlungsstruktur, die sich westlich der Weser bis in die Gegenwart erhalten hat.
Die zeitliche Entwicklung betrifft zum einen die in der Hallstattzeit geringe, in der Latènezeit stärkeren Einflüsse aus dem Süden. Im 3. Jahrhundert vor Chr. wurden im südlichen Randbereich der Harpstedt-Nienburger Gruppe erste Burgen gebaut.
Zum anderen änderte sich der Totenkult: In der gesamten Kultur wurden Tote üblicherweise verbrannt. In der frühen und älteren Eisenzeit wurde die Asche in Urnen aufbewahrt und diese in Gräberfeldern bestattet, die schon seit der Bronzezeit diesem Zweck dienten. Später wurden die Toten an ganz anderen Orten auf einem Scheiterhaufen verbrannt und der Ort der Verbrennung anschließend mit einem Grabhügel bedeckt. Eisenzeitliche Grabhügel der Gegend sind allerdings deutlich kleiner als in anderen Regionen.
Von Befürwortern der umstrittenen Nordwestblock-Theorie wird dem Gebiet der Harpstedt-Nienburger Gruppe eine oder mehrere eigene Sprachen zugeordnet, die erst im letzten Jahrhundert vor der Zeitenwende durch eine kleine germanische Oberschicht germanisiert wurde. Sie nehmen damit im Gegensatz zur herrschenden Ansicht eine dritte indogermanische Kultur im nördlichen Europa an. Sie kann keiner anderen Untersprachfamilie zugeordnet werden, allerdings gibt es in einem kleinen Teil des Gebiets venetisch klingende Ortsnamen, so daß eine Verwandtschaft zum Venetischen als am wenigsten unwahrscheinliche Verbindung gilt.
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