Allmachtsparadoxon

Allmachtsparadoxon
Averroës (1126–1198) war einer der ersten Philosophen, die sich mit dem Thema befassten

Das Allmachtsparadoxon ist ein philosophisches Paradoxon, das bei der Anwendung von Logik auf ein allmächtiges Wesen auftritt. Das Paradoxon beruht auf der Frage, ob ein allmächtiges Wesen in der Lage ist, etwas zu tun, was seine eigene Allmacht einschränkt, wodurch es seine Allmacht verlieren würde. Manche Philosophen betrachten diese Argumentation als Beweis für die Unmöglichkeit der Existenz eines solchen Wesens; andere behaupten, dass dieses Paradoxon einem falschen Verständnis von Allmacht entspringe. Zudem erscheint einigen Philosophen die Annahme, ein Wesen sei entweder allmächtig oder nicht allmächtig, als unzulässig, da dabei die Möglichkeit verschiedener Abstufungen außen vor gelassen wird.

Häufig wird das Paradoxon auf den Gott der abrahamitischen Religionen angewandt, was aber nicht zwingend erforderlich ist. Seit dem Mittelalter haben Philosophen das Paradoxon auf vielfältige Weise ausformuliert, das klassische Beispiel unter ihnen ist: „Kann ein allmächtiges Wesen einen so schweren Stein erschaffen, dass es ihn selbst nicht hochheben kann?“. Diese spezielle Formulierung weist einige Makel auf (genauere Erläuterungen weiter unten), aber als bekannteste Version ist sie dennoch geeignet, das Paradoxon angemessen zu veranschaulichen.

Um das Allmachtsparadoxon analysieren zu können, ist eine präzise Definition von Allmacht erforderlich. Diese variiert zwischen den Kulturen, Religionen und Philosophen. Eine gebräuchliche, aber unzureichende Definition ist „alles könnend“. Dieses Paradoxon kann zum Beispiel dann nicht angewendet werden, wenn man Allmacht als Fähigkeit definiert, außerhalb der Begrenzungen durch die Logik zu handeln. Moderne Herangehensweisen beziehen die Erkenntnisse der Semantik mit in die Diskussion ein, um zu klären, ob die Sprache und damit auch die Philosophie die Allmacht sinnvoll erfassen können.

Inhaltsverzeichnis

Definition von Allmacht

Dieser Abschnitt befasst sich nur mit für den Artikel relevanten Belangen. Weitere Informationen finden sich im Artikel Allmacht.

Allmacht kann im Zusammenhang mit dem Allmachtsparadoxon verschiedene Bedeutungen haben. Es ist die Macht, jedwede Situation herbeizuführen. Gleichwohl steht die Bedeutung zur Debatte. Einige Philosophen wie Descartes sind der Meinung, Allmacht schließe die Fähigkeit ein, logisch Unmögliches zu vollbringen. So ist es zum Beispiel in unserem Universum nicht möglich, einen kantenlosen Würfel zu schaffen, oder in unserem üblicherweise genutzten Zahlensystem 1 gleich 2 sein zu lassen. Würde ein allmächtiges Wesen einen kantenlosen Würfel schaffen, so würde dies beweisen, dass ein solches Wesen nicht an die Gesetze der Logik gebunden ist. Außerdem wäre damit die Existenz eines solchen Wesens bewiesen.

Andere Philosophen, wie Thomas von Aquin, behaupten, dass ein Wesen nichts logisch Unmögliches vollbringen können muss, um allmächtig zu sein. In diesem Fall könnte ein Wesen alles logisch Denkbare tun. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Denkweisen ist bei der Betrachtung der Allmachtsparadoxa wichtig, da es eine Beschränkung der Bedeutung von Allmacht bedeutet.

Allmacht kann auf ein Wesen auf verschiedene Arten angewandt werden. Ein essenziell allmächtiges Wesen ist immer allmächtig. Im Gegensatz dazu ist ein abdingbar allmächtiges Wesen für eine Zeit allmächtig und verliert seine Allmacht dann. Das Allmachtsparadoxon kann unterschiedlich auf die jeweiligen Wesen angewandt werden.

Philosophische Antworten

Eine übliche Ausformulierung des Allmachtsparadoxons ist die Frage: „Kann ein allmächtiges Wesen einen so schweren Stein schaffen, dass es ihn selbst nicht heben kann?“ Es ist möglich, die Frage auf die folgenden Arten zu betrachten:

  1. Das Wesen kann entweder einen Stein schaffen, welchen es selbst nicht heben kann, oder es kann keinen Stein schaffen, den es selbst nicht heben kann.
  2. Wenn das Wesen einen Stein erschaffen kann, welchen es nicht heben kann, so ist es nicht allmächtig.
  3. Wenn das Wesen keinen Stein schaffen kann, welchen es selbst nicht heben kann, so ist es nicht allmächtig.

Dies gleicht einem ähnlichen Paradoxon: „Was geschieht, wenn eine unaufhaltsame Kraft auf ein unbewegliches Objekt trifft?“ Eine Antwort ist, dass es der Definition entsprechend kein wirklich unbewegliches Objekt geben kann, wenn es eine unaufhaltsame Kraft gibt; dementsprechend kann auch keine tatsächlich unaufhaltsame Kraft existieren, wenn es ein unbewegliches Objekt gibt. Bei der Übertragung des Paradoxons bleibt die Grundaussage erhalten, allerdings wird hierbei nicht die Definition von Allmacht berücksichtigt.

Es kann auch versucht werden, das Paradoxon durch das Postulat aufzuheben, dass ein allmächtiges Wesen nicht notwendigerweise alles zu jeder Zeit tun können muss. So könnte man argumentieren:

  1. Das Wesen kann einen Stein schaffen, welchen es in diesem Moment nicht heben kann.
  2. Gleichwohl kann es als allmächtiges Wesen jederzeit später das Gewicht des Steines so weit verringern, dass es ihn heben kann. Dadurch könne das Wesen dann noch als allmächtig angesehen werden.

Nach dieser Argumentation lässt sich das Paradoxon aber weiterstricken: Kann ein allmächtiges Wesen einen Stein schaffen, der so schwer ist, dass es ihn nicht heben kann, und so unveränderbar, dass es dessen Gewicht nicht reduzieren kann? Zudem stellt diese Situation Anforderungen an das allmächtige Wesen, zum Beispiel, dass es das Gewicht des Steines reduziert, wodurch sich die Frage stellt, ob sein freier Wille dadurch nicht gewissermaßen eingeschränkt wird.

Teilweise gibt es naturwissenschaftliche Aussagen, die bekannten Beispielen für Paradoxa widersprechen, allerdings sprechen diese nicht gegen die Paradoxa an sich. Sie beeinflussen lediglich die Wahl der Beispiele, um jene zu verdeutlichen. Das klassische Beispiel – ein Stein, welcher so schwer ist, dass sein allmächtiger Schöpfer ihn nicht heben kann – beruht auf einem aristotelischen Weltbild. Heutzutage stellen sich neue Fragen, beispielsweise, ob ein Stein nur relativ zur Planetenoberfläche angehoben werden kann. Betrachtet man die Position des Steines relativ zur Sonne, könnte man von einem konstant gehobenen Stein sprechen. Aus der Sicht der modernen Physik betrachtet, ergibt sich, dass das Beispiel des zu hebenden Steines ein schlechtes ist. Dies spricht aber nicht gegen das grundsätzliche Konzept des Allmachtsparadoxons. Den Gedankengängen Stephen Hawkings über die Beziehung zwischen Gottheit und Naturgesetzen folgend, ließe sich die Frage wie folgt umformulieren:

  1. Ein allmächtiges Wesen schafft ein Universum, welches den aristotelischen Gesetzen der Physik folgt.
  2. Könnte ein allmächtiges Wesen in diesem Universum einen so schweren Stein schaffen, dass es ihn selbst nicht heben kann?

Abdingbare Allmacht

Ist ein Wesen abdingbar allmächtig, so kann das Paradoxon aufgelöst werden:

  1. Das allmächtige Wesen schafft einen Stein, welchen es nicht heben kann.
  2. Das Wesen kann den Stein nicht heben und verliert damit seine Allmacht.

Anders als für essenziell allmächtige Wesen ist es abdingbar allmächtigen Wesen möglich, nicht mehr allmächtig zu sein. Dadurch stellt sich allerdings die Frage, ob das Wesen jemals allmächtig war oder nur ein Wesen mit sehr großer Macht.

Essenzielle Allmacht

Ist die Allmacht des Wesens essenziell, so wird versucht, das Paradoxon folgendermaßen aufzulösen:

  1. Das allmächtige Wesen ist essenziell allmächtig, wodurch es seine Allmacht nicht verlieren kann.
  2. Darüber hinaus kann das Wesen nichts logisch Unmögliches tun.
  3. Die Schaffung eines Steines, den das allmächtige Wesen nicht heben kann, ist unmöglich, weil der Begriff Allmacht impliziert, dass es einen solchen Stein nicht geben kann.
  4. Das allmächtige Wesen kann einen solchen Stein nicht erschaffen, trotzdem bleibt seine Allmacht erhalten.
Ein Dreieck, die Summe der Winkel α + β + γ muss 180 Grad betragen.

Der Philosoph Averroës erweiterte das Allmachtsparadoxon daher und fragte, ob Gott ein Dreieck schaffen könne, dessen Innenwinkel nicht insgesamt 180 Grad ergeben.

Es sei angemerkt, dass die spätere Entdeckung der nichteuklidischen Geometrie dieses Problem nicht löst, da man ebenso fragen könnte, ob Gott auf Grundlage der euklidischen Geometrie ein Dreieck mit mehr oder weniger als 180 Grad Innenwinkelsumme schaffen könne. In beiden Fällen ist die tatsächliche Frage, ob ein allmächtiges Wesen die Fähigkeit hat, die Folgen, die das von ihm geschaffene System von Axiomen mit sich bringt, zu umgehen.

Absolute Allmacht

Wird die Allmacht des Wesens absolut (= keine Handlungsbeschränkung, insbesondere keine logischen Unmöglichkeiten) verstanden, so löst sich das Paradoxon auf bzw. entsteht gar nicht erst. Ein Wesen, das alles kann, kann kraft dieser Definition auch unhebbare Steine schaffen, die es dennoch heben kann; es könnte auch eckige Kreise, sich schneidende Parallelen oder Dreiecke mit einer Winkelsumme von 0° zeichnen. Denn es könnte die logischen Gesetze, die o. g. Phänomene (scheinbar) unmöglich machen, ändern oder aufheben. Die sprachliche Definition der absolut verstandenen Allmacht diktiert hier die Regeln zur logischen Schlussfolgerung, die gerade darin bestehen, dass diese Regeln außer Kraft gesetzt werden. Das ist durchaus machbar, denn es ist nicht per se ausgeschlossen, dass logisch Unmögliches tatsächlich der Fall ist. Daher kann man für bestimmte (metaphysische) Bereiche die Regeln der Logik aussetzen, so dass alles möglich und nichts unmöglich wird. Dadurch beantworten sich dann auch o.g. paradoxe Fragen.

Die Lösung des Paradoxons über ein absolutes Allmachtsverständnis wird aber überwiegend als unbefriedigend empfunden, weil es das Paradoxon

  1. einfach „wegdefiniert“,
  2. durch das damit verbundene Außerkraftsetzen logischer Grundregeln äußerst unplausibel (und für weitere Argumentationen unbrauchbar) erscheint
  3. die übrigen Gottesvorstellungen relativiert. (Gott könnte dann auch gütig und trotzdem grausam, weise und trotzdem dumm, gerecht und trotzdem ungerecht sein).

René Descartes hat dieses Allmachtsverständnis allerdings zumindest angedacht, aber nie wirklich konsequent vertreten (weil dann auch seine idealistische Erkenntnistheorie mit dem cogito als unbezweifelbarem Fixpunkt unmöglich gewesen wäre)[1] Harry G. Frankfurt setzt es ebenfalls voraus.[2].

Literatur

  • Jan Bauke-Ruegg: Die Allmacht Gottes: systematisch-theologische Erwägungen zwischen Metaphysik, Postmoderne und Poesie. In: Theologische Bibliothek Töpelmann. Bd. 96, Walter de Gruyter, Berlin 1998, ISBN 3-11-015905-8.

Einzelnachweise

  1. Vgl. dazu Bauke-Ruegg: Die Allmacht Gottes, 1998, S. 14, Fn. 42 mit weiteren Angaben.
  2. Und zwar ohne weitere Begründung in seinem Aufsatz The Logic of Omnipotence, in: The Philosophical Review 73/2 (April 1964), S. 262-263.

Siehe auch


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