Helene Böhlau

Helene Böhlau
Helene Böhlau, Jugendbild um 1875
Helene Böhlau um 1907
Durch Helene Böhlaus Romanserie Ratsmädelgeschichten wurden die Töchter des Weimarer Bürgermeisters Friedrich Kirsten in ganz Deutschland bekannt. Gedenktafel am Haus Windischenstraße 13, in Weimar

Helene Böhlau, verh. al Raschid Bey, (* 22. November 1856[1] in Weimar; † 26. März 1940 in Augsburg[2]) war eine deutsche Schriftstellerin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Helene Böhlau war die Tochter des Weimarer Verlagsbuchhändlers Hermann Böhlau und dessen Frau Therese geb. Thon. Sie genoss eine sorgfältige Privaterziehung. Um ihren geistigen Horizont zu erweitern, schickte man sie auf Reisen ins Ausland. Auf einer solchen in den Orient lernte sie den Architekten und Privatgelehrten Friedrich Arndt kennen und lieben. Dieser, um Helene als zweite Frau heiraten zu können, konvertierte vom Judentum zum Islam und nannte sich fortan Omar al Raschid Bey. Ihr Vater verbot ihr daraufhin das Haus. Er begegnete ihr zwar später noch einmal, ihren Ruhm aber hat er nicht mehr erlebt.

Nach der Hochzeit 1886 lebte das Ehepaar ein Jahr lang in Konstantinopel, dann in München. Nach dem Tod des Ehemannes 1911 wohnte Helene Böhlau in Ingolstadt, München, Widdersberg und Augsburg. Helene Böhlau veröffentlichte weiterhin unter ihrem Geburtsnamen, manchmal mit dem Zusatz „Frau al Raschid Bey“. Ihr 1895 geborener Sohn Omar Hermann bildete 1915 als Gefreiter in München Rekruten aus, darunter Victor Klemperer.

Helene Böhlau verstarb 1940 in Widdersberg und fand ihre letzte Ruhe auf dem Friedhof in Widdersberg im an der Kirche gelegenen Familiengrab (Inschrift „Helene Böhlau al Raschid Bey“).

Leistungen

Helene Böhlau gehörte zu ihrer Zeit zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen. Sie erhielt den Preis der Deutschen Schiller-Stiftung. Max Lesser nannte sie 1901 gemeinsam mit Gerhart Hauptmann, Hugo von Hofmannsthal und Peter Altenberg die bedeutendste deutschsprachige Schriftstellerin der Gegenwart.[3] Ab 1882 veröffentlichte sie Novellen und Kurzgeschichten. Ihr erster Roman erschien 1888 „Reines Herzens schuldig“. Das Werk Helene Böhlaus umfasst sowohl ambitionierte Kunst- als auch Gebrauchsliteratur. Ihre frühen, vom Naturalismus beeinflussten feministischen Romane „Der Rangierbahnhof“ (1896), „Das Recht der Mutter“ (1896) und „Halbtier!“ (1899) wurden von den Zeitgenossen beachtet und insgesamt positiv rezensiert (wenn auch gelegentlich ein Zug ins 'zu' Genialische, Absonderliche moniert wurde). Einem größeren Publikum war Helene Böhlau vor allem bekannt als Autorin der „Ratsmädelgeschichten“ (1888; weitere Bände 1897, 1905 und 1923) und diverser „Altweimarischer Geschichten“ (1897ff.).

Werke

  • Novellen. 1882 (Neuausgabe unter dem Titel Salin Kaliske. 1902; Inhalt: Im Banne des Todes; Salin Kaliske; Maleen)
  • Der schöne Valentin. Die alten Leutchen. Zwei Novellen. 1886
  • Reines Herzens schuldig. Roman. 1888
  • Herzenswahn. Roman. 1888
  • Rathsmädelgeschichten. 1888
  • Im Trosse der Kunst und andere Novellen. 1889
  • In frischem Wasser. Roman. 2 Bde. 1891
  • Der Rangierbahnhof. Roman. 1896 - neu hg. von Henriette Herwig, Turmhut-Verlag, Mellrichstadt 2004, ISBN 3-936084-44-0
  • Das Recht der Mutter. Roman. 1896
  • Altweimarische Liebes- und Ehegeschichten. 1897
  • Ratsmädel- und Altweimarische Geschichten. 1897
  • Im alten Rödchen bei Weimar. Das ehrbußliche Weibchen. Zwei Novellen. 1897
  • Die verspielten Leute. Des Zuckerbäckerlehrlings Johannisnacht. Zwei Novellen. 1897
  • Verspielte Leute. Roman. 1898
  • Schlimme Flitterwochen. Novellen. 1898
  • Glory, Glory Hallelujah. Roman. 1898
  • Das Brüller Lager. Roman. 1898
  • Halbtier! Roman. 1899 - neu hg. von Henriette Herwig, Turmhut-Verlag, Mellrichstadt 2004, ISBN 3-936084-42-4
  • Philister über dir! Schauspiel. 1900
  • Sommerbuch. Altweimarische Geschichten. 1903
  • Die Kristallkugel. Eine Altweimarische Geschichte. 1903
  • Sommerseele. Muttersehnsucht. Zwei Novellen. 1904
  • Die Ratsmädchen laufen einem Herzog in die Arme. 1905
  • Das Haus zur Flamm. Roman. 1907
  • Kußwirkungen. Erzählungen. 1907 (Auszug aus: Ratsmädel- und Altweimarische Geschichten)
  • Isebies. Roman. 1911
  • Gudrun. 1913
  • Der gewürzige Hund. Roman. 1916
  • Ein dummer Streich. 1919
  • Im Garten der Frau Maria Strom. Roman. 1922
  • Die Ratsmädel gehen einem Spuk zu Leibe. Erzählungen. 1923 (Auszug aus: Ratsmädel- und Altweimarische Geschichten)
  • Die leichtsinnige Eheliebste. Ein Liebeswirrwarr. Roman. 1925
  • Die kleine Goethemutter. Roman. 1928
  • Kristine. Roman. 1929
  • Böse Flitterwochen. Roman. 1929
  • Eine zärtliche Seele. Roman. 1930
  • Föhn. Roman. 1931
  • Spuk in Alt-Weimar. Erzählungen. 1935 (Auszug aus: Ratsmädel- und Altweimansche Geschichten)
  • Die drei Herrinnen. Roman. 1937
  • Goldvogel. Erzählungen. 1939
  • Jugend zu Goethes Zeit. 1939
  • Werke. 9 Bde., 1929

Literatur

  • Hans SchwerteBöhlau, Helene. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, S. 376 f.
  • Hubert Amft: Dem „Geist des Ortes“ verpflichtet – Leben, Werk und Frauenbild Helene Böhlaus. In: Weimarbrief. (2001) 2, S. 20-36.
  • Josef Becker: Helene Böhlau. Leben und Werk. ADAG Administr. u. Druck, Zürich 1988.
  • Gisela Brinker-Gabler: Perspektiven des Übergangs. Weibliches Bewußtsein und frühe Moderne. In: Gisela Brinker-Gabler (Hrsg.): Deutsche Literatur von Frauen. Band 2. C. H. Beck, München 1988, S. 169–205.
  • Elisabeth Friedrichs: Die deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 18. und 19. Jahrhunderts. Ein Lexikon. Metzler, Stuttgart 1981, ISBN 3-476-00456-2, S. 4.
  • Sandra L. Singer: Free soul, free women? A study of selected fictional works by Hedwig Dohm, Isolde Kurz, and Helene Böhlau. Lang, New York 1995, ISBN 0-8204-2557-5. (= Studies in modern German literature; 75)
  • Ludmila Kaloyanova Slavova: Übergangsgeschöpfe. Gabriele Reuter, Hedwig Dohm, Helene Böhlau und Franziska von Reventlow. Lang, New York 1998, ISBN 0-8204-3962-2. (= Women in German literature; Vol. 2)
  • Verda Seehausen: Helene Böhlau. In: Britta Jürgs (Hrsg.): Denn da ist nichts mehr, wie es die Natur gewollt. Portraits von Künstlerinnen und Schriftstellerinnen um 1900. AvivA Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-932338-13-8, S. 260-280.
  • Friedrich Zillmann: Helene Böhlau. Ein Beitrag zu ihrer Würdigung. Xenien-Verlag, Leipzig 1918.

Einzelnachweise

  1. Friedrichs gibt an „22.11.1859 (nicht 1856) in Weimar“. Vgl. Elisabeth Friedrichs: Die deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 18. und 19. Jahrhunderts. Ein Lexikon. Metzler, Stuttgart 1981, S. 4.
  2. Lt. Friedrichs starb sie in Widdersberg bei Herrsching, Ammersee.
  3. Max Lesser: Götterdämmerung. In: Neues Wiener Tagblatt. 35 (1901) #243, 5. September 1901, S. 1-3, hier: S. 3.

Weblinks

 Wikisource: Helene Böhlau – Quellen und Volltexte

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