- Hendiadyoin
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Das Hendiadyoin [ˌhɛnˌdiaˌdy'ɔʏn] (griechisch ἓν διὰ δυοῖν hen dia dyoin „eins durch zwei“, selten auch Hendiadys) ist in der Rhetorik und Linguistik eine Stilfigur, bei der ein Begriff durch zwei Wörter mit (annähernd) derselben Bedeutung wiedergegeben wird. Wenn anstatt zweier drei Wörter verwendet werden, heißt es ein Hendiatris. Bei der Verwendung von vier Wörtern zum Ausdruck einer Bedeutung heißt die Figur Hendiatetris oder auch Hendiatetrakis.
Das Hendiadyoin ist oft ein feststehender Ausdruck, also eine so genannte Zwillingsformel. Dabei ist in manchen Fällen eins der beiden Wörter allein heute ungebräuchlich (frank [und frei], rank [und schlank], klipp [und klar]). In Abgrenzung zur Tautologie bilden beim Hendiadyoin die beiden Wortbestandteile zusammen erst die eigentliche Bedeutung des Ausdrucks (beispielsweise „Hab und Gut“ für „Besitz“). Bei der Tautologie besitzen dagegen die beiden Wortbestandteile auch schon für sich allein genommen die gleiche Bedeutung wie der gesamte Ausdruck, der als Ganzes in der Regel nur eine rhetorische Verstärkungsfunktion erfüllt (beispielsweise „Art und Weise“).
Hendiadyoine kommen in unterschiedlichen Formen vor:
- als phraseologische Verbindung zweier Synonyme (Spezialfall der Synonymik, Abgrenzung zur Tautologie häufig schwierig), wie bei „Grund und Boden“, „nie und nimmer“;
- als phraseologische Verbindung zweier ähnlicher Begriffe, die beide zusammen einen gemeinsamen (neuen) Begriff bezeichnen (beispielsweise „Feuer und Flamme“)
- als beiordnende Verbindung zweier Substantive, die beide zusammen einen einzigen Gegenstand bezeichnen (wie „Haus und Hof“)
- wobei das eine dem anderen logisch untergeordnet sein kann (also „von Tellern und Silber essen“ statt „von Silbertellern essen“).
Auch in der Rechtssprache fassen hendiadyoinische Paarformeln häufig zwei eng verwandte, aber doch zumindest historisch oder formal zu unterscheidende Begriffe zu einem Topos zusammen.
Auffällig sind alliterative Hendiadyoine, bei denen die Paarwörter mit dem gleichen Buchstaben oder Laut beginnen.
Inhaltsverzeichnis
Beispiele
- samt und sonders (rechtssprachlich: „die Gesamtheit und jeder Bestandteil auch für sich genommen“; Gesamtbedeutung „alles zusammen“)
- hin und wieder (Gesamtbedeutung „gelegentlich“)
- ab und zu (Gesamtbedeutung „manchmal“)
- alt und krank (Gesamtbedeutung „altersschwach“ in Bezug auf eine Person)
- in Amt und Würden (Gesamtbedeutung „amtierend“)
- angst und bange (Gesamtbedeutung „angstdurchtrieben“)
- kreuz und quer (Gesamtbedeutung „durcheinander“)
- unter Dach und Fach (aus dem Zimmermannshandwerk; Gesamtbedeutung„erledigt“)
- dies und das (Gesamtbedeutung „Verschiedenes“)
- in Bausch und Bogen (aus dem Papiermacherhandwerk; rechtssprachliche Paarformel)
- Feuer und Flamme (Gesamtbedeutung „begeistert“)
- frank und frei (Gesamtbedeutung „unverblümt“)
- Grund und Boden (rechtssprachliche Paarformel)
- Hab und Gut (Gesamtbedeutung „sämtlicher Besitz“)
- Hans und Franz (Gesamtbedeutung „jedermann“)
- Haus und Hof (Gesamtbedeutung „Wohneigentum“)
- Hinz und Kunz (Gesamtbedeutung „jedermann“; zur Entstehung der Redewendung waren Heinrich und Konrad als Vornamen besonders verbreitet)
- Kind und Kegel (ursprünglich rechtssprachliche Paarformel bezogen auf eheliche und nichteheliche Abkömmlinge; Gesamtbedeutung „sämtliche Nachkommenschaft“)
- klipp und klar (Gesamtbedeutung „eindeutig“)
- Lust und Laune (Gesamtbedeutung „nach Belieben“)
- wie es leibt und lebt (adjektivische Gesamtbedeutung „lebensecht“, „authentisch“, „vital“)
- Lug und Trug (Gesamtbedeutung „bösartige Täuschung“)
- mit Fug und Recht (Gesamtbedeutung „mit voller Berechtigung“)
- Mord und Totschlag (Gesamtbedeutung „Gewaltexzess“)
- rank und schlank (Gesamtbedeutung „schlank“)
- Rat und Tat (rechtssprachliche Paarformel „auxilium et consilium“, Pflichten des Lehnsmannes ggü. dem Lehnsherrn zu militärischer und ziviler Unterstützung; Gesamtbedeutung „mit jeglicher Form von Hilfe“)
- recht und billig (rechtssprachliche Paarformel „iuste et aeque“, der Gerechtigkeit und der Billigkeit, also dem Buchstaben des Gesetzes ebenso wie dem Augenmaß bei der Rechtsanwendung im Einzelfall verpflichtet)
- Recht und Ordnung (Gesamtbedeutung „Gesetzesmäßigkeit“)
- Sack und Pack (Gesamtbedeutung „sämtliches Gepäck“)
- mit Schimpf und Schande (Gesamtbedeutung „unehrenhaft“)
- Saus und Braus (Gesamtbedeutung „verschwenderischer Überfluss“)
- schön und gut (Gesamtbedeutung „soweit in Ordnung“)
- so bunt, so farbig (Gesamtbedeutung „anregend vielfarbig“)
- Treu und Glauben (rechtssprachliche Paarformel)
- Tür und Tor (Gesamtbedeutung „Zugänge“)
- übergeben und überantworten (rechtssprachliche Paarformel)
- Wind und Wetter (Gesamtbedeutung „Wetterunbill“)
- Wissen und Gewissen (rechtssprachliche Paarformel)
- Schloss und Riegel (Gesamtbedeutung „verschlossen“)
Gegenbeispiele:
- Art und Weise (Tautologie)
- einzig und allein (Tautologie)
- Gelaufe und Gerenne (Tautologie)
- Hilfe und Beistand (Tautologie)
- nie und nimmer (Tautologie)
- Ort und Stelle (Tautologie)
- klammheimlich (verkappte Tautologie, da lateinisch clam „heimlich“, ein Pleonasmus)
- Tag und Nacht (Ergänzung von Teilbedeutungen zur Gesamtbedeutung „ständig“)
„Hendiatris“
Den Spezialfall einer feststehenden Formel aus drei Sprachelementen bezeichnet die englische Sprachwissenschaft als Hendiatris („eins durch dreimal“). Der Ausdruck ist im Deutschen allerdings eher ungebräuchlich, man spricht hier in der Regel allgemein von einer Drillingsformel (Beispiele für eine hendiatrionische Drillingsformel wären „Wein, Weib und Gesang“, „heimlich, still und leise“, „Jubel, Trubel, Heiterkeit“, „Friede, Freude, Eierkuchen“).
„Hendiatetris“, „Hendiatetrakis“
Den Spezialfall einer feststehenden Formel aus vier Sprachelementen wird in der romanischen Sprachwissenschaft als Hendiatetris [ˌhɛnˌdia'tɛˌtris] oder Hendiatetrakis [ˌhɛnˌdiaˌtɛ'traˌkis] (griechisch ἓν διὰ τετράκις hen dia tetrákis „eins durch viermal“) bezeichnet.[1] Der Ausdruck ist im Deutschen allerdings eher ungebräuchlich. Dennoch gibt es ein geläufiges Beispiel eines solchen Hendiatetris: „frisch, fromm, fröhlich, frei“ mit der Gesamtbedeutung „unbefangen“.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Marc Girard verweist in Zusammenhang mit der Gruppierung acclamer, éclater, crier, jouer auf die Bezeichnung Hendiatetris, in: Les Psaumes redécouverts: de la structure au sense, Bd. 1, S. 768, Bellarmin 1997
Kategorie:- Rhetorischer Begriff
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