- Hermann Finsterlin
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Hermann Finsterlin (* 18. August 1887 in München; † 16. September 1973 in Stuttgart) war ein utopischer Architekt, Maler, Dichter, Essayist, Spielzeugmacher und Komponist.
Kritik
In seinem Buch "Das Gebaute, das Ungebaute und das Unbaubare" schreibt Robert Harbison folgende Kritik zum Werk Finstlerlins: "Der radikalste aller Expressionisten, auch wenn er niemals irgend etwas baute, war Hermann Finsterlin. Seine phantastischen, karbunkularen Studien sind die unteilbaresten und undurchschaubarsten "Gebäude", die jemals erdacht wurden, sie sind im emphatischsten aller Sinne unbaubar. Es gibt sie in verschiedenen Formen: als perspektivische Zeichnungen, als unförmige Modelle, als Grundrisse. Die Perspektiven sind mit Farbe leicht angehaucht, sie wirken wie entzündet sie wachsen sich aus zu beinahe schönen Abszessen, geschwülztig, schwanger, organisch, eine Vermischung von pflanzlicher Verwurzelung und animalischen Gliedern. Finsterlin bezeichnet diese Gebilde fast unterschiedslos als Kirche, oder als Universität oder als Mausoleum. Jedes erfüllt eine Funktion mit hochsymbolischen Gehalt, jedoch völlig unspezifisch. Wenn man versucht, sich die Aufteilung des Innenraums vorzustellen, merkt man schnell, daß diese Fragestellung völlig verfehlt ist. Wir erhalten sichere Beweise dafür, daß diese Bauten ganz bewußt imaginär sind, wenn wir uns Finsterlins Grundrissen zuwenden. Sie zeigen genau die gleiche Gestalt wie die Perspektiven, nur daß hier die Blattformen, die dort dekorative Schlußornamente bilden, zu splitterhaften Räumen werden, die am Ende eines enger werdenden Körperglieds auslaufen. Grundriß und Perspektive werden nicht zueinander in Beziehung gesetzt, wie dies bei Architekturzeichnungen die Regel ist, wo beide Formen voneinander abhängen und jede für sich keinen vollständigen Sinn ergibt. In seiner unbestreitbaren Unverantwortlichkeit schiebt Finsterlin die Grenzen, die der Architektur gesetzt sind, weiter hinaus; nicht in den Grundrissen, wo das simple Mißverständnis herrscht, sie seinen Bilder, aber in den Umrißzeichnungen. Freier als die meisten Skulpturen beginnen sie einfach an einem Ende, fragen sich dann, wohin sich das Bauwerk wohl entwickeln will, und lassen sich von der Überlegung, wie man das wohl konstruiert, nichts vorschreiben. So entstehen also weder gerade Linien, noch steht irgend etwas auf dem Boden auf. Und obwohl Finsterlins Resultate höchst organisch wirken, gab es nie einen so unsymmetrischen und abwegigen Organismus. Seine Gebäude sind eher Teilstücke oder Scheibchen von Organismen oder wuchernde Klumpen einfacher Lebensformen, wie Bakterien, Pilze oder Algen. Deshalb wirken auch die elegantesten unter ihnen ungesund und parasitär, wie Auswucherungen und nicht wie gesunde Körper. Um sie zu bauen, bedürfte es der abwegigsten Methoden, die völlig im Widerspruch zu ihrer Gestalt ständen: Man müßte den Entwurf zunächst sorgfältig in Abschnitte zerlegen, dann jeden einzelnen Teil für sich ausformen und schließlich alles höchst unrühmlich zu einem Ganzen zusammenschweißen - dieses Szenario verdeutlich, wie sehr Finsterlins Entwürfe reine Papierarchitektur sind."(S. 178-179)
Weblinks
- Literatur von und über Hermann Finsterlin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Hermann-Finsterlin-Seiten
- Volltext: Uwe M. Schneede: Finsterlins Sternensehnsucht. Eine Annäherung an den utopischen Architekten. (Eine Rezension des Döhl-Buchs von 1988) Ein weiterer Text: beende diese URL mit /schneede2.htm
Literatur
- Robert Harbison: Das Gebaute, das Ungebaute und das Unbaubare. Auf der Suche nach der architektonischen Bedeutung. (aus dem Englischen von Christian Rochow) Birkhäuser, Basel / Berlin / Boston 1994, ISBN 3-7643-5051-2.
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