- Hexenkinder (Kongo)
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Als Hexenkinder werden im Aberglauben insbesondere der Bewohner von Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, Kinder bezeichnet, denen magische Fähigkeiten zugeschrieben werden, mit denen sie angeblich Schadenszauber ausüben sollen. So stigmatisierte Kinder werden häufig von ihren Müttern ausgesetzt, verfolgt und ermordet.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Hintergrund dieser recht neuen Erscheinung ist die ökonomische Krise des Landes. Kinshasa hat 10 Mio. Einwohner, es sind aber nur noch 5% der Arbeitskräfte im formalen Sektor beschäftigt. Ein erstes vom IWF gefordertes Strukturanpassungsprogramm aus dem Jahr 1977 führte zur Entlassung von über 80% der Staatsangestellten, zu einem weitgehenden Zusammenbruch des Bildungs- und Gesundheitssystems, des ÖPNV und anderer Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wie der Müllabfuhr. Ein zweites Strukturanpassungsprogramm aus dem Jahr 1987 sah die totale Marktöffnung des Landes vor und führte zum Zusammenbruch der verarbeitenden Industrie in Kinshasa, was einen schlagartigen Verlust von mehr als 100.000 Arbeitsplätzen bedeutete. Aber auch die Landwirtschaft in ganz Zaire konnte mit den billigen Importen nicht mehr konkurrieren. Es kam zu einer Hyperinflation.
Verarmte Bauern zogen in den folgenden Jahren nach Kinshasa, ohne dort Arbeit finden zu können. Der ab 1996 aufflammende Bürgerkrieg führte dazu, dass zahlreiche Binnenflüchtlinge in die Stadt zogen.
Hexenkinder und der Zerfall der kongolesischen Gesellschaft
Die katastrophale ökonomische Situation führte zu einem Zerfall der kongolesischen Familien. Die früher weit verbreiteten Bräuche der gegenseitigen Einladungen, Gastmähler, Nachbarschaftshilfen gibt es praktisch nicht mehr. Auch verließen immer mehr Männer ihre Familien, weil sie sie nicht mehr ernähren konnten. Es kam kaum noch zu Heiraten, weil die Männer den Brautpreis nicht bezahlen konnten und keine Zukunftsperspektive für sich sahen. Schließlich zerfallen seit dem Jahr 2000 auch die Mutter-Kind-Verbindungen immer stärker: Viele Kinder wurden der Hexerei bezichtigt und verjagt. Das passierte häufig dann, wenn ihre Mütter sie nicht mehr ernähren konnten. Zwar werden den „Hexenkindern“ mitunter auch positive Eigenschaften zugeschrieben, doch dominiert die Vorstellung, sie seien Unglücksbringer und würden ihre Macht dazu gebrauchen, anderen Menschen durch Magie Schaden zuzufügen. Oft gelten sie als Inkarnation des Bösen.
Diese neue Welle des Hexenglaubens wurde durch die Harry-Potter-Romane ausgelöst oder zumindest verstärkt. Denn viele Einwohner von Kinshasa halten sie für eine Beschreibung der Realität. Die in Kinshasa stark verbreiteten evangelikal-fundamentalistischen Sekten unterstützen diesen Hexenglauben und unterwerfen angebliche Hexenkinder mitunter qualvollen Prozeduren, um sie von ihrer vermeintlichen Besessenheit zu befreien (Exorzismus). Es sollen allein in Kinshasa dreißig- bis vierzigtausend Kinder als „Hexen“ gelten.[1] Humanitäre Organisationen bemühen sich um Aufklärung und um Hilfe für betroffene Kinder.
Zwar ist der Glaube an Hexerei in Afrika weit verbreitet, aber die spezifische Form der Kinderhexen gab es vor 1990 praktisch nicht. Deshalb können sie nicht auf traditionelle Aberglaubensvorstellungen zurückgeführt werden. Er trat vielmehr als Folge des ökonomischen Zusammenbruchs in Kinshasa auf. „Die Kapazitäten der kongolesischen Familien und Communities, die Grundversorgung und den Schutz ihrer Kinder sicherzustellen, sind offenbar erschöpft.“ (Mashimbo Mdoe von der Organisation Save the Children)
Quellen
- ↑ vgl. Mike Davis: Planet der Slums, S. 199ff
Literatur
- Mike Davis: Planet der Slums, Berlin 2007, ISBN 978-3-935936-56-9
Kategorien:- Kinderrechte
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