Hjortspringboot

Hjortspringboot
Miniatur des Hjortspringboots im Maßstab 1:50.

Das Hjortspringboot ist ein eisenzeitliches Boot, das auf 350 v. Chr. datiert wird, und 1921 in der Nähe des Hofes Hjortspring auf der dänischen Insel Als (dt.: Alsen) gefunden wurde.

Inhaltsverzeichnis

Der Fund

Bei Baggerarbeiten für einen Entwässerungsgraben durch ein kleines Torfmoor wurden 1921, in der Nähe des Hofes Hjortspring auf der dänischen Insel Als, mehrere Holzteile gefunden, die historisch zu sein schienen und später als Teile eines Bootes identifiziert wurden. Die Fundstelle gilt als älteste Opferstätte Skandinaviens.[1] Die Finder benachrichtigten das Dänischen Nationalmuseum in Kopenhagen, welches für die Jahre 1921 und 1922 eine systematische Suche organisierte und weitere Bruchstücke eines Bootes sowie weitere Gegenstände finden konnte. Bei den Beifunden handelte es sich mit acht einschneidigen Schwertern, etwa 140 Pfeilspitzen, mehreren Speerspitzen und Resten von Kettenrüstungen um die ältesten bis dahin in Skandinavien gefundenen Waffen aus Stahl. Außerdem fand man etwa 30 Speerspitzen aus Knochenmaterial, 50 lange Schilde aus Holz, mehrere hölzerne Teller und Gefäße sowie Bronzebeschläge und eine Bronzenadel. Zusammen mit dem Boot wurden Reste von Holzpaddeln gefunden, die alle unterschiedliche Maße und Formen aufweisen. Diese waren vermutlich je nach Person und Position auf dem Boot individuell angepasst.

Das Boot selbst wurde bei den Baggerarbeiten größtenteils zerstört, die verbliebenen Teile befinden sich heute zusammen mit einem Teil der gefundenen Waffen und Geräte in der Dauerausstellung Danmarks Oldtid im Dänischen Nationalmuseum in Kopenhagen. Die erhaltenen Teile des Bootes werden mit Hilfe einer Edelstahlgerüstkonstruktion in der vermuteten Originallage des Bootes gezeigt.

Das Boot

Die geborgenen Überreste des Hjortspringboots im Dänischen Nationalmuseum.

Der Bootstyp stammt aus der späten Bronzezeit, wenn das Boot auch in der frühen Eisenzeit gebaut wurde (4.- 3. Jhd. v. Chr.).[1] Man hält es für ein Kriegsboot zum schnellen Übersetzen einer Kriegerschar über ein größeres Gewässer.[2] Da es weder Ruderlöcher oder Ruderdollen, noch irgendeine Einrichtung zur Aufnahme eines Schiffsmastes gibt handelt sich um ein offenes Kanu, das mit insgesamt 20 Stechpaddeln angetrieben wurde, was durch die Rekonstruktion bestätigt werden konnte.[1] Es ist 19 m lang, 2,07 m breit[1] und 0,7 m hoch, und die Länge des Bootsraumes beträgt 13,6 m, bzw. 15,3 m.[1] Die Masse betrug vermutlich rund 600kg.[1] Das Boot besitzt an Bug und Heck je zwei übereinanderliegende und weit ausladende Steven. Die schnabelartigen Steven geben dem Hjortspringboot sein von bronzezeitlichen Felsritzungen aus Skandinavien bekanntes Profil. Der Schiffsboden besteht aus einer breiten Kielplatte mit je zwei, auf beiden Seiten, in Klinkerbauweise aufgesetzten Setzborden. Die oberen Setzborde hatten eine verdickte Reling zur Erhöhung der Stabilität des Bootskörpers. Die aus einem Stück bestehende Kielplatte und die aus jeweils zwei Teilen zusammengesetzten Relingplanken gehen an beiden Enden des Bootes in die frei ausladenden Schnäbel über. Die insgesamt fünf Planken sind aus wenige Zentimeter starkem Lindenholz, das an den dünnsten Stellen etwa 15 mm stark war, in konsequenter Leichtbauweise gefertigt. Alle Bauteile sind mit Bastseilen[1] zusammengenäht, die Stöße und Nähte sind mit einer Baumharzmasse abgedichtet. Zur Verstärkung wurde das Boot im Inneren mit 10 Spanten aus Haselzweigen versteift. Die Ruderanlage bestand aus je einem Ruder an Bug und Heck. Dieses in Konstruktion wie Ausführung sehr ausgereifte Boot dokumentiert den Höhepunkt der längeren Bootsbautradition in der Region, die in die Bronzezeit zurückreicht. Dieser Schiffstyp war mit den damaligen Mitteln nicht weiter entwickelbar und andere Bootstypen lösten diese Bauart ab.

Nachteile dieses Bootes sind das geringe Freibord mit der damit verbundenen geringen Hochseetüchtigkeit und die für die Größe des Bootes relativ geringe Zuladung, die großen Vorteile jedoch sein geringes Gewicht, so wiegt der Nachbau bei 19 m Länge nur 530 kg, sein geringer Tiefgang, die gute Manövrierfähigkeit sowie seine hohe Reise- und Endgeschwindigkeit.

1922 wurden die Teile des Bootes nach dem damaligen Stand der Wissenschaft, mit Glyzerin, Alaun, Wachs und Lack konserviert. Da das Boot danach in einem Keller gelagert wurde zerfiel das Holz auf Grund der hygroskopischen Wirkung der darin eingebetteten Alaunkristalle langsam. Um den Zerfall aufzuhalten, wurde in den Jahren 1966 bis 1979 eine weitere Konservierung der Holzteile mit Polyethylenglycol (PEG) notwendig.

Bei einer Nachgrabung an der Fundstelle wurden 1987 weitere Bootsteile gefunden. Eine 14C-Datierung dreier Holzobjekte aus dieser Nachgrabung erbrachte einen Niederlegungszeitpunkt von 350 bis 300 v. Chr. mit einer Abweichung von etwa 100 Jahren.

Rekonstruktionen

In den 1940er Jahren wurde eine erste fahrfähige Rekonstruktion des Hjorspringbootes angefertigt, die jedoch seit 1947 verschollen ist. Eine zweite Rekonstruktion wurde in den 1970er Jahren in Deutschland im Maßstab 1:2 nachgebaut. In den Jahren 1991 bis 1999 wurde eine weitere Rekonstruktion durch den eigens gegründeten Verein Hjortspringbådes Laug angefertigt. Das in 10.000 Arbeitsstunden erbaute Boot wurde auf den Namen Tilia Alsie getauft. Da keine Linde in einer entsprechenden Länge verfügbar war, mussten die Planken des Nachbaues entgegen dem Original aus zwei Stücken aufgebaut werden. Als Rohmaterial für den Nachbau dienten vier Lindenstämme aus einem Danziger Wald mit zusammen 18 t Gewicht. Das fertige Boot hat ein Gewicht von etwa 530 kg und voll ausgelastet mit 24 Mann und Nutzlast eine Wasserverdrängung von 2.500 kg. In Experimenten wurden mit einer geübten Mannschaft eine Höchstgeschwindigkeit von 8,2 Knoten (etwa 15,2 km/h) und eine Reisegeschwindigkeit über längere Strecken von etwa 6 Knoten (etwa 11 km/h) erreicht. Außerdem zeigte sich das Boot auch unter erschwerten Wetterbedingungen mit 1 m Wellengang und Windgeschwindigkeit von 10 m/s unerwartet handhabbar.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Der Infotafel zur Bootsminiatur im Deutschen Museum entnommen.
  2. Brøgger S. 57.

Literatur

  • Anton Wilhelm Brøgger, Haakon Shetelig: Vikingeskipene. Deres forgjengere og etterfølgere. Dreyer, Oslo 1950 (dänisch: Wikingerschiffe. Deren Vorläufer und Nachfolger).
  • Ole Crumlin-Pedersen, Athena Trakadas (Hrsg.): Hjortspring. A pre-roman Iron-Age warship in context. Vikingeskibshallen, Roskilde 2003, ISBN 87-85180-52-1 (Ships and boats of the North 5), (englisch).
  • Niels Peter Fenger u. a.: Das Hjortspring-Boot. Ein skandinavisches Kriegskanu aus dem 4. Jahrhundert vor Christus, vom Nachbau zur Probefahrt. Archäologisches Landesmuseum, Schleswig 2003, ISBN 978-3-88270-500-3.
  • Klavs Randsborg: Hjortspring. Warfare and Sacrifice in Early Europe. Aarhus University Press, Aarhus u. a. 1995, ISBN 87-7288-545-9 (englisch).

Weblinks

55.0091029.853985

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