Homeplug AV

Homeplug AV

Homeplug AV ist ein Netzwerk via Stromleitung mit einer Datenübertragungsrate bis zu 200 Mbit/s. Heimnetzwerke via Stromleitung bieten eine alternative Lösung zu anderen Netzwerktechniken. Neben der bisherigen Spezifikation HomePlug 1.0 mit 14 Mbit/s Datenrate oder 85 Mbit/s, kann der HomePlug AV-Standard Übertragungsraten bis zu 200 Mbit/s ermöglichen.

Inhaltsverzeichnis

Anwendungen

Das Kürzel AV im Namen der Spezifikation steht für Audio und Video. Ihre Zielsetzung ist, über den Einsatzbereich von Homeplug 1.0 hinaus zeitkritische und datenreiche Anwendungen zu ermöglichen, zum Beispiel IP-Telefonie, Video-on-Demand und IPTV in HDTV-Qualität.

Installation und Sicherheit

HomePlug AV ist durch Plug-and-Play-Technologien und Autokonfiguration einfach in Betrieb zu nehmen. Solange man das voreingestellte Kennwort nicht ändert, ist die integrierte 128bit-AES-Verschlüsselung allerdings unwirksam.

Eigenschaften von HomePlug AV

  • Übertragungsmedium: 50/60 Hz Wechselstromleitungen, Koax-Kabel oder Twisted-Pair-Kabel mit entsprechenden Adaptern (optional auch Baluns)
  • Link-Datenrate: 200 Mbit/s
  • TCP-Datenrate: bis zu etwa 68 Mbit/s
  • UDP-Datenrate: bis zu etwa 90 Mbit/s
  • Flächendeckung: bis 300 Meter (gesamter Haushalt)
  • Übertragungsverfahren: CSMA/CA. TDMA geplant, aber noch nicht implementiert
  • Ethernet-Kompatibilität: Ja (CSMA)
  • Koexistenz mit Hausautomation: Ja (X10, LonWorks, CEBus)
  • Frequenzbereich PHY: 2–28 MHz (1,8–30 MHz auf Koax-Kabel möglich)
  • Anzahl Trägerfrequenzen: 917 (1155 ohne Kerbfilter)
  • Modulationsverfahren: OFDM, 1024/256/64-QAM, QPSK, BPSK

Die HomePlug-AV-Architektur

Um insbesondere den QoS-Anforderungen der Unterhaltungselektronik (aber auch den Anforderungen an VoIP) gerecht werden zu können, arbeitet das HomePlug-AV-System sowohl mit verbindungsorientierten als auch mit verbindungslosen Kommunikationskanälen.

Verbindungsorientierte Kommunikationskanäle stellen – wie etwa ISDN-Leitungen – logische Punkt-zu-Punkt-Verbindungen dar, in denen definierte Zeiträume für die Datenübertragung zur Verfügung steht. Genauer: Sobald sich eine Anwendung einen solchen Übertragungsweg zwischen Sender und Empfänger reserviert hat, kann für die Dauer der Übertragung keine andere mehr darauf zugreifen. Der Nachteil: Die Realisierung erfordert eine präzise und netzwerkweite Zeitsteuerung aller beteiligten Kommunikationspartner, die nur durch einen zentralen Kontrollmechanismus realisierbar ist. Der Vorteil: Alle Datenpakete kommen genau in der Reihenfolge an, in der sie gesendet wurden.

Verbindungslose Kommunikationskanäle sind von 10BASE2 und WLAN wohlbekannt. Wenn mehrere Anwendungen gleichzeitig Datenpakete senden, sind diese unbrauchbar und müssen erneut gesendet werden. Damit es nicht erneut zu Kollisionen kommt, lassen die betroffenen Sender zunächst eine kleine Zeitspanne verstreichen, deren Länge zufällig variiert. Der Vorteil: Eine zentrale Steuerung kann entfallen, was das System weniger komplex und damit robuster gegen Störungen macht. Der Nachteil: Die Reihenfolge, in der Pakete beim Empfänger ankommen, ist nicht vorhersehbar. Der Empfänger muss die Pakete in die richtige Reihenfolge bringen.

Um diese beiden an sich widersprüchlichen Funktionsweisen in einem einzigen Netzwerk realisieren zu können, geht HomePlug AV den gleichen Weg, den bereits die Telekommunikationsunternehmen im Datenfernverkehr mit ATM (Asynchronous Transfer Mode) oder später Apple mit dem FireWire-Bus beschritten haben: Eine zentrale Instanz, der Central Coordinator (CCo), sorgt zunächst dafür, dass sämtliche Stationen (STA) im Netzwerk nach genau derselben Uhr synchronisiert sind. Sodann vergibt der CCo Zeitscheiben, verteilt also die Gesamtübertragungsrate – das ist das Bruttotransportvermögen (Bits pro Sekunde) des Übertragungskanals – in mehrere Bereiche und weist sie dynamisch den anderen Stationen im Netz zu.

CCo – die koordinierende Zentrale

Da HomePlug-AV-Netzwerke grundsätzlich ohne eine übergeordnete Instanz funktionieren sollen, muss jede Station in der Lage sein, solche Informationen zu speichern. Und so befindet sich in jedem HomePlug-AV-Adaptern eine zentrale Koordinationseinheit, Englisch: Central Coordinator (CCo). Wie aber können sich mehrere Stationen darauf verständigen, welche Instanz netzwerkweit der CCo ist? HomePlug AV löst den Alleinvertretungsanspruch ganz pragmatisch durch Anstecken ans Stromnetz: Sobald eine HomePlug-AV-Station am Hausstromnetz angesteckt und dadurch mit Energie versorgt wird, lauscht sie am Medium (Stromkabel) auf Steuerinformationen, sogenannte Beacons (dt: Leuchtfeuer) anderer HomePlug-AV-Stationen. Hört sie nichts, wird sie automatisch zum CCo und teilt das ihrer Umgebung mit, indem sie beginnt, ihrerseits Beacons auszusenden.

Wird eine zweite HomePlug-AV-Station eingesteckt, hört diese, dass bereits Beacons auf den Stromleitungen unterwegs sind und „unterwirft“ sich dem bereits vorhandenen CCo, indem sie Informationen über ihre eigene Beschaffenheit (MAC-Adresse, Netzwerkschlüssel etc.) dem CCo in die Liste der entdeckten Stationen, engl. Discovered Station List (DSL), einträgt.

Ein CCo steuert also zumindest ein logisches AV-Netzwerk (engl.: AV Logical Network (AVLN)). Ein AVLN besteht aus mehreren AV-Stationen (STAs), die alle den gleichen Netzwerkmitgliedsschlüssel (engl.: Network Membership Key (NMK)) verwenden. Hier ist es wichtig zu wissen, dass der NMK den Stationen exklusiven Zugang zu einem AVLN verschafft, damit sie ungestört und sicher miteinander kommunizieren können. Die AV-Stationen senden in periodischen Abständen, die ihnen der CCo vorgibt, ihrerseits Beacons. Diese Entdeckungs-Leuchtfeuer (Discover Beacons) enthalten Informationen über die AV-Station und über das AVLN, zu dem sie gehört. Jede Station, die einen Discover-Beacon hört, trägt diese Information in ihre eigene Liste der entdeckten Stationen (DSL) ein. Informationen von Stationen aus einem anderen AVLN werden zusätzlich in eine zweite Liste, die Liste der entdeckten Netzwerke (engl.: Discovered Network List (DNL)) eingetragen. Der CCo fragt dann in periodischen Abständen die Stationen ab, lässt sich von ihnen deren DSLs und DNLs übermitteln und baut sich daraus eine Topologie-Karte zusammen.

Die aus den gesammelten DSL- und DNL-Informationen zusammengebaute Topologie-Karte nutzt der Zentralkoordinator um zu entscheiden, ob es irgendwo im Netz eine Station gibt, die einen bessere Eignung als CCo hätte, als er selbst. Als Entscheidungshilfe dient ihm folgende Prioritätsliste:

  1. Auswahl durch den Anwender
  2. Fähigkeiten des CCo
  3. Anzahl der entdeckten STAs in der Discovered Station List

Energie sparen

Sind alle Stationen untätig, legt der CCo das gesamte AVLN schlafen, indem er sämtliche Stationen in einen Stromsparmodus versetzt. In diesem Zustand bleibt lediglich ein kleiner CSMA-Bereich aktiv, damit die Stationen einen Verbindungsaufbau veranlassen können – sowie ein kleiner PCF-Bereich in den Echtzeit-Zeitscheiben, gerade lang genug, um Entdeckungs- und Proxy-Beacons empfangen zu können. Die Stationen müssen ihre Empfänger nur während dieser sehr kurzen Zeitspannen einschalten, um Bestandteil eines AVLN bleiben zu können. Für den Rest der Beacon-Zeitspanne können Sender und Empfänger ausgeschaltet bleiben. Das erleichtert es den Herstellern, ihre Produkte für das Energy-Star-Programm zu zertifizieren.

Quality of Service

HomePlug AV bietet – wie bereits beschrieben – verbindungsorientierte, „verstopfungsfreie“ Dienste (engl. Contention Free - CF) um den Anforderungen anspruchsvoller Audio- und Video-Anwendungen nach geringen Zeitversätzen (Latenzzeiten) und Laufzeitunterschieden (Jitter) zu genügen. Der verstopfungsfreie Dienst setzt auf ein periodisches Zeitscheibenmanagement (engl. Time Division Multiple Access - TDMA), das logische Verbindungen in Zeitscheiben ausreichender Dauer zur Erfüllung der jeweiligen QoS-Anforderungen organisiert. Die netzwerkweite Zeitsteuerung wird durch periodische Leuchtfeuer (engl. Beacons) möglich, die der Central Coordinator aussendet. Eine Beacon-Periode erstreckt sich jeweils über zwei volle 50/60-Hz-Wechselstromperioden und dauert 40 respektive 33⅓ Millisekunden.

Verschlüsselung

Bei der Datenübertragung über das Stromnetz sind physikalische Begrenzungen, wie sie bei einem Ethernet schon alleine durch die Kabel gegeben sind, schlichtweg nicht vorhanden. Deshalb muss die (Abhör-) Sicherheit mit anderen, logischen Mitteln sichergestellt werden. So müssen Maßnahmen zur Zugangskontrolle sicherstellen, dass sich ausschließlich zugelassene Geräte in ein HomePlug-AV-Netzwerk (AVLN) einbuchen können.

Der gesamte Datentransport und nahezu sämtlicher Steuerungsverkehr in einem AVLN sind durch eine starke Verschlüsselung gemäß 128-Bit-AES abgesichert. Ausgenommen sind lediglich einige wenige Steuerkommandos, die unverschlüsselbar sind. Als Schlüssel dient der Network Encryption Key (NEK), der erst dann auf individuelle Netzwerksegmente angewendet wird, wenn MPDUs (MAC Protocol Data Unit) generiert werden. Die Schlüsselzuweisung kann auf folgende Arten erfolgen: Der voreingestellte Schlüssel wird verwendet, der werkseitig in alle Stationen programmiert wurde, um den Anwendern bei der Erstinstallation ein echtes Plug&Play-Erlebnis zu verschaffen. Sicherheit ist damit aber nicht gegeben, weil diesen Schlüssel alle HomePlug-AV-Adapter haben. Der Anwender definiert ein Netzwerk-Passwort (NPW) und gibt es direkt in eine neue Station ein. Ein Hash-Algorithmus generiert daraus den NEK – einen 128-Bit-AES-Schlüssel.

HomePlug-AV-Stationen können Mitglied mehrerer logischer Netzwerke in einem physikalischen Netzwerk sein. Die Fähigkeit, mehrere Sicherheitsschlüssel zu verwalten, befähigen HomePlug-AV-Stationen, sich mehreren AVLNs anzuschließen.

Was ist darunter zu verstehen? AVLN Nummer 1 kann beispielsweise einen LCD-Fernseher mit dem Sat-Receiver verbinden, während ein AVLN Nummer 2 die Verbindung zu den sechs (aktiven) Lautsprechern der 5.1-Surround-Anlage herstellt, die via AVLN 3 gleichfalls von einem (AV-) Netzwerk-Player oder einer IPTV-SetTopBox angesteuert werden. Der PC im Arbeitszimmer nutzt ein AVLN Nummer 4 zur Kommunikation mit dem – möglicherweise via WLAN angebundenen – Notebook im Wohnzimmer und dem Storage-Server im Keller, der über AVLN 3 gleichfalls als Datenquelle für den LCD-Fernseher dient.

HomePlug AV kann darüber hinaus mehrere benachbarte Netzwerke (engl.: Neighbouring Networks (NN)) koordinieren. Sobald der Zentralkoordinator (CCo) ein benachbartes Netzwerk entdeckt, handelt er mit dessen CCo einen Zeitplan für die Übertragung von Daten in dessen Netzwerk aus, so dass es zu keinen Überschneidungen (Interferenzen) kommt.

Störung anderer Übertragungsverfahren

Produkte, die der HomePlug-AV-Spezifikationen folgen, verwenden Kerbfilter zur Vermeidung von Störungen anderer Übertragungstechniken. Dennoch können entsprechende Störungen im Kurzwellenbereich durch HomePlug-AV-spezifizierte Produkte nicht ausgeschlossen werden. Diese Störungen können dazu führen, dass der Betreiber durch die Bundesnetzagentur zur Außerbetriebnahme seiner HomePlug-Adapter aufgefordert wird. Auf bestimmten alternativen Medien, wie Koax-Kabel, können diese Kerbfilter in der Praxis aufgehoben werden, wenn das Medium selbst eine hinreichende Abschirmung gewährleistet.

Angewandte Kerbfilter, f = Frequenz (MHz):

  • f ≤ 1,71 – AM Broadcastband und drunter
  • 1,71 < f < 1,8 – Zwischen AM und 160-Meter-Band
  • 1,8 ≤ f ≤ 2,0 – 160-Meter-Amateur-Band
  • 3,5 ≤ f ≤ 4,0 – 80-Meter-Amateur-Band
  • 5,33 ≤ f ≤ 5,407 – 5-MHz-Amateur-Band
  • 7,0 ≤ f ≤ 7,3 – 40-Meter-Amateur-Band
  • 10,10 ≤ f ≤ 10,15 – 30-Meter-Amateur-Band
  • 14,0 ≤ f ≤ 14,35 – 20-Meter-Amateur-Band
  • 18,068 ≤ f ≤ 18,168 – 17-Meter-Amateur-Band
  • 21,0 ≤ f ≤ 21,45 – 15-Meter-Amateur-Band
  • 24,89 ≤ f ≤ 24,99 – 12-Meter Amateur Band
  • f >= 28,0 – 10-Meter-Amateur-Band

Zusammenfassung

Homeplug AV ermöglicht, sowohl Audio und Video als auch Ethernet-Pakete über die Stromleitungen eines Haushaltes zu verteilen. Die ideale Datenübertragungsrate von 200 Mbit/s reicht aus, um gleichzeitig beispielsweise zwei HDTV-Signale (66–84 Mbit/s), Home-Theater-Audio oder CD-Audio in zwei Räumen (9–11 Mbit/s) und sechs VoIP-Telefonate (1 Mbit/s) im Heimnetz zu verteilen – und hat selbst dann immer noch genügend Reserven, um IP-Daten mit 10 Mbit/s zu übermitteln. Allerdings kann HomePlug AV ebenso wenig wie WLAN garantieren, dass die unter optimalen Bedingungen ermittelten Datenübertragungsraten in der praktischen Anwendung erreicht werden. In der Praxis werden durchaus nur Datenübertragungsraten von 50 bis 70 Mbit/s erreicht.

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