- Homo inermis
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Das Mängelwesen (Homo Inermis) ist ein von Arnold Gehlen geprägtes Menschenbild, das den Menschen anderen Spezies als physisch und morphologisch unterlegen darstellt. Diese Nachteile sind biologische Unangepasstheiten des Menschen an seine natürliche Umwelt. Um trotzdem überleben zu können, schafft der Mensch als Prometheus die Kultur als „Ersatz-Natur“ oder „zweite Natur“.[1]
Der Idee eines Mängelwesens stammte im weitesten Sinne von Johann Gottfried Herder und wurde von dem Anthropologen Arnold Gehlen für seine Institutionenlehre ausgebaut.
Inhaltsverzeichnis
Mängel des Menschen
In seinen anthropologischen Überlegungen zählt Gehlen sowohl körperliche als auch geistige Unangepasstheiten an die Umwelt auf. Zu den körperlichen Mängeln gehören zum Beispiel das Fehlen von Angriffsorganen (Klauen, Zähnen) und eines Körperbaus, der eine schnelle und ausdauernde Flucht ermöglichen könnte, sowie seine Schutzlosigkeit gegenüber der Witterung (durch ausreichende Körperbehaarung). Für geistige Nachteile hält er den „fast lebensgefährlichen Mangel an echten Instinkten“ und die Reizüberflutung, die eine erhebliche Belastung darstelle.
Gehlen kommt daher zu dem Schluss, dass der Mensch innerhalb natürlicher Bedingungen „inmitten der gefährlichsten Raubtiere“ schon längst ausgerottet sein müsste.
Schaffung der Kultur
Die genannten Mängel der Reizüberflutung bieten dem Mängelwesen Mensch aber auch Vorteile. Durch seine „Weltoffenheit“ wird der Mensch dazu gezwungen „sich zu entlasten, d.h. die Mängelbedingungen seiner Existenz eigentätig in Chancen seiner Lebensfristung umzuarbeiten“. Anstatt sich seiner Umwelt anzupassen, was aufgrund seiner physischen Eigenschaften oft nicht möglich ist, verändert er selbige, so dass sie seinen Zwecken dienlich ist.
Der Mensch kann also nur durch die Umwandlung der Natur in eine Ersatz-Natur überleben, gleichzeitig wird es ihm dadurch als unspezialisiertes Wesen möglich unter verschiedensten Bedingungen zu leben. Die von ihm als „Prometheus“ erschaffene Ersatz-Natur bezeichnet Gehlen als Kultur.
Institutionenlehre
Politisch zog Gehlen diese – nicht unumstrittene – Diagnose von der Mangelhaftigkeit der menschlichen Ausstattung heran, um die Legitimität staatlicher Ordnung und überlieferter Tradition zu belegen. Der Mensch sei grundlegend ein „institutionenbedürftiges“ Wesen, wobei es nicht primär darauf ankomme, wie diese Institutionen genau aussähen. Wichtig sei ihre Stabilisierungsfunktion, weshalb es gelte, die bestehenden Institutionen grundsätzlich gegen Angriffe und Zersetzung zu verteidigen. Dieser Aspekt der Lehre vom Mängelwesen gewann nach der Publikation von Der Mensch an Bedeutung und wird v.a. in den späteren Auflagen wie auch in Urmensch und Spätkultur (1956) gegenüber den Vorteilen der „Weltoffenheit“ stärker betont.
Literatur
- Arnold Gehlen: Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt. 1940
- Arnold Gehlen: Urmensch und Spätkultur. Athenäum Verlag, Bonn 1956
- Arnold Gehlen: Anthropologische Forschung. Rowohlt Verlag, Reinbek 1961
Quellen
- ↑ Mängelwesen im Meyers Lexikon Online
Weblinks
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