Hugo Küttner

Hugo Küttner

Hugo Richard Küttner (* 17. März 1879 in Sehma; † 8. Mai 1945 in Dresden) war ein deutscher Unternehmer und Kunstseideproduzent in Pirna.

Leben

Der Sohn des Unternehmers Friedrich Richard Küttner kam mit 27 Jahren aus dem Erzgebirge nach Pirna und baute dort in den Jahren 1908-1909 ein Kunstseidenwerk auf. Die Produkte entwickelten im Laufe der Zeit Top-Qualitäten. Über den Inlandsabsatz hinaus besaßen die Produkte durch den Export in alle Erdteile anerkannte Weltgeltung. Hugo Richard Küttner brachte das Handwerkszeug für einen erfolgreichen Unternehmer aus dem elterlichen Betrieb in Sehma/Erzgebirge mit. Sein Vater Friedrich Richard leitete nunmehr schon in der 3. Familiengeneration seit Gründung 1820 erfolgreich einen Fabrikationsbetrieb in Sehma, der u.a. Baumwollgarne herstellte und bearbeitete, was vor allem Zwirnen, Bleichen und Färben hieß. Die ersten Kunstseidenprodukte, gekauft bei in- und ausländischen Unternehmen, wurden in das Verarbeitungsprogramm mitaufgenommen. Hieraus erklären sich die profunden Kenntnisse bei Hugo Küttner über die Qualitätsstandards der Kunstseide in der damaligen Zeit.

Er begann 1908 mit einer Versuchsanlage für Kunstseide zur Herstellung von Kunstseide nach dem Chardonnet-Verfahren in Pirna auf dem Gelände eines ehemaligen Exerzierplatzes an der Stadtgrenze zu Großsedlitz (heute zu Heidenau). Die hierbei gemachten Erfahrungen wurden im Jahre 1909 in den Bau einer weitaus größeren Produktionsanlage eingesetzt. Einige Tage vor der geplanten Produktionsaufnahme wurde das Verfahren nach dem Chardonnetverfahren gestoppt und innerhalb einer Bauzeit von 8 bis 9 Wochen die Herstellung nach dem Viskose-Verfahren umgestellt. Das Ergebnis war, dass 1910 die erste brauchbare Kunstseide in Deutschland nach dem Viskose-Verfahren aus dem Hause Küttner auf den Markt kam.

Im Jahre 1913 lag Deutschland bei den Erzeugerländern trotz starker Konkurrenz auf Platz 1. Der Anteil des Kunstseidenwerkes Küttner in Pirna an der gesamtern Weltproduktion lag bei ca. 6 %. Das war eine Meisterleistung des Unternehmensgründers und seiner Mitarbeiter nach einer nur dreijährigen Betriebsdauer.

1920 feierte er das 100-jährige Firmenjubiläum, da er als Gründungsdatum den Kauf einer Zwirnerei durch Christiane Sophie Küttner in Sehma im Erzgebirge im Jahr 1820 gelten ließ. 1924/25 wurde ein zweites Werk in Pirna errichtet. Schon 1913 war er der größte Arbeitgeber der Stadt; zeitweise beschäftigte Küttner 50 % der Arbeitnehmer Pirnas. Der Höhepunkt war 1928 erreicht, als er 5688 Arbeiter und Angestellte hatte.

Die Zeitläufe im politischen Geschehen Deutschlands gingen natürlich auch nicht am Tagesgeschehen des Werkes spurlos vorüber. Beginn und Ende des 1. Weltkrieges, Soldatenräte, Kapp-Putsch und das Krisenjahr der Weimarer Republik 1923 sowie die Reparationen waren Gründe, für eine längere Zeit die Produktion aus Rohstoff- und Personalmangel einzustellen.

1920 wurde der Betrieb in eine OHG umgewandelt: Gründe lagen im wachsenden Kreditmittelbedarf u.a. für Stillstandsreparaturen, die Ausweitung des Werkes im Jahre 1924/25 und die dabei verbundenen Sicherheiten für die Banken. 1927 wurde das Werk in eine Aktiengesellschaft (AG) umgewandelt, bei der Küttner und seine beiden Töchter Alleineigentümer blieben. Anfang der 1930er Jahre verschlechterte sich die finanzielle Situation durch die Weltwirtschaftskrise. Durch den dramatischen Preisverfall der Produkte und fehlende Kaufkraft als einer der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. Die Produktion von Viskoseseide und Kupferkunstseide wurde Anfang der 1930er Jahre für Monate eingestellt. Ein Teil der Arbeiter und Angestellte musste entlassen werden. Die Unzufriedenheit der arbeitenden Menschen führte im Werk zu einer zunehmenden Politisierung. Die KPD erstarkte. Bei den politischen Agitationen war die Person Hugo Küttner das Hauptziel der Kritik, da ein Einzelner weit einfacher und schlagkräftiger zu kritisieren war als die anonyme Leitung einer Aktiengesellschaft. Der Zorn der Arbeiterbewegung richtete sich gegen Küttner persönlich; er wurde als Ausbeuter hingestellt. Einmal soll ihn der Betriebsratsvorsitzende und kommunistische Reichstagsabgeordnete Siegfried Rädel an einem 1. Mai in den zwanziger Jahren gezwungen haben, die Rote Fahne in die Hand zu nehmen und damit an der Spitze des Demonstrationszuges durch Pirna mit zu marschieren, wie sich Zeitzeugen erinnern.

Das Kunstseidenwerk war noch immer größter Arbeitgeber, obwohl es 1932 mit ca. 2200 Beschäftigten nicht einmal mehr die Hälfte von früher hatte. Von 1927 bis 1930 erzielte die Firma keinen Gewinn; von 1931 bis 1933 standen die Anlagen sogar still. Wegen der Schwierigkeiten übernahmen die Banken die AG. Anfang des Jahres 1934 kam eine Sanierung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens zustande. Ein Bankenkonsortium stellte neue Kredite zur Verfügung bei gleichzeitiger Sicherungsübereignung der Aktien. In den nachfolgenden Jahren wurden Sanierungsprogramme entwickelt, die große Erfolge erzielten. Der Markt entwickelte Nachfrage, die Preise wurden stabil, Produktionsquoten wurden von einem Kunstseidensyndikat festgelegt. 1936 zahlte die AG erstmals eine Dividende.

1934/35 bekam er Schwierigkeiten mit den nationalsozialistischen Machthabern. Mit ihrem Einzug in das Betriebsgeschehen führte Hugo Küttner einen jahrelangen, aber auch erfolglosen Kampf gegen die Nationalsozialisten, die in Führungspositionen des Werkes im Vorstand und Aufsichtsrat der AG beschäftigt waren. Hugo Küttner, der kein Parteimitglied war, wurde wegen angeblicher Störung des Betriebsfriedens in Schutzhaft genommen. Aus der Schutzhaft wurde er entlassen und durfte sein Werk erst zeitweise, dann dauernd nicht mehr betreten. In der Folgezeit ließ sein Einfluss auf sein Werk nach, und er wurde aus der Firma hinaus gedrängt. Das Aktienkapital von Hugo Küttner wurde auf Veranlassung von Gauleiter Mutschmann durch einen rechtswidrigen Vertrag eingezogen und an eine staatseigene Bank weiterverkauft.

Die letzten 10 Jahre seines Lebens führte er einen harten aber letztendlich erfolglosen Kampf gegen den unberechtigten Machtanspruch der Nationalsozialisten in seinem Unternehmen. Hugo Küttner nahm alle hiermit verbundenen Erniedrigungen seiner Person mit in Kauf. Was man ihm nicht nehmen konnte, war seine Standhaftigkeit, Willenstärke und die Fürsorge für seine Familie und die seiner Mitarbeiter im Kunstseidenwerk.

Bis Ende des Jahres 1944 befand sich das Kunstseidenwerk in ständiger Aufwärtsentwicklung. Hauptursache hierzu waren die ausgezeichneten Patente für das Viskose - und Kupferkunstseide-Verfahren, die Grundlage für die exzellente Qualität und Wirtschaftlichkeit der Produkte waren. Noch im Jahre 1952 wurden nach dem Zusammenbruch in Pirna geraubte Küttner-Patente westdeutschen Konkurrenzunternehmen sowie Unternehmen in USA und Japan zum Kauf angeboten.

Sächsisches Kunstseidenwerk Pirna 1970

Küttner starb am 8. Mai 1945 am Kriegsende bei einer Fahrradfahrt von Dresden nach Pirna zum Kunstseidenwerk. Am selben Tag marschierte auch die Rote Armee in Pirna ein und die Produktion wurde eingestellt, allerdings nur 18 Tage. Dann wurde der Betrieb zunächst wieder aufgenommen, bis das Werk demontiert und in die Sowjetunion transportiert wurde. Später wurde es am selben Ort in Pirna neu wiederaufgebaut und jahrzehntelang weiter betrieben. Der Höhepunkt der Produktion wurde 1977 erreicht. Das Kunstseidewerk überdauerte noch die politische Wende 1989, bis es 1993 durch Konkurs endete. Es wurde abgewickelt, weil es nicht konkurrenzfähig war und weil die Produktion umwelt- und gesundheitsschädlich war.

In der DDR-Zeit genoss Küttners "Gegenspieler", der Arbeiterführer Siegfried Rädel, den größeren Ruhm. In Pirna wurde nach der Wende auf dem ehemaligen Werksgelände eine Straße nach Hugo Küttner benannt.

1913 kaufte Küttner eine Villa mit einem Park zwischen der heutigen Königsteiner Straße, Einsteinstraße und An der Gottleuba. Er ließ das Haus umbauen und den Park gestalten. 1920 feierte er hier das Firmenjubiläum und später wohnte seine Tochter Marga hier. Das Gebäude, das heute als "Küttnervilla" bekannt ist, wurde danach als Klubhaus und Pionierhaus genutzt und stand danach leer.

Ab dem 2. Mai 2011 sind in den Räumen der Küttner-Villa musikalische Klänge zu hören. Die Musikschule Sächsische Schweiz e.V. ist nun in diesem Gebäude und verleiht ihm einen "künstlerischen Anstrich".

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