- Hurenkind und Schusterjunge
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Ist im Schriftsatz eine einzelne Zeile eines Absatzes durch einen Seitenwechsel abgetrennt, spricht der Setzer entweder von einem Schusterjungen (heute auch: Waisenkind, englisch: orphan)[1] oder einem Hurenkind (gelegentlich auch Hundesohn, heute auch: Witwe, englisch: widow),[2] je nachdem, ob es sich um die erste oder die letzte Zeile des Absatzes handelt.
Inhaltsverzeichnis
Hurenkind
Als Hurenkind wird die letzte Zeile eines Absatzes bezeichnet, wenn sie zugleich die erste einer neuen Spalte oder Seite ist. Hurenkinder gelten in der Typografie als schwere handwerkliche Fehler, da sie die Ästhetik des Satzspiegels besonders stark beeinträchtigen.
Als Hurenkinderregelung bezeichnet man die entsprechende Konvention aus der Satztechnik bzw. dem Buchdruck, die besagt, dass die letzte – oder die letzten – Zeile(n) eines Absatzes niemals am Anfang einer Buchseite stehen darf, damit das Erscheinungsbild der Seite nicht darunter leidet. Die Regel für die Schusterjungen ist dann meist analog. Je nach Satztypus ist nur ein einzeiliges Hurenkind verboten, oder aber etwa auch Zwei- oder Dreizeiler (etwa dann, wenn die Absätze mit Zeilendurchschuss gesetzt sind: Dann wirken schon zwei Zeilen am Anfang oder Ende einer Seite „verwaist“).
Schusterjunge
Wenn eine Seite oder Spalte nach der ersten Zeile eines neuen Absatzes umbrochen wird, so wird diese allein am Ende der Seite oder Spalte stehende Zeile als Schusterjunge bezeichnet. Der Schusterjunge gilt gegenüber dem Hurenkind als weniger gravierender Fehler und fällt besonders dann auf, wenn Absätze mit Einzug gesetzt werden.
Als Schusterjungenregelung bezeichnet man eine Konvention aus der Satztechnik bzw. dem Buchdruck. Diese Vereinbarung besagt, dass die erste Zeile eines Absatzes niemals am Ende einer Buchseite stehen darf, damit das Erscheinungsbild der Seite nicht darunter leidet.
Der Begriff bezeichnet also eine Zeile eines neuen Absatzes, die sich vorwitzig wie ein Schusterjunge auf die vorhergehende Seite wagt.
Vermeidung
In den Zeiten des Typensatzes konnten nur Setzer mit geschultem Auge solche Satzfehler vermeiden, indem sie frühzeitig beim Erstellen der Seite die Laufweite mittels Sperren, den Zeilendurchschuss und den Zeilenumbruch anpassten, sodass am Ende der Satzspiegel gewahrt wurde.
Heutzutage übernimmt DTP-Software solche Aufgaben. Die dabei meist verwendete Bezeichnung für das Hurenkind- und Schusterjungenproblem ist Absatzkontrolle. Absatzkontrolle wird heute von den meisten Layoutprogrammen und Textverarbeitungen als Standard angeboten (zum Beispiel bei OpenOffice.org Writer unter Format/Absatz/Textfluss, bei Microsoft Word 2003/2004 unter Format/Absatz/Zeilen- und Seitenumbruch/Absatzkontrolle, bei Microsoft Word 2007 unter Start/Absatz/Zeilen- und Seitenumbruch/Absatzkontrolle, bei WordPerfect unter Format/Text zusammenhalten und bei LaTeX mit den Parametern
\widowpenalty
und\clubpenalty
[3]).In der Webtypografie kann, etwa für Druckversionen, mittels der CSS-Eigenschaften orphans[4] und widows[5] festgelegt werden, wie viele Zeilen des Absatzes am Seitenende oder -anfang (also vor bzw. nach dem Seitenumbruch) stehen müssen.
Sollten diese Satzprobleme technisch nicht lösbar sein, übernimmt es der Lektor oder Autor in der Korrektur, durch Streichen oder Ergänzen in den entsprechenden Textabsätzen, diese Satzfehler zu beheben.
Merksprüche
Als Hilfe zur Unterscheidung dieser zwei typografischen Fehler dient folgender Merkspruch:
„Ein Hurenkind weiß nicht, wo es herkommt, ein Schusterjunge nicht, wo er hingeht.“
Ein alternativer Merkspruch benutzt die Termini im zeitlichen Kontext:
„Eine Witwe hat keine Zukunft und eine Waise keine Vergangenheit.“
Eine dritte Möglichkeit ist eine räumliche Merkhilfe:
„Ein Schusterjunge muss unten im Keller arbeiten, ein Hurenkind steht oben verloren auf der Straße.“
Weblinks
Einzelnachweise
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