Ida Bauer

Ida Bauer

Ida Bauer (* 1. November 1882 in Wien; † 1945 in New York) war die Schwester des österreichischen Politikers Otto Bauer. Sie wurde bekannt als "Fall Dora" in Sigmund Freuds Psychoanalyse.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ida Bauer war die Tochter des Textilindustriellen Philipp Bauer (1853–1913), eines kränkelnden Lebemannes und dessen Ehefrau »Käthe« Katharina Bauer, geborene Gerber (1862–1912). Sie litt ab dem 12. Lebensjahr an Migräne und nervösem Husten, die Migräne verschwand mit dem 16. Lebensjahr, an deren Stelle trat eine Aphonie auf. Sie wurde mit 16 Jahren erstmals Freud vorgestellt, der bereits den Vater Idas behandelt hatte. Es kam jedoch noch zu keiner Behandlung, weil sich die Symptomatik rasch besserte. Erst als 18 jährige kam es nach einem "Machtwort" des Vaters - so Freud - zu einer Therapie bei Freud. Vorausgegangen waren Verstimmungen, besonders jedoch auch ein Brief an die Eltern mit Suiziddrohungen und Bewusstlosigkeit nach Auseinandersetzungen mit dem Vater. Die Analyse dauerte lediglich drei Monate, danach brach Ida die Therapie ab, stellte sich allerdings - wie Freud im Nachwort schildert - eineinviertel Jahre noch einmal bei Freud vor. Freuds 1900 begonnene Therapie zeigte sich nur begrenzt erfolgreich, aber der "Fall Dora" bot ihm den Anlass, sein theoretisches Konzept der Übertragung zu entwickeln.

1904 heiratete Ida Bauer den Unternehmer und Komponisten Ernst Adler († 1932). Der gemeinsame Sohn Kurt Herbert Adler (1905–1988) trat als Dirigent, Kapellmeister und Operndirektor der San Francisco Opera Company hervor. Ida Bauer konnte 1939, ihrem Sohn folgend, über Frankreich nach New York flüchten, wo sie an Krebs verstarb.

Der Fall Dora

Freuds Schilderung des Falles "Dora" gliedert sich in fünf Teile, einem Vorwort (Studienausgabe Bd. VI S. 87 - 93), der Schilderung des Krankheitszustandes (Studienausgabe Bd. VI S. 94- 135), dem ersten Traum und seiner Deutung (Studienausgabe Bd. VI S. 136-161) und dem zweiten Traum und seiner Deutung (Studienausgabe Bd. VI S. 162 - 176), sowie ein Nachwort (Studienausgabe Bd. VI S. 177 - 186).

Im Vorwort setzt sich Freud mit der Schweigepflicht des Arztes gerade angesichts der Intimität des Gesprächsinhaltes, insbesondere die Sexualität und Phantasien der Patientin betreffend auseinander und rechtfertigt deren Veröffentlichung mit der Versicherung, alles getan zu haben, um eine Identifizierung zu vermeiden. Tatsächlich hatte Freud die Arbeit bereits 1901 niedergeschrieben, allerdings aus Diskretionsgründen erst 1905 veröffentlicht. Erst eine Veränderung in Ida Bauers Leben, vermutlich ihre Heirat und damit verbundene Namensänderung ließ Freud die Arbeit veröffentlichen. Freud schildert seine Vorgehensweise, dabei erfahren wir, dass sich Freud weitgehend auf Gedächtnisprotokolle stützte, weil er eine Mitschrift während der Stunde als störend erleben würde. Der ursprüngliche Titel "Traum und Hysterie" zeigt, dass es Freud darauf ankommt, nach der "Traumdeutung" (veröffentlicht 1900) ihr Eingreifen in die Analyse zu zeigen. Ziel ist es dabei letztlich, die Inkohärenz der Lebensberichte, die Freud als ein wesentliches Kriterium der Hysterie ansah, durch die Ergänzung unbewusster Inhalte zu vervollständigen. Freud hebt die Bedeutung der Traumdeutung in diesem Kontext als "...eine unerläßliche Vorbedingung für das Verständnis der psychischen Vorgänge der Hysterie und den anderen Psychoneurosen..." (Studienausgabe Bd. VI S.90) hervor. Freud berichtet weiter, dass er seit der Veröffentlichung der "Studien über Hysterie" (Josef Breuer und Sigmund Freud 1895)seine Technik grundlegend verändert hat. Er hatte sie durch die freie Assoziation von Einfällen der Patientinnen ersetzt, um daraus unbewusstes Material zu gewinnen, das die Symptome verständlich machen kann. Unvollständig dargestellt, so Freud, bleibt bis auf die Deutungen der Träume die Technik der Deutung an den einzelnen Einfällen Idas. Dieses hätte den Fortgang der Analyse zu beschreiben erfordert, insofern bleibt Freuds Darstellung, nicht nur aufgrund des Abbruchs der Analyse durch Ida bruchstückhaft.

In dem Kapitel über den Krankheitszustand Idas weist Freud zunächst auf die Lückenhaftigkeit des Lebens- und Krankheitsbericht Hysterischer hin, den Freud als "theoretisch gefordertes Korrelat" ((Studienausgabe Bd. VI S.96) der Symptome bezeichnet. Ziel der Behandlung ist es, zu einer verständlichen, lückenlosen Geschichte zu kommen. Man kann also sagen, dass für Freud die Rekonstruktion der Lebensgeschichte ein wichtiges Ziel der Analyse ist. Freud weist der familiären und sozialen Umwelt der Patientin ebenso wie den somatischen Tatsachen für das Verständnis der Symptomatik einen wesentlichen Stellenwert zu. Über die Familienverhältnisse beschreibt Freud zunächst den Vater als einem wohlhabenden, aber schon lange sehr kranken Mann. Er habe, als Ida 6 jahre alt war, an einer Tuberkulose gelitten, im 10. Lebensjahr Idas an einer Netzhautablösung, der zwei Jahre später Lähmungen, Verworrenheit und psychische Probleme gefolgt seien, die ihn in die Therapie zu Freud geführt hätten. Der habe eine Syphilis festgestellt. Seinen Charakter beschreibt Freud als begabt, rührig, er sei ein "Gerüst" von Idas Lebens. An anderer Stelle beschreibt Freud ihn aber als nicht ganz ehrlich, vermutlich auch ein Punkt, der für Ida sehr wichtig gewesen sein könnte. Der Vater sei zwischen 45 und 50 jahre alt gewesen, als er Ida in die Behandlung Freuds brachte. Die Beziehung Idas zu ihrem Vater beschreibt Freud als zärtlich, was durch die Erkrankungen des Vaters gesteigert wurde.

Ida Bauer erzählte Freud im Wesentlichen zwei Träume. Erster Traum: "In einem Haus brennt es, erzählt Dora, der Vater steht vor meinem Bett und weckt mich auf. Ich kleide mich schnell an. Die Mama will noch ihr Schmuckkästchen retten, der Papa sagt aber: Ich will nicht dass ich und meine Kinder wegen deines Schuckkästchens verbrennen. Wir eilen herunter, und sowie ich draußen bin, wache ich auf." (aus Freud: Bruchstücke einer Hysterie-Analyse Studienausgabe Bd. VI, S. 136)

Im zweiten, erheblich längeren Traum, wandert die Schläferin durch eine ihr unbekannte Stadt. Dann aber tritt sie in das Haus, in dem sie selbst lebt und findet in ihrem Zimmer einen Brief ihrer Mutter. Diese schreibt, da die Tochter das Haus der Eltern ohne deren Wissen verlassen habe, habe sie ihr nicht von der Krankheit des Vaters berichtet. Nun sei dieser aber tot und wenn die Tochter wolle, könne sie kommen. Die Träumende macht sich auf den Weg zum Bahnhof und fragt etwa hundert Mal, wo dieser sei. Sie erhält stets die Antwort, er befinde sich in fünf Minuten Entfernung. Dann betritt die Träumende einen dichten Wald und fragt einen Mann. Dieser antwortet, der Bahnhof befinde sich in etwa zweieinhalb Stunden Entfernung. Er bietet an, die Träumende zu begleiten, aber sie lehnt ab. Sie sieht das Bahnhofsgebäude vor sich, fühlt sich aber wie gelähmt und kann nicht hin gelangen. Zuletzt findet sich die Träumende im väterlichen Wohnhaus, das Zimmermädchen öffnet die Türe und sagt, alle seien schon beim Begräbnis.

Freud interpretierte diese Träume aufgrund der gegebenen komplizierten Familiensituation im Haushalt Bauer.

Ida Bauer beaufsichtigte regelmäßig die Kinder einer Familie K. (Klarname Zellenka), deren Mutter (Peppina Zellenka) mit dem lungenkranken Philipp Bauer in Meran ein lange dauerndes Verhältnis hatte. Andererseits habe Herr K. (Hans Zellenka) nach dem Bericht Idas diese selbst wiederholt sexuell bedrängt, zum ersten Mal, als sie erst 14 Jahre alt war.

Freud interpretierte die Träume letztlich als Ausdruck unterdrückter sexueller Wünsche Idas gegenüber ihrem eigenen Vater, Herrn K. und Frau K. - eine Deutung, die in neuerer Zeit viel Kritik nach sich zog.

Ida Bauer brach die im Jahr 1900 begonnene Therapie nach nur 11 Wochen ab, was Freud sehr enttäuschte. Sie besuchte jedoch nach einiger Zeit Freud und berichtete, die meisten ihrer Symptome hätten sich gelegt, nachdem sie ihren Vater, seine Geliebte und deren Mann mit ihren Erfahrungen konfrontiert habe und diese alles zugegeben hätten. Allerdings soll der 1923 von Idas Hausarzt zu Hilfe gerufene Psychoanalytiker Felix Deutsch bei der Patientin erneut nahezu paranoides Verhalten und generellen Männerhass festgestellt haben.

In späteren Jahren wurde Peppina Zellenka Idas bevorzugte Bridgepartnerin.

Literatur

  • Sigmund Feud:Bruchstücke einer Hysterie-Analyse (1905) mit einem Nachwort von Stavros Mentzos, Fischer Taschenbuch, 2.Aufl. 2007
  • Charles Bernheimer, Claire Kahane: In Dora's Case: Freud-Hysteria-Feminism: Freud, Hysteria, Feminism, Second Edition, Columbia University Press, 1990
  • Hannah S. Decker: Freud, Dora, and Vienna 1900, The Free Press, 1991
  • Robin Tolmach Lakoff, James C. Coyne: Father Knows Best: The Use and Abuse of Power in Freud's Case of Dora, Teachers' College Press, 1993
  • Patrick Mahoney: Freud's Dora: A Psychoanalytic, Historical, and Textual Study, Yale University Press 1996, ISBN 0-300-06622-8

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Ida Bauer — (1882–1945) was an Austrian patient of Sigmund Freud whom he diagnosed with hysteria. He wrote a famous case study about her using the pseudonym Dora . This study is published in Fragments of an Analysis of a Case of Hysteria (1905 [1901] ,… …   Wikipedia

  • Ida Bauer — (n. 1 de noviembre de 1882, en Viena – 1945, en Nueva York) fue una ciudadana austriaca conocida por haber sido una de las primeras pacientes analizadas por Sigmund Freud con su recién creado método psicoanalítico. Freud publicaría su caso… …   Wikipedia Español

  • Ida Bauer — Pour les articles homonymes, voir Bauer et Dora. Ida Bauer (1882 1945) est une patiente célèbre de la psychanalyse, dont le cas est relaté sous le titre Fragment d une analyse d hystérie : Dora dans les Cinq psychanalyses. Traitée par… …   Wikipédia en Français

  • Bauer — is a German family name. It translates to peasant or farmer ( agricola in Latin).urnameNotable people of this name include: * André Bauer (1969), American politician * Bill Bauer, Canadian writer * Bobby Bauer, Canadian ice hockey player * Bruno… …   Wikipedia

  • Bauer (Familienname) — Herkunft Der Familienname Bauer ist abgeleitet vom Beruf des Bauern. Zusammensetzungen Es gibt zahlreiche Zusammensetzungen wie Bergbauer, Neugebauer, Steinbauer sowie Schmidbauer und Beckerbauer für Bauern, die gleichzeitig als Schmied bzw.… …   Deutsch Wikipedia

  • Mont Ida — Ida Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. Ida est un prénom d origine grecque, qu on retrouve en toponymie, mais il existe aussi un prénom identique d origine germanique que l on trouve… …   Wikipédia en Français

  • Otto Bauer — (* 5. September 1881 in Wien; † 5. Juli 1938 in Paris) war ein österreichischer Politiker und ein führender Theoretiker des Austromarxismus. Er war von 1918 bis 1934 stellvertretender Parteivorsitzender der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei… …   Deutsch Wikipedia

  • Otto Bauer — For the adult actor of the same name, see Otto Bauer (pornographic actor). Otto Bauer (September 5, 1881 – July 4, 1938) was an Austrian Social Democrat who is considered one of the leading thinkers of the left socialist Austro Marxist tendency.… …   Wikipedia

  • Ignacio Bauer — (* 1828 in Budapest; † 1895 in Madrid) war Repräsentant des Hauses Rothschild in Madrid. Bauer verließ 1848 Ungarn und übernahm 1853 die Madrider Agentur anstelle von Daniel Weisweiller, als dessen Compagnon er seit 1851 tätig war. 1864 heiratete …   Deutsch Wikipedia

  • Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis — Der Leonhard und Ida Wolf Gedächtnispreis ist seit 1996 vergebener Kunstpreis aus München. Der Preis ist mit ca. 3000 Euro dotiert und dient der Förderung junger Künstler und Künstlerinnen unter 35 Jahren, die sich kreativ besonders im musischen… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”