- Ikonische Differenz
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Als ikonische Differenz bezeichnet Gottfried Boehm die materielle Manifestation eines Immateriellen, also die Sichtbarmachung von etwas Abwesendem:
- "Was uns als Bild begegnet, beruht auf einem einzigen Grundkontrast, dem zwischen einer überschaubaren Gesamtfläche und allem, was sie an Binnenereignissen einschließt. Das Verhältnis zwischen dem anschaulichen Ganzen und dem, was es an Einzelbestimmungen (der Farbe, der Form, der Figur etc.) beinhaltet, wurde vom Künstler auf irgendeine Weise optimiert" (Boehm, Die Wiederkehr der Bilder).
Diese Feststellung bildet die Grundlage der modernen Bildwissenschaft und des Iconic turn.
Boehms Begriffsbestimmung wirft zahlreiche Probleme auf.
- Er klammert zunächst einmal aus seinem Bildbegriff das Bewegtbild, also den visuellen Anteil von Film und Fernsehen aus – diese Gesamtflächen sind keineswegs überschaubar.
- Das Bildwerk wird von einem Künstler geschaffen, ist also ein Artefakt, was alle mechanischen, d.h. potenziell vollständig automatischen Herstellungsformen wie die den Naturselbstdruck oder die Fotografie ausschließt. Bereits ein Knipser, der mit Programmautomatik fotografiert, beeinflusst die Einzelbestimmungen seines Bildes kaum noch. Bei der Satellitenfotografie tritt der Mensch bestenfalls noch bei der Programmierung des Satelliten in Erscheinung, wobei auch dieser Schritt zunehmend durch Automatismen übernommen wird. Ähnliches gilt für die bildgebenden Verfahren in der Medizin.
- Die ikonische Differenz beschäftigt sich per definitionem nur mit materiellen, also "realen" Bildern; der gesamte Bereich der metaphorischen Bilder ("Weltbild", "Menschenbild" usw.) wird definitorisch ausgeklammert.
Siehe auch
- Aura und Aura in der Kunstwissenschaft / Medientheorie
- Iconic turn
- Pictorial turn
Literatur
- Gottfried Boehm (Hrsg.): Was ist ein Bild? (3. Aufl). Fink: München 2001. ISBN 3-7705-2920-0
- Hans Belting: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft. Fink: München 2001
- Gottfried Boehm: Ikonische Differenz, Rheinsprung 11. Zeitschrift für Bildkritik, 1 (2011), 170-176. URL: www.rheinsprung11.ch
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