Inkrementalgeber

Inkrementalgeber

Als Inkrementalgeber (Abk.: IGR) werden Sensoren zur Erfassung von Lageänderungen (linear) oder Winkeländerungen (rotierend) bezeichnet, die Wegstrecke und Wegrichtung bzw. Winkelveränderung und Drehrichtung erfassen können. Weitere Bezeichnungen sind Drehgeber, Inkrementaldrehgeber oder Drehimpulsgeber. Mit dem zugrundeliegenden Inkrementalverfahren an sich ist also keine unmittelbare Bestimmung der absoluten Position (Weg, Winkel) möglich, wie dies mit Absolutwertgebern möglich ist.

Typische Einsatzgebiete sind die Positionsbestimmung in der Automatisierungstechnik sowie Bedienungselemente von elektronischen Geräten („digitales Endlos-Poti“[1]).

Gegenüber kontinuierlich arbeitenden Messsystemen wie Servo-Potentiometern besitzen Inkrementalgeber eine Maßverkörperung mit einer sich wiederholenden, periodischen Zählspur. Die Messung beruht auf einer Richtungsbestimmung und einer Zählung. Am häufigsten verwendet werden rotierende optische Geber. Inkrementalgeber müssen (im Gegensatz zu Absolutwertgebern) nach dem Einschalten gegebenenfalls referenziert werden, da Änderungen der Position im ausgeschaltetem Zustand nicht erfasst werden.

Inkremental­geber als Bedien­element; der abmon­tierte Bedien­knopf liegt daneben

Inhaltsverzeichnis

Funktionsweise

Inkrementalgeber können photoelektrisch, magnetisch oder mit Schleifkontakten arbeiten.

Photoelektrische Abtastung

Photoelektrische Abtastung (Demonstrationsmodell)
Funktionsprinzip eines Inkrementalgebers

Bei der photoelektrischen Abtastung unterscheidet man zwischen dem abbildenden Messprinzip, das für Teilungsperioden bis hinunter zu 20 µm geeignet ist und dem interferentiellen Messprinzip, das Teilungsperioden bis herab zu 4 µm ermöglicht.

Abbildendes Messprinzip

Bei der Mehrfeldabtastung wird ein Lichtstrahl, der durch eine Lichtquelle (meist eine Infrarot-Leuchtdiode) erzeugt wird, durch einen Kondensor, eine mit Strichen versehene Abtastplatte und eine Blende (Maßverkörperung) auf ein photooptisches Bauelement (meist ein Phototransistor) geleitet. Einfachste Ausführungen, wie sie zum Beispiel bei Computermäusen verwendet werden, verzichten auf Kondensor und Abtastplatte.
Zwischen der Leuchtdiode und zwei leicht versetzt angeordneten optischen Sensoren befindet sich eine mit Schlitzen versehene Scheibe. Rotiert nun diese Scheibe, wird der Lichtstrahl zwischen LED und Sensoren periodisch moduliert. Bei einer Bewegung geben die beiden Sensoren zwei um 90 ° phasenverschobene symmetrische sinusähnliche Signale ab. Bewegt sich die Maßverkörperung nach rechts, ist das Sinussignal des ersten Kanals gegenüber dem zweiten Kanal um 90° voreilend. In der anderen Richtung ist das Sinussignal des ersten Kanals gegenüber dem zweiten Kanal um 90 ° nacheilend. Hochwertige Messsysteme benutzen vier Sensoren, die jeweils zu zweit antiparallel geschaltet sind, um einen definierten Nulldurchgang zu erhalten und so Drift- und Alterungserscheinungen zu kompensieren.
Manchmal wird dieses Prinzip auch in einem Auflichtverfahren verwendet, der die Reflexionen auf der Maßverkörperung ausnutzt. Ein anderes Messprinzip ist die Einfeld-Abtastung. Dabei wird der Lichtstrahl durch den Kondensor und eine Abtastplatte, die mit zwei verschachtelten Phasengittern ausgerüstet ist, auf eine Maßverkörperung gelenkt. Der Lichtstrahl wird dann reflektiert und durch die Beugungsgitter zurückgeleitet. Dabei entstehen wiederum vier phasenverschobene Bilder der Abtastplatte. Durch eine entsprechende Verschaltung der photooptischen Sensoren werden sie wie bei der Mehrfeldabtastung ausgewertet. Das Verfahren ist bei Linearmaßstäben anwendbar, da es eine leichte Welligkeit der Maßverkörperung toleriert und auch gegenüber einer leichten lokalen Verschmutzung unempfindlich ist.

Interferentielles Messprinzip

Bei diesem Messprinzip wird die Beugungserscheinung an einem Gitter ausgenutzt, um ein Messsignal zu erzeugen. Dieses Verfahren wird bei hochgenauen inkrementellen Linearmesssystemen angewandt. Dazu wird der Lichtstrahl durch einen Kondensor auf eine Maßverkörperung geleitet, dort reflektiert und durch den Kondensor zu den photoelektrischen Sensoren zurückgeleitet. Die ein Phasengitter tragende transparente Abtastplatte sorgt dafür, dass drei gebeugte Strahlanteile (Beugungsordnung −1, 0, +1) erzeugt werden. Nach der Reflexion an der ebenfalls ein Phasengitter tragenden Maßverkörperung wird die Abtastplatte durch die Strahlen erneut passiert, wobei die nullte Beugungsordnung ausgelöscht wird. Anschließend werden die ±1. Beugungsordnung so auf drei Photoelemente abgebildet, dass diese dabei ein um jeweils 120° versetztes Signal erzeugen. Diese drei Signale werden dann in einer Folgeelektronik in die industrietaugliche 2-Signal-Form umgesetzt.

Magnetische Abtastung

Bei einem inkrementellen Messsystem mit magnetischer Abtastung besteht die Maßverkörperung aus einem hartmagnetischen Träger, in dem durch Magnetisierung eine Teilung eingeprägt wurde. Die Abtastplatte trägt etwa vier Hallelemente, die ähnlich einer optischen Mehrfeldabtastung verschaltet sind. Die Teilungsperiode kann bei diesen Systemen bis zu 5 mm betragen. Die magnetische Abtastung wird angewendet, wenn das Messsystem nicht mit erträglichem Aufwand gekapselt werden kann. Sie kann gegenüber Flüssigkeiten und Schmutz unempfindlich hergestellt werden. Lediglich Fremdkörper dürfen nicht in den Abtastspalt gelangen. Eine weitere Möglichkeit ist das Abtasten einer Verzahnung aus unmagnetisiertem ferromagnetischem Material (z. B. Eisen) mittels einer oder mehreren mit Gleichstrom beaufschlagten Induktionsspulen. Die feststehenden Spulen besitzen einen zur Verzahnung passenden Eisenkern. In den Spulen wird bei Bewegung eine Wechselspannung induziert, die nach Polarität und Phasenlage ausgewertet wird.

Schleifkontakte

Geöffneter Geber: Endlos-Modus mit unterteilter, einspuriger Kontaktbahn und drei miteinander gebrückten Schleifkontakten

Inkrementalgeber mit Schleifkontakten arbeiten prinzipiell wie ein Drehschalter. Sie liefern wie auch andere Inkrementalgeber zwei um 90 Grad gegeneinander phasenverschobene Signale, anhand deren sich Drehrichtung und -winkel bestimmen lassen. Übliche Auflösungen sind etwa 32 Positionen pro Umdrehung. Nachteil der preiswerten Lösung mit Schleifkontakten ist der mechanische Verschleiß. Mechanische Inkrementalgeber werden daher nur bei gelegentlicher Betätigung eingesetzt, etwa für digitale Drehknöpfe. Gegebenenfalls müssen die Kontakte elektronisch oder softwareseitig entprellt werden. Häufig ist über axiale Betätigung auch noch ein Tasterkontakt realisiert, etwa zum Ein-/​Ausschalten, Bestätigen einer Eingabe, etc..

Vorhandene Konstruktionselemente

Je nach Begebenheiten können auch schon vorhandene Konstruktionselemente (etwa Zahnräder oder Zahnstangen) als Maßverkörperung genutzt werden. So ist es bei bestimmten linearen Antrieben möglich, die Zähne der vorhandenen Zahnstangen mittels eines induktiven Aufnehmers abzufragen, wodurch ein spezieller Geber mit integrierter Maßverkörperung nicht gebraucht wird. Hierbei müssen Genauigkeits- und Kostenaspekte berücksichtigt werden.

Signalauswertung

Durch nachfolgende Auswertung von Impulsanzahl, Impulsfrequenz und Phasenlage können Weg, Geschwindigkeit und Richtung bestimmt werden. Gängige Ausgangssignalpegel sind TTL, HTL (beides digitale Signale), sowie 1 Vss und 11 µA (analoge Signale). Bei Sensoren, die ein sinusförmiges Signal erzeugen, kann auch eine Interpolation der Position erfolgen, die eine weitere Erhöhung der Genauigkeit erlaubt. Je nach Ausführung findet diese Interpolation bereits in der Sensoreinheit statt. Abhängig vom Messsystem können dabei Genauigkeiten bis 0,1 µm erreicht werden.

Wird der Drehgeber in einem Servomotor eingesetzt, verfügt er in der Regel noch über zusätzliche Spuren. Diese stellen normalerweise Spuren für Kommutierungssignale dar. Sie können analog aus um 90° versetzten Sinus-/​Cosinussignalen (sogenannte C/D-Spur oder Z1-Spur) bestehen oder aus Teilkreisen bei der Blockkommutierung.

Referenzieren

Bei vielen Anwendungen ist die Kenntnis der absoluten Position erforderlich. Hierbei ist ein Nachteil des Inkrementalgeberprinzips, dass nach einem Spannungsausfall die absolute Position nicht mehr bekannt ist. Deshalb werden etwa bei Positionierungssystemen nach dem Einschalten sogenannte Referenzfahrten auf einen unabhängigen Positionssensor (z. B. Endlagenschalter) ausgeführt. Manche inkrementellen Drehgeber geben pro voller Umdrehung noch einen Referenzimpuls (Index) auf einem dritten Kanal aus. Einige Inkrementalgeber haben auch eine abstandskodierte Referenzmarke.

Dabei wird der Abstand zweier Referenzmarken so auf der Massverkörperung angebracht, dass zwischen 1. und 2. Referenzmarke 500 Striche gezählt werden, bei der nächsten 501 usw. Dadurch kann ein externer Referenzgeber entfallen.

Anwendungen

  • Bei der optomechanischen Computermaus werden die Bewegungen der Rollkugel auf zwei Inkrementalgeber für die X- und Y-Achse übertragen.
  • Bei Geräten der Unterhaltungselektronik, an Werkzeugmaschinen und Messgeräten übernehmen Drehknöpfe mit Inkrementalgebern häufig die digital gesteuerten Funktionen eines Potentiometers („Jog Dial“), der Einstellung von Parametern oder der Menüauswahl.
  • U.a. in Tintenstrahldruckern messen lineare Inkrementalgeber die Position des Druckwagens. Hierzu bewegt sich ein an diesem angebrachter Sensor entlang einem mit Strichen versehenen, fest gespannten Band
  • Im industriellen Umfeld werden Inkrementalgeber zur Messung von Wegstrecken, Geschwindigkeiten oder Drehwinkeln an Werkzeugmaschinen, in der Handhabungs- und Automatisierungstechnik und an Mess- und Prüfeinrichtungen eingesetzt. Insbesondere in Werkzeugmaschinen werden zunehmend platzsparende sogenannte Einbaudrehgeber verwendet. Die eingesetzten Drehgeber sind bisweilen derart präzise, dass selbst bei mehrgliedrigen Abtastarmen Genauigkeiten bis in den Mikrometerbereich möglich sind.
  • Im Vermessungswesen werden Inkrementalgeber seit den 90er-Jahren in elektronischen Theodoliten eingesetzt, wo sie die bisherigen Teilkreise aus Glas ersetzen. Die Technik der relativen Winkelbestimmung wird dort Inkrementalverfahren genannt, im Gegensatz zum Codeverfahren beim Einsatz von Absolutwertgebern.
  • Ein weiterer Einsatzbereich stellt die Positionserfassung bei Toröffnern dar. Über ein optoelektronisches Zählwerk wird die Lage mittels Photodioden über eine regelmäßig gelochte Drehscheibe ermittelt und elektronisch verarbeitet. Somit ist der Einsatz eines elektronischen Softstopsystemes möglich.

Eine absolute Genauigkeit eines solchen Inkrementalgebers ist jedoch nicht immer anzutreffen, da diese eine sehr präzise Materialbearbeitung im Mikrometerbereich erforderlich macht, die je nach Preisklasse nicht immer gegeben sein muss.

Weblinks

Literatur

  • Walcher, Hans, "Winkel- und Wegmessung im Maschinenbau", 2. neubearb. und erw. Aufl.,VDI-Verlag, Düsseldorf, 1985, ISBN 3-18-400708-1

Quelle

  1. c't-Lab auf heise.de, abgerufen am 2. August 2010

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