Interessenjurisprudenz

Interessenjurisprudenz

Die Interessenjurisprudenz ist eine maßgeblich von Philipp Heck und Rudolf Müller-Erzbach geprägte juristische Methodenlehre der Rechtswissenschaft. Sie entstand in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts.

Im Anschluss an Rudolf von Jhering ist nach der Interessenjurisprudenz jede gesetzliche Norm als Entscheidung des Gesetzgebers im Hinblick auf bestimmte Interessenkonflikte zu verstehen. Der Richter muss also ermitteln, welche Interessen sich in dem zu beurteilenden Fall gegenüberstehen. Danach ist zu prüfen, ob und gegebenenfalls wie das Gesetz diesen Interessenkonflikt entschieden hat. Die Interessenjurisprudenz grenzt sich damit gegenüber der Begriffsjurisprudenz ab.

Die Interessenjurisprudenz geht von zwei zentralen Prämissen aus: Erstens von der Bindung des Richters an das Gesetz, zweitens von der Unzulänglichkeit und Lückenhaftigkeit gesetzlicher Normen (Lückentheorie). Zur Ausfüllung der erkannten Lücken des Gesetzes seien die im Gesetz niedergelegten Entscheidungen von Interessenkonflikten heranzuziehen.

Fehlt eine einschlägige Norm, die den zu beurteilenden Interessenkonflikt entscheidet, ist der Richter aufgefordert, rechtsschöpferisch tätig zu werden. Er muss seine Entscheidung danach ausrichten, wie das Gesetz die gegenüberstehenden Interessen in ähnlichen Fällen gegeneinander abgewogen hat. Vom Richter ist also nicht buchstabengenauer Gehorsam gegenüber dem Gesetz, sondern "interessengemäßer" Gehorsam gefordert.

Dieses Verfahren war als Gesetzesanalogie oder Rechtsanalogie zwar schon längst bekannt, erfuhr aber über die Rückführung auf die Interessen der Parteien eine neue methodische Begründung.

Auf die Interessenjurisprudenz baut die sogenannte Wertungsjurisprudenz: Dem Gesetz liegt eine Bewertung seitens des Gesetzgebers zugrunde. Diese bewerteten Interessen werden Inhalt von Rechtsnormen.

Im Falle beabsichtigter Lücken im Gesetz, namentlich durch richterliches Ermessen auf Rechtsfolgenseite oder unbestimmte Rechtsbegriffe auf Tatbestandsseite, sollte der Richter so entscheiden, wie er es in der Rolle des Gesetzgebers tun würde. Diese Aufforderung ist auch in dem berühmten Artikel 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches normiert worden.

Literatur

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