Zivilgesetzbuch

Zivilgesetzbuch
Basisdaten
Titel: Schweizerisches Zivilgesetzbuch
Abkürzung: ZGB
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Schweiz
Rechtsmaterie: Privatrecht
Systematische
Rechtssammlung (SR)
:
210
Datum des Gesetzes: 10. Dezember 1907
Inkrafttreten am: 1. Januar 1912
Letzte Änderung durch: AS 2009 3577
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) ist die Kodifikation der zentralen Teile des schweizerischen Privatrechts. Formell ein Teil des ZGB (sog. code unique), aber in der Systematik als eigenes Gesetzbuch ausgegliedert ist das Obligationenrecht (OR).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Charakter

Das ZGB wurde von Eugen Huber im Auftrag des Bundesrats entwickelt und im Jahre 1907 vollendet. Es trat im Jahre 1912 in Kraft.

Rechtshistorisch betrachtet ist das ZGB wie das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch eine pandektistische Kodifikation.

Titel

Titel des Schweizer ZGB

  • Einleitung (Art. 1-10)
  • Erster Teil: Das Personenrecht (Art. 11-89 [-89c {noch nicht in Kraft}])
    • Erster Titel: Die natürlichen Personen
    • Zweiter Titel: Die juristischen Personen
    • Dritter Titel: Die Sammelvermögen (noch nicht in Kraft)
  • Zweiter Teil: Das Familienrecht (Art. 90-456)
    • Dritter Titel: Die Eheschliessung
    • Vierter Titel: Die Ehescheidung und die Ehetrennung
    • Fünfter Titel: Die Wirkung der Ehe im Allgemeinen
    • Sechster Titel: Das Güterrecht der Ehegatten
    • Siebtenter Titel: Die Entstehung des Kindesverhältnisses
    • Achter Titel: Die Wirkungen des Kindesverhältnisses
    • Neunter Titel: Die Familiengemeinschaft
    • Zehnter Titel: Die Allgemeine Ordnung der Vormundschaft
    • Elfter Titel: Die Führung der Vormundschaft
    • Zwölfter Titel: Das Ende der Vormundschaft
  • Dritter Teil: Das Erbrecht (Art. 457-640)
    • Dreizehnter Titel: Die gesetzlichen Erben
    • Vierzehnter Titel: Die Verfügungen von Todes wegen
    • Fünfzehnter Titel: Die Eröffnung des Erbganges
    • Sechzehnter Titel: Die Wirkung des Erbganges
    • Siebenzehnter Titel: Die Teilung der Erbschaft
  • Vierter Teil: Das Sachenrecht (Art. 641-977)
    • Achtzehnter Titel: Allgemeine Bestimmungen
    • Neunzehnter Titel: Das Grundeigentum
    • Zwanzigster Titel: Das Fahrniseigentum
    • Einundzwanzigster Titel: Die Dienstbarkeiten und Grundlasten
    • Zweiundzwanzigster Titel: Das Grundpfand
    • Dreiundzwanzigster Titel: Das Fahrnispfand
    • Vierundzwanzigster Titel: Der Besitz
    • Fünfundzwanzigster Titel: Das Grundbuch
  • Schlusstitel: Anwendungs- und Einführungsbestimmungen

Einleitungsartikel des Zivilgesetzbuches

1. Gesetzes-, Gewohnheits- und Richterrecht (Art. 1 ZGB)
Art. 1 ZGB beantwortet die Frage, wie der Richter zur anwendbaren, in Kraft stehenden Rechtsregel zu gelangen hat. Gemäss Art. 1 Abs. 1 ZGB hat sich der Richter in einem ersten Schritt am Wortlaut einer Norm zu orientieren. Diese grammatikalische Auslegung ist aber nicht die einzige Auslegungsmethode, die der Richter zur Ermittlung des Inhaltes eines gesetzgeberischen Gedankens zu verwenden hat. Es steht ihm vielmehr ein Methodenpluralismus zur Verfügung, den er einzelfallgerecht zu nutzen hat. Zu erwähnen sind z.B. die Auslegung aus dem Gesetzeszusammenhang (systematisches Element), die zweckorientierte (teleologische) oder die historische Auslegung.
Ist dem Gesetz für den konkreten Lebenssachverhalt keine Regel zu entnehmen, obwohl diese erforderlich wäre, liegt eine Gesetzeslücke vor. Diese ist insbesondere vom so genannten "qualifizierten Schweigen" des Gesetzgebers abzugrenzen. Letzteres liegt vor, wenn das Gesetz eine stillschweigende Verneinung enthält.
Gestützt auf das Gewaltenteilungsprizip wäre der Gesetzgeber für die Lückenfüllung zuständig. Dies ausnahmslos umzusetzen ist nicht praktikabel. Entsprechend hat das ZGB dem Richter in Art. 1 Abs. 2 ZGB Pflichten zur Lückenfüllung übertragen. Fehlt Gewohnheitsrecht, dessen Bedeutung in der Schweiz äusserst gering ist, soll der Richter die Lücke durch die Bildung einer Regel füllen, die er als Gesetzgeber aufstellen würde. Als Hilfsmittel hat er dabei bewährte Lehre und Überlieferung, d.h. die Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, und die Gerichts- resp. Verwaltungspraxis zu berücksichtigen.
2. Treu und Glauben sowie Rechtsmissbrauch (Art. 2 ZGB)
Gemäss Art. 2 Abs. 1 ZGB hat jedes Rechtssubjekt nach Treu und Glauben zu handeln. Norminhalt ist also das faire, anständige Verhalten im Rechtsalltag und der diesbezügliche Vertrauensschutz. So ist z.B. die rechtliche Grundlage für die gegenseitige Aufklärungspflicht von Parteien, die in Vertragsverhandlungen stehen (Culpa in contrahendo), in Art. 2 ZGB verankert. Ebenso wird die Haftung für berechtigtes, aber enttäuschtes Vertrauen im Rahmen einer rechtlichen Sonderverbindung (Vertrauenshaftung) auf ZGB 2 zurückgeführt.
Art. 2 Abs. 2 ZGB weist den Richter an, den Schutz bei offensichtlichem Missbrauch eines Rechtes zu versagen. In Anwendung dieser Rechtsregel hat das Bundesgericht etwa festgehalten, dass ausnahmsweise über die rechtliche Selbstständigkeit einer juristischen Person hinweggesehen werden könne, wenn diese im Einzelfalle rechtsmissbräuchlich geltend gemacht werde. Diesfalls sei es zu rechtfertigen, von der beherrschten Person auf die beherrschende durchzugreifen.
3. Guter Glauben - Schutzvoraussetzungen (Art. 3 ZGB)
Der gute Glaube wird nicht generell geschützt. Schutz erfährt er dort, wo das Gesetz eine Rechtsfolge an das Vorhandensein des guten Glaubens anknüpft. Das Bestehen des guten Glaubens wird gemäss Art. 3 Abs 1 ZGB vermutet und kann somit durch den Nachweis der Bösgläubigkeit widerlegt werden. Erkennt aber ein Gutgläubiger einen Rechtsmangel deshalb nicht, weil er die gebotene Aufmkersamkeit unterlässt, wird er wie ein Bösgläubiger behandelt. In diesem Sinne hat das Bundesgericht z.B. einem Occasionshändler den Gutglaubensschutz verweigert, der einen gestohlenen Ferrari gekauft hat, ohne die dazugehörigen Papiere in angemessener Weise zu prüfen.
4. Billigkeitsentscheide (Art. 4 ZGB)
Gemäss Art. 4 ZGB soll der Richter dort wo das Gesetz Formulierungen wie z.B. Würdigung der Umstände oder wichtige Gründe wählt, nach Billigkeit entscheiden. Ebenso ist zu verfahren, wenn ein Rechtsinstitut aufgrund ihrer Natur dies verlangt. Die in Frage stehenden Interessen sind objektiv zu erfassen und sorgfältig abzuwägen, um eine sachgerechte Entscheidung zu fällen.
5. Privatrecht des Bundes - Privatrecht der Kantone (Art. 5 ZGB)
Das ZGB (inkl. OR) regelt das Privatrecht unter Vorbehalt bestimmter Sondergebiete (z.B. VVG) umfassend und ausschliesslich. Allfällige Gesetzeslücken sind aus dem ZGB heraus zu schliessen. Eine kantonale Rechtssetzungskompetenz besteht nur soweit, als sie im Bundesrecht ausdrücklich vorbehalten ist. Zu den zentralen Rechtsquellen des vorbehaltenen kantonalen Rechtes gehören die Einführungsgesetze zum ZGB.
6. Bundesprivatrecht - öffentliches Recht der Kantone (Art. 6 ZGB)
Art. 6 ZGB weist darauf hin, dass die Kantone im Rahmen des öffentlichen Rechtes eine eigenständige Rechtssetzungskompetenz gegenüber dem Bundesprivatrecht besitzen. Sie müssen dabei folgende drei, vom Bundesgericht entwickelte Bedingungen kumulativ erfüllen: 1) Soweit der Bundesgesetzgeber eine abschliessende Regelung getroffen hat, besteht kein Raum für das kantonale Recht. 2) Die kantonale öffentlich rechtliche Rgel muss als Grundlage ein vertretbares öffentliches Interesse ausweisen. 3) Die öffentlichrechtliche Normierung darf dem Sinn und Geist des Bundesprivatrechtes nicht zuwider laufen. Es darf letzteres nicht in hohem Masse erschweren oder sogar vereiteln.
7. ZGB - OR (Art. 7 ZGB)
Das Obligationenrecht (OR) ist als 5. Teil des ZGB erlassen worden. ZGB und OR gehören mit anderen Worten materiell zusammen. Entgegen dem Wortlaut von Art. 7 ZGB können generell die allgemeinen Bestimmungen des OR auf andere zivilrechtliche Verhältnisse analoge Anwendung finden. Inwieweit die Bestimmungen des OR zu übernehmen sind, ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen. So ist z.B. der Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) beim Erbvertrag analog anwendbar. Auch Bestimmungen anderer Teile des OR sind unter Umständen analog anwendbar. Im Übrigen finden umgekehrt auch Bestimmungen des ZGB auf das OR entsprechende Anwendung.
8. Beweis (-last) (Art. 8 ZGB)
Ein ordentlicher Zivilprozess wird dadurch geprägt, dass die Parteien im Hauptverfahren ihre Tatsachenbehauptungen darlegen. Rechtserhebliche Tatsachenbehauptungen, die von der Gegenpartei bestritten werden, müssen bewiesen werden. Art. 8 ZGB regelt, wer den Beweis zu führen bzw. wer die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen hat. Unter Vorbehalt gesetzlicher Ausnahmen ist dies diejenige Partei, die aus einer behaupteten Tatsache Rechte ableitet.
9. Beweiskraft öffentlicher Urkunden - Verbot kt. Beweisvorschriften (Art 9; 10 ZGB)
Art. 9 ZGB sieht betreffend öffentliche Register und Urkunden, die vom Bundesprivatrecht vorgesehen sind einen grundsätzlichen Vertrauensschutz vor. Das Gesetz verankert die Vermutung, dass die öffentlichen Register und Urkunden den richtigen Inhalt wiedergeben. Dieser Schutz erfasst den Urkundeninhalt so weit, als die Urkundsperson diesen aufgrund eigener Wahrnehmung überprüfen kann. Er erstreckt sich somit nicht auf reine Parteibehauptungen. Die Vermutung ist überdies widerlegbar, indem die Unrichtigkeit des Inhalts mit irgendeinem zulässigen Mittel bewiesen wird. (Art. 9 Abs. 2 ZGB).
10. Kantonsbefugnis
Art. 10 ZGB verdeutlicht schliesslich, dass die Kantone nicht befugt sind, für Rechtsgeschäfte, die dem Bundesprivatrecht unterstellt sind, zusätzliche Formvorschriften zu erlassen.

Rezeption in der Türkei

Hauptartikel: Türkisches Zivilgesetzbuch

Das ZGB/OR wurde von Kemal Atatürk weitgehend ins türkische Zivilrecht übernommen (rezipiert). Das heisst jedoch nicht, dass heute der Inhalt des schweizerischen und des türkischen Zivilrechts in allen Bereichen identisch wären, denn einerseits wurden nicht alle Abschnitte deckungsgleich übernommen, und andererseits haben sich die Erlasse der beiden Länder aufgrund zahlreicher Revisionen weiter voneinander entfernt.

Rezeption in Liechtenstein

Das Sachenrecht des ZGB (Art 641 bis 977 ZGB) wurde 1923 weitgehend im liechtensteinischen Sachenrecht (SR) übernommen (Rezeption). Im ABGB und im PGR sowie im Ehegesetz finden sich weitere Übernahmen aus dem ZGB. Die letzten Änderungen zum ZGB (vor allem hinsichtlich des Grundbuchrechts) wurden zum 1. Oktober 2008 in Liechtenstein übernommen. Das Erb- und Familienrecht sowie das Schuldrecht in Liechtenstein ist noch weitgehend vom österreichischen ABGB (öABGB) beeinflusst. Durch die Mitgliedschaft des Fürstentums Liechtenstein im EWR kommt es zu einer weiteren Ergänzung durch europäische Rechtsakte (EU-Recht, z. B. beim Verbraucherschutz, Produkthaftung etc.) und auch das rezipierte Sachenrecht wird dadurch beeinflusst (vgl. z. B. Art 392 bis 399 SR - Finanzsicherheiten - Umsetzung der RL 2002/47/EG).

Mit der letzten Teilnovelle des SR zum 1. Oktober 2008 wurde der dingliche Eigentumsvorbehalt in Liechtenstein wegen Bedeutungslosigkeit aufgehoben (gilt im ZGB nach wie vor). Weitere Anpassungen des liechtensteinischen Gesetzgebers und das Zusammenwirken mit dem ABGB und dem PGR führen zu unterschiedlichen Auswirkungen gleichlautender Bestimmungen im ZGB bzw. SR

Siehe auch

Literatur

  • Peter Tuor, Bernhard Schnyder, Jörg Schmid, Alexandra Rumo-Jungo Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 13. Auflage, Zürich 2009

Weblinks

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