- Internierungslager Bad Nenndorf
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Das Internierungslager Bad Nenndorf wurde von Juni 1945 bis Juli 1947 in Bad Nenndorf innerhalb der britischen Besatzungszone von der Britischen Rheinarmee betrieben.
Inhaltsverzeichnis
Funktion
Das Internierungslager richtete der britische militärische Geheimdienst als streng abgeschirmtes Geheimgefängnis im Badehaus von Bad Nenndorf ein. Es unterstand dem Geheimdienst, der British Army of the Rhine (BAOR) und der Control Commission gemeinsam. Vorwiegend solche Personen wurden hier interniert und verhört, die als höchste Sicherheitsgefahr angesehen wurden. Neben hohen und höchsten Funktionären der NSDAP, Diplomaten, Offizieren der Abwehr und aller Wehrmachtsteile saßen auch „kleine Fische“ ein, Grenzgänger, die der Spionage für die Sowjetunion bezichtigt wurden. Insgesamt wurden im Internierungslager Bad Nenndorf 372 Männer und 44 Frauen inhaftiert und verhört. Als Internierte im Frühjahr 1947 in das Internierungslager Fallingbostel verlegt wurden, sickerte durch, dass in Bad Nenndorf katastrophale Zustände herrschten. Nach Interventionen der katholischen Kirche, eines britischen Kardinals und des Labour-Abgeordneten Richard Stokes wurde das Internierungslager geschlossen.
Prozess
Scotland Yard ermittelte die Vorfälle und im Frühjahr 1948 kam es zu einem Prozess in London. Der Lagerkommandant Colonel Stevens, einige Vernehmungsoffiziere und Wachen sowie der Lagerarzt wurden angeklagt. Im Prozess trat der Internierte Graf Treusch von Buttlar-Brandenfels auf, der während und nach dem Krieg als Spion mehrfach die Seiten gewechselt hatte und in der Bad Nenndorfer Haft in der Wasserzelle zwölf durch Erfrierungen seine Zehen eingebüßt hatte. Nur der Lagerarzt wurde durch Entlassung aus der britischen Armee verurteilt. Es wurde trotz der Freisprüche festgestellt, dass Internierte menschenunwürdig behandelt und misshandelt worden waren, mit der Folge, dass einige von ihnen bleibende Schäden davontrugen. Es hatte Misshandlungen zum Erpressen von Aussagen gegeben und grundlose Exzesse von Wachen, die alle aus einer Strafkompanie gekommen sein sollen.
Auflösung
Viele der Internierten kamen nach der Schließung des Internierungslagers Bad Nenndorf anschließend in das Camp Roosevelt in Hemer, das im Zweiten Weltkrieg als Stammlager VI A genutzt wurde, oder in das Internierungslager Eselheide bei Paderborn. Der militärische Geheimdienst richtete als Ersatz für Bad Nenndorf kurz darauf ein neues Vernehmungslager ein, das aber von der britischen Regierung sofort wieder geschlossen wurde, angeblich vom zuständigen Deutschlandminister persönlich [1].
Rezeption
Als im Jahr 2005 bekannt wurde, dass britische Soldaten im Irak folterten, wurde das Thema von englischen und deutschen Medien wieder aufgegriffen. Nach diesen Reportagen sei zumindest ein Teil der in Bad Nenndorf Internierten von britischen Truppen systematisch misshandelt worden, einige zu Tode gefoltert worden[2]. Ursprüngliches Ziel des Lagers sei die Inhaftierung von Mitgliedern der Waffen-SS gewesen. Später seien allerdings auch Industrielle, Waldbesitzer oder selbst Mitglieder linker Gruppierungen in diesem Lager interniert worden. Der englische Journalist Ian Coban berichtete, dass sogar ein deutscher Jude, der Buchenwald überlebt hatte, in diesem Internierungslager inhaftiert wurde[3].
Das Internierungslager Bad Nenndorf ist wie beispielsweise auch die Rheinwiesenlager in Deutschland ein politisches Thema. Laut dem Historiker Heiner Wember „behaupten Neonazis [heute noch], die Briten hätten in den regulären Internierungslagern für Nazis nach dem Krieg Methoden angewandt wie die Nazis selber… Doch das ist reiner Quatsch.“. Er wertete als erster Historiker die englischen Internierungsakten aus und beschrieb die britische Internierungspolitik und die Prozesse gegen 19.000 Internierte.[4]
Siehe auch
- Speziallager, sowjetische Besatzungszone
- London Cage
Literatur
- Heiner Wember: Umerziehung im Lager. Internierung und Bestrafung von Nationalsozialisten in der britischen Besatzungszone Deutschlands. Klartext-Verlag, Essen 1991, ISBN 3-88474-152-7 (Düsseldorfer Schriften zur neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens 30), (Zugleich: Münster (Westf.), Univ., Diss., 1990: Internierung und Aburteilung von Nationalsozialisten, „Militaristen“ und „Suspect Persons“ in der britischen Besatzungszone Deutschlands.).
- Heiner Wember: Tommies als Täter – Der Fachhistoriker Heiner Wember kommentiert die jüngsten Informationen über britische Folter-Lager in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg. ZEIT online, 4. April 2006.
- Utz Anhalt: Das verbotene Dorf. Das Verhörzentrum Wincklerbad der britischen Besatzungsmacht in Bad Nenndorf 1945–1947. Offizin Hannover, Hannover 2010, ISBN 978-3-930345-90-8.
Quellen
- ↑ Heiner Wember: Umerziehung im Lager. Internierung und Bestrafung von Nationalsozialisten in der britischen Besatzungszone Deutschlands, Essen 1991, ISBN 3-88474-152-7 (Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte Nordrhein-Westfalens; Bd. 30), S. 87ff
- ↑ http://www.guardian.co.uk/germany/article/0,,1745662,00.html (Der Guardian berichtete 2005 über Hungerfolter an deutschen Kommunisten.)
- ↑ Ein Bericht des NDR über die Nachforschungen Ian Cobans
- ↑ http://www.zeit.de/online/2006/14/bad_nenndorf Die Zeit: Tommies als Täter
52.3357999.373708Koordinaten: 52° 20′ 8,9″ N, 9° 22′ 25,3″ O
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