Johann Puluj

Johann Puluj
Johann Puluj

Johann Puluj (ukrainisch Іван Павлович Пулюй/ Iwan Pawlowytsch Puljuj, wiss. Transliteration Ivan Pavlovyč Puljuj; * 2. Februar 1845 in Hrymajliw (heute Ukraine); † 31. Januar 1918 in Prag) war ein ukrainischer Physiker und Elektrotechniker. Mit der Entwicklung seiner Pulujlampe hat er eine wichtige Grundlage für Röntgens Entdeckung der Röntgenstrahlung gelegt. Puluj war einer der ersten Physiker, der die Röntgenstrahlung für die medizinische Diagnostik eingesetzt hat.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Johann Puluj wurde in eine tief religiöse griechisch-katholische Familie im Gebiet Ternopil hineingeboren. Seine Eltern Pawlo Puluj und Ksenija (geboren Burschtynska) waren wohlhabende Bauern. Von 1857 bis 1865 absolvierte er seine Schulausbildung am Humanistischen Gymnasium Ternopil, wo alle Fächer auf Deutsch unterrichtet wurden. Von 1865 bis 1869 studierte Puluj an Theologischen Fakultät der Universität Wien. In Wien studierte er anschließend bis 1872 Mathematik, Physik und Astronomie an der Philosophischen Fakultät. Er wurde durch ein Franz-Josef-Stipendium gefördert und unterrichtete während seines Studiums in Wiener Familien, darunter bei Graf Trauttmansdorff.

Von 1872 bis 1874 war Puluj Assistent im Labor von Prof. Viktor von Lang und beschäftigte sich mit der Erforschung der Abhängigkeit der inneren Temperatur-Luftreibung. Danach bis 1875 war er Lehrer für Mathematik, Mechanik und Physik an der Kaiserlich und Königlichen Marinehochschule Fiume (heute Rijeka, Kroatien). Dort entwickelte er ein neuartiges Gerät zur Messung des mechanischen Wärmeäquivalents, wofür er 1878 bei der Pariser Weltausstellung mit einer Silbermedaille ausgezeichnet wurde.

1876 promovierte Puluj an der Universität Straßburg über die Temperaturabhängigkeit der internen Reibung von Gasen bei August Kundt. Die wissenschaftliche Schule von Kundt hat mehrere bekannte Physiker, unter anderem Pjotr Lebedew und Ferdinand Braun hervorgebracht. Hier lernte Puluj auch Wilhelm Röntgen kennen. 1876–1883 arbeitete Puluj als Assistent und Privatdozent an der Universität Wien. Seit 1882 beschäftigte er sich mit Problemen der praktischen und theoretischen Elektrotechnik. 1884 erhielt er einen Ruf als Professor für experimentelle und technische Physik an der Tschechischen Technischen Universität Prag, wo er 1888/1889 auch Rektor war. 1916 lehnte er das Angebot, österreichischer Bildungsminister zu werden, aus gesundheitlichen Gründen ab.

Johann Puluj starb 1918 in Prag, wo er auch begraben wurde.

Wissenschaftliche Arbeit

Das Titelblatt von Pulujs wenige Wochen nach Röntgens Publikation erschienenen Veröffentlichung Über die Entstehung der Röntgen’schen Strahlen und ihre photographische Wirkung, 1896.
Apparat nach Puluj zur Bestimmung des mechanischen Wärmeäquivalents (Holzstich 1897)

Bevor Puluj nach Prag kam, interessierte er sich für die mechanische Theorie der Wärme, molekulare Physik und die Kathodenstrahlung. Zwischen 1880 und 1882 publizierte er vier Artikel über Kathodenstrahlung.[1] Er untersuchte die Wirkung von Magnetfeldern auf die Kathodenstrahlen und zeigte, dass die Strahlen Ähnlichkeiten zu elektrischen Strömen in Festkörpern zeigen. Er entwickelte eine lumineszente Lampe, später als Pulujlampe bekannt. Diese Lampe wurde 1881 als eine prinzipiell neue Lichtquelle prämiert. Später stellte sich heraus, dass diese Lampe ein Prototyp einer Röntgenröhre war. Puluj war der Erste, der eine Antikathode in seine Röhre eingebaut hat.[2] Später interessierte sich Puluj für Fragestellungen der Elektrotechnik. Erst nach dem ersten Bericht von Röntgen „Über eine neue Art von Strahlen[3] nahm Puluj im Januar 1896 seine Untersuchungen zur Kathodenstrahlung wieder auf. Schon am 13. Februar 1896 reichte er seine Publikation ein.[4] Der Artikel erschien früher als die zweite und dritte Publikation von Röntgen. In kürzester Zeit produzierte Puluj eine große Anzahl Bilder mit Hilfe der neuen Strahlung. Die Qualität seiner Bilder war damals unbestritten und sie wurden in der Presse oft publiziert.[2][5][6][7] Es sind oft Zweifel entstanden ob Röntgen wirklich der erste Entdecker der Röntgenstrahlung war, aber Puluj hat selber Röntgens Priorität anerkannt. Obwohl beide Wissenschaftler einander kannten, hat Röntgen niemals Pulujs Arbeiten zitiert. Pulujs Sohn behauptete, dass sein Vater eine seiner Lampen Röntgen gegeben hat.[2] Puluj war einer der ersten Physiker, der das Potential der Röntgenstrahlung für die medizinische Diagnostik erkannte.

Mehrere Versionen über Pulujs Priorität als Entdecker der Röntgenstrahlung wurden von Journalisten in Umlauf gebracht.[8][9][10][11][12] Einer der Gründe dafür war die Tatsache, dass es zum Zeitpunkt der Entdeckung noch keine fest etablierte Terminologie zu Kathoden- bzw. Röntgenstrahlung gab. Die beiden Arten von Strahlung wurden von Laien oft verwechselt. Deswegen wurde Puluj, der die Kathodenstrahlung schon in den 1880er Jahren untersucht hat, von mehreren als der wahre Entdecker vermutet.

Unterstützung der ukrainischen Kultur

Noch als Student in Gymnasium übersetzte der junge Puluj ein Planimetrie-Lehrbuch in die ukrainische Sprache. 1872–1873 war Puluj Vorsitzender der ukrainischen Studentenorganisation Sitsch in Wien. Er übersetzte auch weitere Lehrbücher auf Ukrainisch. Dabei setzte er sich mit der Entwicklung der wissenschaftlichen Terminologie in der ukrainischen Sprache auseinander. 1869 und 1871 wurden zwei Auflagen des von Puluj übersetzten Molytwoslowa (Gebetswort) herausgegeben. 1880 übersetzte er Evangelium und Psalter aus dem Griechischen und Lateinischen in Zusammenarbeit mit Pantelejmon Kulisch in die ukrainische Sprache. Diese Übersetzung erschien seitdem in fünf Auflagen. 1899 wurde er zu einem Vollmitglied der Wissenschaftlichen Schewtschenko-Gesellschaft gewählt. Außerdem organisierte er Stipendien für die ukrainische Jugend. 1915 schrieb er auch auf Deutsch einen Artikel über die von ihm gewünschte Unabhängigkeit der Ukraine.[13]

Würdigungen

Briefmarke zum 150. Geburtstag von Johann Puluj
  • Die Technische Universität Ternopil wurde nach Johann Puluj benannt.
  • 1995 wurde von der ukrainischen Post eine Briefmarke zum 150. Geburtstag von Johann Puluj ausgegeben.
  • Eine Straße in Kiew ist nach Johann Puluj benannt.
  • Denkmal in Hrymajliw.
  • Gedenktafel für I. Puluj und P. Kulisch in Wien.[14]

Werke (Auswahl)

  • Strahlende Elektrodenmaterie / Wiener Berichte. (I.) 1880, Bd. 81, S. 864–923. (II.) 1881, Bd. 83, S. 402–420. (III.) 1881, Bd. 83, S. 693–708. (IV.) 1882, Bd. 85, S. 871–881.
  • Strahlende Elektrodenmaterie und der sogenannte vierte Aggregatzustand. Carl Gerold Sohn, Wien 1883.
  • Radiant Elektrode Matter and the So-Called Fourth State. Physical Memoirs, London 1889, Vol. l, Part 2, P. 233–331.
  • Über die Entstehung der Röntgen’schen Strahlen und ihre photographische Wirkung. Wiener Berichte II Abt. 1896, Bd. 105, S. 228–238.
  • Nachtrag zur Abhandlung „Über die Entstehung der Röntgen’schen Strahlen und ihre photographische Wirkung“. Wiener Berichte, 1896, Bd. 105, S. 243–245.

Komplette Liste von Pulujs Publikationen[15]

Literatur

  • R. Gajda, R. Plazko: Johann Puluj: Rätsel des universalen Talents. EuroWelt-Verlag, Lwiw 2001, ISBN 966-7343-04-9
  • S. Nahorniak, M. Medyukh: Physical-technical ideas of Ivan Pul'uj. Dschura, Ternopil 1999, ISBN 966-7497-34-8
  • R.P. Gaida: Ivan Puluj and the development of the science of X-rays, preprint (ukrainisch)
  • W. Formann: Die Göttin mit der Glühlampe über dem Haupte. In: Wochenendbeilage der oberösterreichischen Nachrichten, 25. Januar 1958, S. 11–12
  • W. Formann: Mit Bibel und Pulujscher Röhre. In: Österreich Regional, Linz, 18. Januar 1968
  • W. Formann: Theologe, Patriot, Physiker. In: Linzer Volksblatt, 1. Februar 1968

Weblinks

 Commons: Ivan Pulyui – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. J. Puluj: Strahlende Elektrodenmaterie / Wiener Berichte. (I.) 1880, Bd. 81, S. 864–923. (II.) 1881, Bd. 83, S. 402–420. (III.) 1881, Bd. 83, S. 693–708. (IV.) 1882, Bd. 85, S. 871–881.
  2. a b c R. Gajda, R. Plazko: Johann Puluj – Ratsel des universalen Talents. EuroWelt-Verlag, L’wiw 2001, ISBN 966-7343-04-9
  3. W.C. Röntgen: Über eine neue Art von Strahlen (Vorläufige Mitteilung). Sitzgber. Physik.-med. Ger. Würzburg, Jahrgang 1895, Würzburg 1896, S. 132–141. Bericht wurde am 28. Dezember 1895 eingereicht.
  4. Über die Entstehung der Röntgenstrahlen und ihre photographische Wirkung. Wiener Berichte II Abt. 1896, 105, S. 228–238.
  5. Svetozor Zeitschrift am 31. Januar 1896.
  6. Bohemia Zeitung am 18. Februar 1896.
  7. Prager Tagblatt am 18. Februar 1896.
  8. Ju Hrywnjak: Prof. Dr. Iwan Puljuj. Entdecker der X-Strahlung. London 1971, Wydannja Sojusu Ukrajinziw Welykoji Brytaniji (auf Ukrainisch)
  9. R. Hualla: „Pulujisieren“ statt „Röntgenisieren“. Wochenendbeilage der oberösterreichischen Nachrichten, 3. Februar 1962, S.13
  10. W. Lüftl: Hier irrt die Volksmeinung. In: Neues Österreich, 1959, 3.05
  11. W. Lüftl: Wer hat die Röntgenstrahlen erfunden? In: Konstructiv, Nr. 166, Dezember 1991, S. 26
  12. S. May: Knapp die Unsterblichkeit verfehlt. Johannes Puluj – auch ein Entdecker von Röntgens Strahlen. In: Süddeutsche Zeitung, 24./25. Februar 1996
  13. J. Puluj: Ukraina und ihre internationale politische Bedeutung. Bund zur Befreiung der Ukraina, Prag 1915.
  14. Denkmale und Gedenktafel für berühmte Ukrainer in Österreich (ukrainisch)
  15. tu.edu.te.ua

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