Jorge J. Gomondai

Jorge J. Gomondai

Jorge João Gomondai (* 27. Dezember 1962 in Chimoio, Mosambik; † 6. April 1991 in Dresden) wurde das erste Todesopfer eines fremdenfeindlichen Überfalls in Dresden nach der Wiedervereinigung.

Inhaltsverzeichnis

Biographisches

Der Mosambikaner Jorge Gomondai kam Mitte der 1980er Jahre als ein so genannter Vertragsarbeiter in die DDR. Er arbeitete im Schlachthof Dresden.

Überfall

In der Nacht zum Ostersonntag 1991 stieg Jorge Gomondai in der Dresdner Neustadt in den letzten Wagen einer Straßenbahn ein. Es war ca. 4 Uhr nachts, als am Albertplatz eine Gruppe von ca. 14 erkennbar rechtsgerichteten Jugendlichen den gleichen Wagen betrat. Diese wurden schon seit dem Vorabend von einer Polizeistreife beobachtet, da sie randalierend durch den Dresdner Norden gezogen waren. Sofort nach dem Einsteigen wurde Gomondai von einigen Jugendlichen aus der Gruppe rassistisch beleidigt und angegriffen.

Etwa 150 Meter nach Verlassen der Haltestelle bemerkte die Straßenbahnfahrerin, dass während der Fahrt im letzten Wagen eine Tür geöffnet wurde. Sie bremste die Bahn ab, stieg aus und fand Jorge Gomondai neben den Gleisen blutend am Boden liegen. Ein zufällig vorbei fahrendes Taxi hielt ebenfalls am Tatort an. Während der Taxifahrer die Polizei verständigte, leisteten die beiden Insassinnen Erste Hilfe.

Jorge Gomondai wurde sofort in die Medizinische Akademie Dresden gebracht und mehrmals operiert. Der damals 28-jährige wachte aus der Bewusstlosigkeit nicht mehr auf und verstarb nach fast einer Woche am 6. April 1991 an den Folgen seiner Verletzungen.

Polizeiliche Ermittlungen und Gerichtsprozess

Die polizeilichen Ermittlungen waren von Anfang an unzureichend und gingen von falschen Annahmen aus. Da die Polizeibeamten vor Ort von einem alkoholbedingten Sturz ausgingen, wurden kaum Spuren gesichert und auch keine Zeugen vernommen. Die Polizei nahm erst nach dem durch Gomondais Tod einsetzenden Medieninteresse ernsthafte Ermittlungen auf, welche sich über zwei Jahre hinzogen.

Der Prozess gegen die verdächtigen Personen fand auf öffentlichen Druck hin nicht am Dresdner Amtsgericht, sondern am Landgericht Dresden statt. Die gesamte Verhandlung gestaltete sich als überaus schwierig, da die Ermittlungen von einer Reihe von Versäumnissen begleitet wurden: Wegen der unzureichenden Spurensicherung und der fehlenden Personenbefragung direkt am Tatort benötigten die Ermittlungsbehörden eine geraume Zeit, um Tatverdächtige und Zeugen ausfindig zu machen. Darüber hinaus wurde ein Videofilm der späteren Täter ohne Auswertung gelöscht, der Bahnwagen zwischenzeitlich ohne weitere Spurensicherung verschrottet und ein Vernehmungsprotokoll wegen fehlender Unterschriften als ungültig bewertet. Rechtsextremistische Anhänger störten den Prozess wiederholt, indem sie direkt an der Verhandlung teilnahmen oder als vermeintliche Zeugen während des Verfahrens auftraten. Letztlich wurde nie geklärt, ob Jorge Gomondai aus Panik flüchtete und sich beim Sturz verletzte oder ob er durch die Täter verletzt und aus der fahrenden Straßenbahn geworfen wurde.

Der Prozess endete im Oktober 1993 mit vergleichsweise milden Urteilen: Lediglich drei Angeklagte wurden verurteilt. Zwei Beschuldigte erhielten Bewährungsstrafen von jeweils einem Jahr und drei Monaten; ein dritter erhielt eine Jugendstrafe von zweieinhalb Jahren ohne Bewährung. Die Ermittlungen gegen acht weitere Verdächtige wurden eingestellt.

Gedenken

Gomondai-Gedenkstein in Dresden

Jährlich findet am Todestag von Jorge Gomondai ein Gedenkgottesdienst mit anschließender Demonstration am Tatort statt. Organisiert wird dieser Tag vom Ausländerrat Dresden e. V. sowie Kirchen- und Menschenrechtsgruppen.

Seit 1993 existiert am einstigen Wohnhaus von Jorge Gomondai in der Holbeinstraße eine Gedenktafel. Im gleichen Jahr wurde am Tatort ein Gedenkstein eingeweiht, der als „Stein des Anstoßes“ anfangs vorläufigen Charakter hatte, aber seitdem als dauerhafter Gedenkort genutzt wird. Der Gedenkstein wurde mehrmals geschändet und umgeworfen.

1995 wurde von Monika Hielscher und Matthias Heeder der Dokumentarfilm „Jorge“ fertig gestellt und veröffentlicht. Während der Dreharbeiten stießen die Filmemacher auf eine Mauer aus Schweigen, da sich viele Zeugen aus Angst vor rechtsextremistischen Repressalien nicht öffentlich äußern mochten. Gleichzeitig erfuhren die Eltern von Jorge Gomondai erst durch die Dreharbeiten in Mosambik von den vollständigen Umständen seines Todes.

Nach einem Vorschlag des Ausländerbeirates der Stadt Dresden beschloss der Stadtrat 2006 die Benennung des Platzes in unmittelbarer Nähe des Tatortes in Jorge-Gomondai-Platz (am Ende der Hauptstraße, fast am Albertplatz). Er wurde am 30. März 2007 im Beisein der Mutter und eines Bruders von Jorge Gomondai sowie des mosambikanischen Botschafters eingeweiht.

Quellen

  • Skinhead-Opfer stirbt nach Überfall. In "Die Tageszeitung". 9. April 1991.
  • Sylvia Protze: Mord an Mocambiquaner löst Bestürzung aus. In: Sächsische Zeitung. 10. April 1991.
  • Alltägliche Jagdszenen. Skinheads und Neonazis überrennen Dresden. Ihr erstes Todesopfer wurde ein Afrikaner. In: Der Spiegel. Nr. 16, 1991, S. 112.
  • Gomondai-Denkmal genehmigt, Täter sollen endlich vor Gericht. In: Sächsische Zeitung. 31. März 1993.
  • Gomondai offenbar misshandelt. In: Junge Welt. 1. Oktober 1993.
  • Michael Bartsch: Unerwartetes Urteil auf ziemlich wackligen Füßen. In: Junge Welt. 30. Oktober 1993.
  • Frank Berno Timm: Film für Jorge Gomondai scheint an der Angst zu scheitern. In: Sächsische Zeitung. 29./30. Januar 1994.
  • Detlef Krell: Jorge - ein Film über das Opfer des Hasses. In: "Die Tageszeitung". 10. April 1995.

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