Joseph Bihn

Joseph Bihn
Joseph Bihn als junger Priester, um 1860
Joseph Bihn, aufgenommen in einem Photostudio in Tiffin, ca. 1875
Joseph Bihn, Altersbild als Haupt seiner Ordensgemeinschaft, ca. 1890

Joseph Bihn (eigentlich Joseph Ludwig Bihn) (* 2. Januar 1822 in Dirmstein, Pfalz, Diözese Speyer; † 17. August 1893 in Tiffin, Ohio) war Priester der Diözese Cleveland, Pfarrer und Gründer des bis heute existierenden Schwesternordens, der „Franziskanerinnen von Tiffin“ (kirchenamtlich abgekürzt „O.S.F. Tiffin“).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Geburt, Jugend und Auswanderung

Joseph Ludwig Bihn wurde in Dirmstein als jüngstes von 7 Kindern (3 Jungen und 4 Mädchen) der Eheleute Ludwig Bihn und Margaretha Bihn geb. Rothermel, geboren. Der Vater war Schuhmacher. Mütterlicherseits war Bihn ein Ururenkel des Bauunternehmers Franz Rothermel. Über das frühe Leben von Joseph Bihn ist nichts Genaues bekannt, wie ein 1942 in Amerika erschienenes Büchlein, über den von ihm gegründeten Orden, konstatiert. Man weiß lediglich, daß Joseph Ludwig Bihn 1845, nach dem Tod seines Vaters und der älteren Schwester Catharina, mit seiner Mutter und seinen Schwestern Margaretha und Barbara nach York, Medina County, in Ohio emigrierte. Der Staat Ohio hatte damals einen überdurchschnittlich starken, deutschen Bevölkerungsanteil und seine älteren Brüder Andreas und Antonius (von Beruf Schuhmacher wie der Vater) waren schon früher dorthin ausgewandert. Antonius Bihns Nachkommen leben bis heute in den USA. 1848 fing Joseph Ludwig Bihn, als kaufmännischer Angestellter, im Warenhaus Alcott, Horten & Company, in Cleveland/Ohio an zu arbeiten. Dort war er sehr beliebt wegen seinem „freundlichen Wesen und anderer gediegener Qualitäten“, wie es in Francis L. Hultgens „History of Northwest Ohio“, Band II, Seite 1298, heißt.

Leben als Pfarrer

Die Büroarbeit befriedigte den jungen Mann jedoch keineswegs und er verspürte in sich die Berufung zum Priestertum. In dieser Zeit lernte Joseph Ludwig Bihn, Bischof Amadeus Rappe[1], den ersten katholischen Bischof von Cleveland kennen, dem er sich anvertraute und der ihn zu seinem Vorhaben ermutigte. Als er schließlich von seinem geringen Gehalt genug zusammen gespart hatte, um das Studium finanzieren zu können, trat Bihn 1852 in das St. Mary’s Priesterseminar in Cleveland ein.

Sein Freund und früherer Mit-Seminarist Pfarrer Seraphin Bauer berichtete später, Joseph Ludwig Bihn - damals bereits im fortgeschrittenen Alter - habe sich mit dem Lernen und dem Studieren sehr schwer getan. Trotzdem absolvierte er alle vorgeschriebenen Studien erfolgreich, als Erwachsener, unter halbwüchsigen Kameraden; eine erstaunliche Leistung, wenn man bedenkt, daß er mit seinen 30 Jahren, beim Seminareintritt, mit knapper Not einigermaßen flüssig Englisch sprechen und schreiben konnte. Laut Zeitgenossen waren die Wissenschaften nicht Bihns Stärke, vielmehr sei er ein Mann des Gebetes gewesen, voller Liebe zu seinen Mitmenschen und mit glühendem Eifer in religiösen Dingen.

Am 1. Juni 1856 erhielt er die Priesterweihe aus der Hand seines Freundes, Bischof Amadeus Rappe von Cleveland. Dieser bestimmte Joseph Ludwig Bihn bereits 2 Wochen später zum Pfarrer der St. Josephs Gemeinde in dem Städtchen Tiffin/Ohio. Die dortige Kirche, ein Backsteinbau von 1845, erwies sich als viel zu klein für die aufblühende Gemeinde unter deren Mitgliedern sich auch viele deutsche Emigranten befanden. Die neue Kirche wurde ausschließlich durch Spenden finanziert. Durch Pfarrer Bihns geschickte Bauleitung konnte sie schon 1862 fertiggestellt und geweiht werden, ohne daß darauf die geringsten Schulden lasteten.

Ordensstifter

Die sozialen Verhältnisse im Lande, geprägt durch viele entwurzelte Einwanderer aus Europa und durch Flüchtlinge und Waisen des schrecklichen Bürgerkrieges (1861-65), ließen in Pfarrer Bihn den Entschluss reifen, er müsse etwas für die Waisenkinder und für die heimatlosen, alten Menschen tun. Diese Idee nahm 1867 Gestalt an und aus ihr resultierte auch die Gründung des eingangs erwähnten Schwesternordens, der bis heute fortbesteht. Bischof Karl Joseph Alter von Toledo (Ohio), in dessen neu gegründete Diözese, die Stadt Tiffin zu Beginn des 20. Jahrhunderts einverleibt wurde, berichtet 1942 über die Anfänge von Pfarrer Bihns Lebenswerk:

„Das Jahr 1867 brachte den Katholiken von Tiffin/Ohio die üblichen Probleme die einer gewaltigen Vertreibung und Entwurzelung, ausgelöst durch einen schrecklichen Bürgerkrieg, folgen. Die schlimmen Folgen des Krieges zwischen den Nord- und Südstaaten belegt u.a. der beachtliche Anstieg der Zahl jener hilfloser Kinder, die niemanden hatten, der sich um sie kümmerte. Aber der Krieg und die ihm unweigerlich folgende Notzeit bildeten nur einen Teil der Ursache des Problems. Tiffin war zu dieser Zeit – was man auch an den Mitgliedern der katholischen Gemeinde ablesen kann – eine typische Einwandererstadt. Hunderte von Neuankömmlingen, besonders aus den deutschsprachigen Gebieten Europas, waren in die Stadt und das Umland eingewandert. Oft wurden Kinder zu Waisen oder die einfachen, hart arbeitenden Menschen verdienten wegen ihres Alters nicht mehr und sie gerieten mit ihren geringen Ersparnissen, ohne Hoffnung auf Einkommen, unweigerlich ins Elend. Solche Probleme stellten sich dem Pfarrer von St. Joseph/Tiffin, permanent in seiner Seelsorge. Bedrängt durch so viele dringende Bitten um irgend eine Form von caritativer Fürsorge, entschloss sich der Hochwürdige Herr Pfarrer Joseph Bihn von der St. Josephs Gemeinde in Tiffin, ein kombiniertes Heim zu gründen, ein Heim für beides, für Waisenkinder und für hilfsbedürftige, alte Menschen. Ein solches Unternehmen würde sogar heutzutage noch als phantastisch gelten und die fürchterlichen Schwierigkeiten einer solchen Gründung könnten selbst unter unseren jetzigen Verhältnissen die Mutigsten abschrecken. Trotzdem ließ sich Pfarrer Bihn, mit seinem großen Vertrauen in die göttliche Vorsehung, nicht entmutigen. Die normale Ausführung des Entschlusses wäre wohl die, dass man einen religiösen Orden, der sich auf solche Dinge versteht, zu Hilfe ruft und mit der Arbeit betraut. Dies versuchte vermutlich auch Pfarrer Bihn, wenngleich wir darüber keine sicheren Nachrichten haben. Jedenfalls entschloss sich unser Pfarrer stattdessen, nicht nur das besagte Heim zu gründen, sondern gleichzeitig eine religiöse Kommunität, einen eigenen Orden, bestehend aus Ordensbrüdern und Ordensschwestern, nach der Ordensregel des Hl. Franziskus lebend.“

Pfarrer Bihn erwarb am 9. November 1867 eine große Farm, südöstlich von Tiffin. Dort gründete er sein Heim und seine Ordensgemeinschaft ist dort ansässig bis auf den heutigen Tag. Anlässlich der Gründung des Institutes bat er die Mitglieder seiner Gemeinde um tatkräftige Mithilfe. Daraufhin bot eine fromme Witwe, ihren und den Dienst ihrer Familie, um Gotteslohn an. Es handelte sich um Mrs. Elisabeth Schäfer, ihren Vater Johannes Greiveldinger und um ihre beiden Töchter Anna Maria und Josephine. Sie verließen ihre eigene Farm, verkauften sie und schlossen sich am 1. März 1868 Pfarrer Bihn an, um in seinem Heim zu arbeiten. Der Priester gehörte, genau wie Frau Schäfer und ihre Familie, schon länger dem 3. Orden der Franziskaner an. Der 3. Orden ist ein Zusammenschluss von Personen, sogenannten „Terziaren“, die nicht in Klöstern, sondern in der Welt leben und den verschiedensten Berufen nachgehen können, sich jedoch aus Gründen tiefer Religiosität den (dafür etwas modifizierten) Ordensregeln der franziskanischen Orden unterwerfen, ohne Gelübde abzulegen und unter Sünde zur Einhaltung der Regeln verpflichtet zu sein. Es kommt vor, dass sich mehrere solcher Personen wiederum zu regelrechten Gemeinschaften zusammenfinden, meist um ihre religiöse Berufung gemeinsam noch besser leben und gute Werke, wie etwa Krankenpflege etc., gemeinschaftlich vollbringen zu können. Die Angehörigen solcher Gemeinschaften tragen gewöhnlich Ordenskleider, geben sich einfache franziskanische Ordensregeln, verpflichten sich unter Sünde zu deren Einhaltung und legen gemäß den von Christus ausgesprochenen „evangelischen Räten“, die Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams ab. Solche Angehörige des 3. Ordens nennt man „Regularterziaren“, da sie im Gegensatz zu den einfachen „Terziaren“ gemeinschaftlich nach einer festen Regel leben.

Joseph Ludwig Bihn erbat von seinem Freund und Bischof Msgr. Amadeus Rappe von Cleveland, die Zustimmung zur Gründung eines solchen, weiblichen Regularterziaren-Ordens, speziell auf die Bedürfnisse seines Heimes zugeschnitten. Der Bischof antwortete, dass er nicht nur die Gründung billige, sondern auch seinen innigsten Segen dazu erteile. So wurden Frau Elisabeth Schäfer mit ihrer Tochter Anna Maria die ersten Schwestern und es baten gleichzeitig noch zwei weitere Pfarrangehörige, nämlich Frau Schäfers Schwägerin Maria Schäfer und Frau Kunigunde Schmidt um Aufnahme in den Orden. Am Herz-Jesu-Fest, den 4. Juni 1869, erfolgte die feierliche Einkleidung und die Ablegung der Ordensgelübde durch die ersten vier Schwestern. Das Amt der Oberin übernahm Frau Elisabeth Schäfer, unter dem Namen „Mother Francis d’ Assisi“. Ihre Tochter Anna Maria erhielt den Namen „Sister Sacred Heart of Jesus“, Maria Schäfer ward „Sister Nativity“ u. Kunigunde Schmidt, „Sister Blessed Sacrament“ genannt. Der Orden wählte den bis heute gültigen Namen „Sisters of the Third Order of Saint Francis, of Penance and of Charity, Tiffin, Ohio.“ (= „Schwestern vom 3. Orden des Hl. Franziskus, von der Buße und der Nächstenliebe, Tiffin, Ohio“) und wurde am 2. Dezember 1869 auch offiziell vom Staat Ohio anerkannt.

Pfarrer Bihns visionäres Werk begann und nahm im Laufe der Jahre einen mächtigen Aufschwung. Auf der ehemaligen Farm, nunmehr das St.-Francis-Heim, errichtete man mehrfach Neubauten und vergrößerte das Gelände beträchtlich. Die Existenz der Institution sprach sich herum, immer mehr Waisenkinder und Senioren kamen auch von weit her und fanden freundliche Aufnahme. Alle lebten wie eine große Familie. Die Ordensmitglieder brachten ihr persönliches Vermögen in das Werk ein und es wurde schließlich auch eine Brüdergemeinschaft ins Leben gerufen, die jedoch nur wenige Jahrzehnte bestand und nach dem Tod des Gründers wieder einging. Die Schwestern versorgten Kinder und Alte, gaben Unterricht und tätigten mit den weiblichen Waisen die Hausarbeiten wie Kochen, Waschen Putzen; wobei die alten Leute nach Kräften mithalfen. Die Brüder verrichteten zusammen mit den männlichen Kindern die notwendigen forst- bzw. landwirtschaftlichen Dienste, tätigten Bauarbeiten und hielten das Heim in Ordnung; sehr oft unterstützt von Pfarrer Bihn persönlich, dem für seine Hilsbedürftigen keine Arbeit zu schwer war. Man versorgte sich in fast allem selbst und war weitgehend autark nach außen. Gebet und Gottesdienste schweißten die Gemeinschaft unter ihrem Seelsorger auch im geistigen Leben zusammen. Teilweise blieben Waisenkinder später als Ordensmitglieder im Haus u. dienten so den neuen Generationen von Hilfsbedürftigen. Seit 1871 unterrichteten die Schwestern auch außerhalb des Heimes, in der St. Nicholas Schule, Frenchtown/Ohio. 1878 gab es 27 Schwestern, die 72 Waisenkinder und 23 Senioren betreuten. Im Jahre 1888 sorgte die Ordensgemeinschaft bereits für 215 Personen. Als im Jahre 1936, das St.-Francis-Waisenhaus in Tiffin wegen der veränderten Gesellschaftsverhältnisse schloss, zählte man mehr als 1700 Kinder, die dort gelebt hatten; die Zahl, der bis zu diesem Zeitpunkt in dem (fortbestehenden) Altersheim versorgte Senioren, lag bei ca. 700. Pfarrer Bihn ließ 1881 eine schöne Heim-Kirche errichten und 1888 vergrößern. Damals bekam sie auch zwei prächtige, neugotische Türme, die 49 Jahre lang das weithin sichtbare Wahrzeichen des St.-Francis-Heimes bildeten. Leider wurden die Turmspitzen bei einem Tornado am 14. April 1937 zerstört, so dass sich die Kirche heute mit zwei abgeflachten Turmstümpfen präsentiert.

Tod und Entwicklung des Lebenswerkes

Grab von Pfarrer Joseph Bihn, Ordensfriedhof, St. Francis, Tiffin, Ohio

Pfarrer Joseph Ludwig Bihn starb am 17. August 1893 in St. Francis, Tiffin, nach 10-tägigem Krankenlager, an Herz- und Altersschwäche. Auf dem Heimfriedhof fand er die letzte Ruhestätte. Seine einfache, demütige und selbstlos fromme Lebensführung wurde bei seinem Tode allgemein als heiligmäßig angesehen. Wenngleich bisher keine Heilig- oder Seligsprechung erfolgte, verehren die Franziskanerinnen von Tiffin, ihren Gründer als himmlischen Fürsprecher und halten die Erinnerung an ihn wach. Auf dem Gelände des St.-Francis-Heimes richteten sie, in einem von Pfarrer Bihn selbst gebauten, ehemaligen Stallgebäude, ein kleines Museum ein, wo man z.B. seinen Schreibtisch und andere persönliche Gegenstände von ihm aufbewahrt. Die Klosterkirche besitzt noch einen von Pfarrer Bihn selbst benutzten Meßkelch, ein Geschenk zu seinem silbernen Priesterjubiläum, 1881. Er wird nur zu ganz besonderen Feierlichkeiten der Ordenskommunität benutzt. Die Tageszeitung „The Daily Advertiser“ in Tiffin, schrieb am 17. August 1893, anläßlich Pfarrer Bihns Tod: „Solange es Waisenkinder gibt, die erzogen und betreut werden müssen, solange Kinderheime fortbestehen und solange das große Herz der Menschheit gerührt ist vom Mitleid um heimatlose Kinder, genau so lange wird der Name ’Pfarrer Bihn’ unvergessen und geehrt bleiben, im ganzen Nordwesten von Ohio.“ Die Franziskanerinnen aus Tiffin tragen das Werk Joseph Bihns weiter, in unsere Zeit hinein. Wenn auch der allgemeine Niedergang der Ordensgemeinschaften, nach dem II. Vatikanischen Konzil, nicht spurlos an ihnen vorbei gegangen ist, so sind es doch immer noch 128 Schwestern, die im Sinne von Pfarrer Bihn, in den USA, in der Altenpflege, im Dienste der Pfarreien, in der Erziehungsarbeit, Bildungs- und Gesundheitswesen, sowie in Mexiko, auf einer Missionsstation in Chiapas wirken.

Einzelnachweise

  1. Biografie Amadeus Rappe auf famousamericans.net (Englisch)

Weblinks

Literatur

  • Dr. Jakob Bisson: „Sieben Speyerer Bischöfe und ihre Zeit“, Pilger Verlag Speyer, 1956
  • Joachim Specht: „Pfarrer Joseph Ludwig Bihn aus Dirmstein, der Vater der Alten und Waisen von Nordwest-Ohio“, Ortschronik Dirmstein, hrsg. von Michael Martin. - Neustadt an der Weinstraße, 2005. - (Stiftung zur Förderung der Pfälzischen Geschichtsforschung) und ebenso im Heimatjahrbuch des Landkreises Bad Dürkheim, 2006, S. 166-171
  • „SISTERS OF THE THIRD ORDER OF SAINT FRANCIS OF PENANCE AND OF CHARITY, TIFFIN, OHIO, 1869 - 1942“, ohne Autorenangabe, Eigenverlag der Schwesterngemeinschaft, Tiffin, Ohio, 1942
  • „SISTERS OF THE THIRD ORDER OF SAINT FRANCIS OF PENANCE AND OF CHARITY, TIFFIN, OHIO, 1942 - 1989, Schwester Miriam Miller OSF, Eigenverlag der Schwesterngemeinschaft, Tiffin, Ohio, 1989 “

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