Kalbspuppe

Kalbspuppe

Das Melken mit der Kalbspuppe (aus Kalb und Puppe; engl. dummy-calf[1]) ist ein in der ethnographischen Literatur aus vielen Ländern berichtetes Verfahren, bei dem durch Überlistung der Kuh (oder der Stute, Kamelstute, Yakkuh) versucht wird, ihre Milchleistung zu erhöhen oder dass sie überhaupt Milch gibt. Dies ist besonders dann der Fall, wenn das Kalb eingegangen ist oder wenn es abgesetzt wird.

Inhaltsverzeichnis

Verfahren

Dabei wird der Kuh die Kalbspuppe vorgehalten, die aus dem ausgestopften Balg eines verendeten Kalbes besteht, der in die Nähe des Euters oder ihres Kopfes gebracht wird. Das Verfahren wird in mancherlei Modifikationen angewandt.[2]

Die Erscheinung tritt häufig zusammen mit dem Kuhblasen auf. Bereits der Reisende Peter Kolb hat in seinem 1719 veröffentlichten Werk darüber berichtet. Ihm zufolge war die Kalbspuppe seinerzeit auch in Europa bekannt.

Verbreitung

Das Verfahren ist in zahlreichen Kulturen anzutreffen. Es ist bei vielen afrikanischen Hirtenvölkern, etwa den Nuer, verbreitet, aber auch bei Mongolen, Kirgisen, Kalmücken, in Indien und Tibet.[3] Der Ethnologe Edward Evan Evans-Pritchard beschrieb neben dem Kuhblasen auch das Verfahren, dass eine Kalbspuppe (tulchan) zur Kuh geschoben wurde, um die Kuh zur Milchproduktion zu stimulieren.[4]

Literatur

  • Peter Kolb: Caput bonae spei hodiernum. Das ist: Vollständige Beschreibung des Vorgebürges der Guten Hoffnung. Volkshochschule, Marktredwitz 1975 [Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1719]
  • Hans Plischke: Das Kuhblasen. Eine völkerkundliche Miszelle zu Herodot. In: Zeitschrift für Ethnologie. Band 79, Reimer, Berlin 1954, S. 1–7.
  • Sture Lagercrantz: Contribution of the Ethnography of Africa. Lund 1950
  • Hubert Kroll: Das Zurückhalten der Milch bei Rindern und ihre Behandlung bei afrikanischen Hirtenstämmen. In: Milchwirtschaftliches Zentralblatt. Jahrgang 57, Heft 22, 1928, S. 349–350
  • Hubert Kroll: Die Haustiere der Bantu. In: Zeitschrift für Ethnologie. Band 60, S. 247–248

Einzelnachweise

  1. Lagercrantz (1950:44 ff., mit Karte zur Verbreitung Afrika), auch zur Verbreitung des milking with dummy-calves („Melkens mit Kalbspuppen“)
  2. vgl. Plischke (1954:4 ff.) und Lagercrantz (1950:44 ff.)
  3. Zur Verbreitung siehe Kroll (1928) und Lagercrantz (1950)
  4. Foto einer Kalbspuppe (tulchan) durch Edward Evan Evans-Pritchard (1935)

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