Tibet

Tibet
Tibetische Bezeichnung
Tibetische Schrift:
བོད་ཆེན། བོད།
Wylie-Transliteration:
bod chen, bod
Offizielle Transkription der VRCh:
Poiqên, Poi
Chinesische Bezeichnung
Vereinfacht:
大藏区、西藏
Pinyin:
Dàzàngqū, Xīzàng
Tibetischer Kulturraum und die autonomen tibetischen Verwaltungsgliederungen in China
Yangbajain-Tal, etwa 100 Kilometer nordwestlich von Lhasa
Fährverkehr über den Brahmaputra (Yarlung Zangbo)

Tibet ist ein ausgedehntes Hochland in Zentralasien.

Die Bezeichnung Tibet wird heute sowohl für das gesamte tibetische Hochland verwendet als auch für das Autonome Gebiet Tibet, die 1965 gegründete Verwaltungseinheit der Volksrepublik China. Das Autonome Gebiet Tibet umfasst etwa die Hälfte des tibetischen Kulturraums und liegt im Süden Tibets. Die nördlichen und östlichen Teile des tibetischen Kulturraums sind Teil der chinesischen Provinzen Qinghai, Gansu, Sichuan und Yunnan. Im offiziellen chinesischen Sprachgebrauch steht der Begriff Tibet (d.h. das chinesische Xīzàng 西藏, tibetisch bod ljongs བོད་ལྗོངས།) immer für das Autonome Gebiet Tibet. Auch der tibetische Begriff bod bzw. bod yul schließt die osttibetischen Regionen Amdo und Kham, also die überwiegend außerhalb des Autonomen Gebiets Tibet gelegenen Gebiete, üblicherweise nicht mit ein. Um mitgerechnet zu werden, muss im Tibetischen bod chen (= „Groß-Tibet“) gebraucht werden.

Die Zugehörigkeit Tibets zur Volksrepublik China ist in der breiten Öffentlichkeit sowie völkerrechtlich umstritten (siehe dazu: Tibets Status). Derzeit gibt es jedoch weltweit keinen Staat, der sich auf diplomatischer oder politischer Ebene aktiv für Veränderungen einsetzt.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Das Hochland von Tibet und die angrenzenden Regionen und Länder

Das Hochland von Tibet, das in seinem äußersten Süden einen großen Teil des Himalaya-Gebirges umfasst und sich auf einer durchschnittlichen Höhe von 4500 Metern erstreckt, wird häufig als „Dach der Welt“ bezeichnet und gilt als die höchstgelegene Region der Welt.

Das Hochplateau Tibets ist wüstenhaft, der trockenste Teil ist der westliche Bereich, der als Changthang (tibetisch für „nördliche Ebene(n)“) bezeichneten alpinen Steppen. Der Grund für die Trockenheit liegt vor allem darin, dass der Himalaya das Hochland nach Süden hin von den indischen Monsunregen abschirmt und im Inneren kontinentales Klima vorherrscht.

Umschlossen wird Tibet von den Gebirgen des Himalaya im Süden und Westen, den osttibetisch-chinesischen Randketten im Osten (Min Shan, Minya Konka, Hengduan Shan), dem Karakorum im Nord-Westen und dem Kunlun Shan im Norden, aber auch im Inneren wird es von zahlreichen Gebirgsriegeln durchzogen. Tibet grenzt von Westen nach Osten an die indischen Bundesstaaten Jammu und Kashmir, Himachal Pradesh, Uttarakhand, Sikkim und Assam (nach chinesischer Auffassung) bzw. Arunachal Pradesh (nach indischer Auffassung und aktuellen politischen Grenzen), sowie an die Länder Nepal, Bhutan und Myanmar (Birma), mit einer Gesamtlänge der Grenze zu diesen drei Ländern von knapp 4000 km.

Tibetischer Kulturraum

Kulturregionen Tibets

Das „geographische“ Tibet (d.h. das Hochland von Tibet inklusive der Randgebirge in China und den Nachbarländern) erstreckt sich über eine Fläche von 2,5 Millionen km² und wird traditionell in folgende Kulturregionen unterteilt:

  • Amdo (Nordosten), zu dem in heutiger Zeit zumeist auch das ursprünglich nicht zu Amdo gezählte Qaidambecken gerechnet wird
  • Kham (Südosten)
  • Gyarong (äußerster Osten)
  • Changthang (Hochlandsteppen im Zentrum, Norden und Nordwesten)
  • Ü-Tsang, das ganz „Zentraltibet“ (also die eigentlich im Süden Tibets gelegenen Provinzen Ü und Tsang) umfasst, im weiteren Sinne (d.h. dem der ehemals von Lhasa aus kontrollierten Gebiete) noch die in Südosttibet anschließenden Gebiete des heutigen Regierungsbezirkes Lhokha (chin. Shannan) sowie dem im Regierungsbezirk Nyingchi gelegenen Kongpo) und einigen Regionen im Südwesten von Kham (insbesondere das erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Lhasa-Truppen eroberte Poyül).
  • Ngari (Westtibet)

Westtibet ist jedoch Teil eines grenzüberschreitenden Kulturraums, der folgende Räume umfasst:

Auch der zentral- und südtibetische Kulturraum erstreckt sich grenzüberschreitend auf:

In all diesen tibetischen Kulturregionen finden sich Tibeter bzw. tibetisch sprechende Gruppen, wobei in den Randgebieten häufig auch andere Völkerschaften zu finden sind, die nicht immer mit den Tibetern sprachlich verwandt oder kulturell eng verbunden sind (Muslime in Amdo und Ladakh). Aus diesem Grunde zeichnet sich der tibetische Kulturraum trotz aller Gemeinsamkeiten auch durch eine gewisse kulturelle Vielfalt aus.

Das Autonome Gebiet Tibet als Teil von Gesamttibet

Autonomes Gebiet Tibet

Hauptartikel: Autonomes Gebiet Tibet

Das Autonome Gebiet Tibet ist eine Verwaltungseinheit der Volksrepublik China. Es umfasst ein Gebiet von 1,2 Millionen km² – die ehemaligen zentraltibetischen Provinzen Ü und Tsang, Ngari, weite Teile des Changthang sowie den westlichen Teil der Kulturregion Kham.

Das Autonome Gebiet Tibet umfasst etwa die Hälfte des tibetischen Kulturraums. Infolge der Gebietsreform 1965 wurde Tibet formell in 6 Verwaltungseinheiten unterteilt. Der größte Teil Amdos (Nordost-Tibet) wurde zur Provinz Qinghai. Die übrigen Gebiete Amdos und Ost-Kham wurden den bestehenden chinesischen Provinzen Gansu, Sichuan und Yunnan zugeschlagen

Klima

Der Yardrog Yutsho (Yamdrok-See) liegt 110 Kilometer südwestlich von Lhasa in einer Höhe von 4441 Metern

In Tibet herrscht Hochlandklima mit großen Tagestemperaturschwankungen und viel Sonnenschein. Auch sind die Temperaturunterschiede zwischen dem Süden Tibets und dem Norden beträchtlich.

Das angenehmste Klima ist in den tieferen Lagen des Südostens Tibets. Dort liegen auch die Städte Lhasa, Gyantse und Shigatse. Lhasa hat eine Durchschnittstemperatur von 8 Grad Celsius, Shigatse von 6,5 Grad während nach Norden hin das tibetische Plateau auf über 4500 Meter Höhe ansteigt und in der nördlichen Hälfte Tibets ist die jährliche Durchschnittstemperatur unter 0 Grad (Permafrostgebiet).

Die meisten Bewohner Tibets leben im Gebiet zwischen Lhasa und Shigatse sowie am Ostrand des tibetischen Hochlands während der Norden, der Zentralbereich wie auch der Westen Tibets weitestgehend unbewohnbar sind.


Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Lhasa
Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez
Max. Temperatur (°C) 6,8 9,2 12,0 15,7 19,7 22,5 21,7 20,7 19,6 16,4 11,6 7,7 Ø 15,3
Min. Temperatur (°C) −10,2 −6,9 −3,2 0,9 5,1 9,2 9,9 9,4 7,6 1,4 -5,0 −9,1 Ø 0,8
Temperatur (°C) -2,2 1,1 4,6 8,0 12,0 15,6 15,4 14,5 12,8 8,0 2,2 −1,8 Ø 7,5
Niederschlag (mm) 0 1 2 8 25 71 118 131 60 10 2 1 Σ 429
T
e
m
p
e
r
a
t
u
r
6,8
−10,2
9,2
−6,9
12,0
−3,2
15,7
0,9
19,7
5,1
22,5
9,2
21,7
9,9
20,7
9,4
19,6
7,6
16,4
1,4
11,6
-5,0
7,7
−9,1
Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez
N
i
e
d
e
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s
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h
l
a
g
0 1 2 8 25 71 118 131 60 10 2 1
  Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez
Quelle: [6]

Bevölkerung

Nach einer chinesischen Volkszählung im Jahr 2000 ergeben sich für die verschieden Provinzen des Hochlands von Tibet folgende Bevölkerungsanteile.[1]

Tibeter und Han-Chinesen in Tibet, aufgeteilt nach Regionen gemäß der Zählung im Jahr 2000
Total Tibeter Han andere
Autonomes Gebiet Tibet (AGT)
AGT gesamt: 2.616.329 2.427.168 92.8 % 158.570 6.1 % 30.591 1.2 %
- Lhasa 474.499 387.124 81.6 % 80.584 17.0 % 6.791 1.4 %
- Qamdo 586.152 563.831 96.2 % 19.673 3.4 % 2.648 0.5 %
- Lhokha 318.106 305.709 96.1% 10968 3.4 % 1.429 0.4 %
- Shigatse 634.962 618.270 97.4 % 12.500 2.0 % 4.192 0.7 %
- Nagchu 366.710 357.673 97.5 % 7.510 2.0 % 1.527 0.4 %
- Ngari 77.253 73.111 94.6 % 3.543 4.6 % 599 0.8 %
- Nyingthri 158.647 121.450 76.6 % 23.792 15.0 % 13.405 8.4 %
Provinz Qinghai
Qinghai gesamt: 4.822.963 1.086.592 22.5 % 2.606.050 54.0 % 1.130.321 23.4 %
- Xining 1.849.713 96.091 5.2 % 1.375.013 74.3 % 378.609 20.5 %
- Haidong 1.391.565 128.025 9.2 % 783.893 56.3 % 479.647 34.5 %
- Haibei 258.922 62.520 24.1 % 94.841 36.6 % 101.561 39.2 %
- Huangnan 214.642 142.360 66.3 % 16.194 7.5 % 56.088 26.1 %
- Hainan 375.426 235.663 62.8 % 105.337 28.1 % 34.426 9.2 %
- Golog 137.940 126.395 91.6 % 9.096 6.6 % 2.449 1.8 %
- Yushu 262.661 255.167 97.1 % 5.970 2.3 % 1.524 0.6 %
- Haixi 332.094 40.371 12.2 % 215.706 65.0 % 76.017 22.9 %
Provinz Sichuan
- Ngawa 847.468 455.238 53.7% 209.270 24.7 % 182.960 21.6%
- Garzê 897.239 703.168 78.4 % 163.648 18.2 % 30.423 3.4 %
- Muli 124.462 60.679 48.8 % 27.199 21.9 % 36.584 29.4 %
Provinz Yunnan
- Dêqên 353.518 117.099 33.1 % 57.928 16.4 % 178.491 50.5 %
Provinz Gansu
- Gannan 640.106 329.278 51.4 % 267.260 41.8% 43.568 6.8 %
- Tianzhu 221.347 66.125 29.9 % 139.190 62.9 % 16.032 7.2 %
Gesamt für Großtibet
Mit Xining und Haidong 10.523.432 5.245.347 49.8 % 3.629.115 34.5 % 1.648.970 15.7 %
Ohne Xining und Haidong 7.282.154 5.021.231 69.0 % 1.470.209 20.2 % 790.714 10.9 %

Diese Liste beinhaltet alle tibetischen autonomen Gebiete der Volksrepublik China und zusätzlich Xining sowie Haidong. Die beiden letzten wurden berücksichtigt, um die Liste für die Provinz Qinghai zu vervollständigen und auch, weil die tibetische Exilregierung diese beiden Gebiete als Teil von Großtibet beansprucht.

Die Schätzungen der tibetischen Exilregierung ergeben andere Zahlen. Nach ihren Schätzungen leben im Hochland von Tibet heute 6 Millionen Tibeter und ca. 7,5 Millionen Chinesen; in allen Städten Tibets seien heute Han-Chinesen bereits in der Mehrheit,[2] und insgesamt ca. 111.170 Tibeter leben im Exil:[3]

Tibetische Kinder in Sichuan
Tibeter im Exil
Indien 85.000
Nepal 14.000
Kanada und USA 7.000
Bhutan 1.600
Schweiz 2.500
Republik China 1.000
restliches Europa 640
Australien und Neuseeland 220
Skandinavien 110
Japan 60

Diese Zahlen schließen jene Tibeter nicht mit ein, die als Selbständige, Angestellte oder auch als Schüler in chinesischen Städten in Chinas Osthälfte leben. Allein in Peking leben rund 2000 Tibeter, wie auch Lanzhou, die Hauptstadt der nordwestchinesischen Provinz Gansu, und Chengdu, die Hauptstadt der chinesischen Provinz Sichuan, einen beträchtlichen tibetischen Bevölkerungsanteil aufweisen. Nichtoffiziellen Schätzungen zufolge liegt die Zahl der Tibeter, die in Chengdu leben, zwischen 10.000 und 100.000. Aufgrund des inzwischen wieder großen Zuspruchs, dessen sich der tibetische Buddhismus auch unter Han-Chinesen erfreut, lassen sich auch manche hohe Lamas in ost- und südchinesischen Städten wie Shanghai, Hangzhou oder Shenzhen nieder.

Geschichte

Von der Monarchie zur chinesischen Okkupation

Hauptartikel: Tibetische Monarchie

Das Königreich Tibet entstand Anfang des 7. Jahrhunderts. Zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert war Tibet ein starkes Reich. Nach der Schwächung der Position der tibetischen Könige im 10. Jahrhundert bildete sich die prägende Form der tibetischen Gesellschaft aus. Das Land war in drei unterschiedliche Besitzformen unterteilt: freier Grundbesitz, Ländereien der adligen Familien und Ländereien unter der Verwaltung verschiedener buddhistischer Klöster. Diese Form bestand bis in die 1950er Jahre.

Im Jahre 1240 wurde Tibet durch den mongolischen Khan Güyük Khan erobert und in sein Reich eingegliedert. Köden, der jüngere Bruder Güyük Khans wurde 1247 zum vorübergehenden Gouverneur der eroberten Tibet-Region ernannt. Mitte des 13. bis Mitte des 14. Jahrhunderts wurden Angehörige der Sakya-Schule des tibetischen Buddhismus von den mongolischen Khans als Vizekönige eingesetzt.[4] Es folgten Zwischenregierungen, mit drei Herrschafts-Dynastien. Während der letzten Invasion der Mongolen am Anfang des 17. Jahrhunderts wurde die Regierungsgewalt auf höchste kultisch-religiöse Repräsentanten der jüngsten der vier religiösen Linien, der Gelugpa-Schule, übertragen. Zur obersten Autorität des tibetischen Staatswesens wurde im Jahr 1642 mit Ngawang Lobsang Gyatso der damalige 5. Dalai Lama erklärt. Des Weiteren wurde die Regierung Ganden Podrang (tib.: dga' ldan pho brang) geschaffen, die von 1642 bis 1959 regierte.[5]

Im Jahre 1774 nahm der britische Beamte George Bogle der East India Company bei einer Reise durch Bhutan nach Tibet Kontakt zu Regierungsstellen in Tibet auf. Die Gesellschaft wollte die Mittlerrolle Bhutans beim Handel mit Tibet ausschalten. Er traf in Shigatse den Panchen Lama. Durch diesen Kontakt hoffte Bogle auch, den chinesischen Einfluss im Handel mit Tibet umgehen zu können, er erreichte bei seinem monatelangern Aufenthalt jedoch keinen wesentlichen Fortschritt.

Tibetische Holzhäuser in Zhongdian

Seit 1720, als ein Heer des chinesischen Kaisers Kangxi den jungen 7. Dalai Lama nach Lhasa geleitete, war eine Garnison kaiserlicher Soldaten der Qing-Dynastie in Lhasa stationiert. Auch erwirkte China das Recht, durch Ambane, die seit 1727 als kaiserliche Gesandte an den Hof des Dalai Lama, den Potala-Palast, entsandt waren, in langsam steigendem Maße an der tibetischen Politik mitzuwirken. Auch auf das Findungs-Ritual eines neuen Dalai Lama nahmen sie Einfluss.

Während des 19. Jahrhunderts lebten die Menschen in einem feudalen System unter den Lamas. Die großen Klöster besaßen den Hauptanteil des Landes, monopolisierten das Bildungssystem sowie die meisten wirtschaftlichen Aktivitäten und zogen Abgaben ein. Einen Handel mit dem Ausland gab es bis auf ein paar Ausnahmen mit Indien, Turkmenistan und China nicht.

Der Dalai Lama wurde als das Oberhaupt angesehen, aber sein Einfluss schwankte mit seinen persönlichen Fähigkeiten. Sein Machtbereich reichte insbesondere zur Zeit des 5. Dalai Lamas bis weit nach Osttibet hinein (insbesondere Kham), umfasste jedoch nie mehr den gesamten tibetisch besiedelten Raum wie zur Zeit der Yarlung-Dynastie. Vor allem Amdo unterstand keiner Lhasa-Regierung eines Dalai Lamas, auch wenn der Gelugpa-Orden dort manches mächtige Klosterzentrum errichten konnte. Durch das Tulku-System der Reinkarnation gab es lange Phasen, in denen der Dalai Lama zu jung war, um sein Amt auszuführen. In dieser Zeit wurde neben einem System von Regenten der Panchen Lama als effektive Führung des Landes angesehen.

Das Kloster Sumtseling Gompa

Weg zur Unabhängigkeit zwischen den benachbarten Mächten

Während der Phase des Great Game gewann Russland starken diplomatischen Einfluss auf Tibet. Versuche von Lord George Curzon, dem britischen Vizekönig von Indien, mit diplomatischen Mitteln diesen Einfluss einzudämmen, wurden von der tibetischen Regierung ignoriert. Als Antwort auf diese als Affront betrachtete Haltung begann im November 1903 der Britische Tibetfeldzug unter der Leitung von Francis Younghusband, um durch etappenweises Vorgehen gegen die schlecht ausgestattete tibetische Armee Verhandlungsdruck aufzubauen.

Erst nach der Besetzung von Lhasa und nach der Flucht des 13. Dalai Lama in die Mongolei erwirkten die Briten mit den verbleibenden tibetischen Vertretern und dem kaiserlichen Amban im September 1904 ein Abkommen zur Öffnung der Grenze für den Handel mit Britisch-Indien. Weiterhin wurde festgelegt, dass Tibet nicht ohne Einverständnis der Briten in Verhandlungen mit anderen Ländern treten durfte. Erst 1906 wurde dieser Vertrag von der chinesischen Regierung bestätigt.

Im Vertrag von Sankt Petersburg von 1907 einigten sich England und Russland über ihre Interessensphären in Zentralasien und stellten die Suzeränität Chinas über Tibet fest. 1910 schickten die Chinesen eine eigene militärische Expedition, um diesen Anspruch zu festigen. Der Dalai Lama, kaum aus dem Exil heimgekehrt, floh erneut, diesmal nach Indien. Aufgrund der chinesischen Revolution im Oktober 1911, des Sturzes der Qing-Dynastie und des damit einhergehenden Endes des Kaisertums in China verließen die chinesischen Truppen Tibet. Im Frühjahr 1912 gab es nur noch eine kleine chinesische Garnison in Lhasa. Der Dalai Lama kehrte zurück und zog im Juni 1912 in Lhasa ein. Nach Vertreibung der letzten chinesischen Truppen aus Lhasa Anfang Januar 1913 proklamierte der Dalai Lama am 14. Februar 1913 feierlich die staatliche Unabhängigkeit Tibets.[6] Hierbei wurden auch die äußeren Symbole wie Flagge und Hymne festgelegt. Zur gleichen Zeit wurde ein (später angezweifelter) Freundschaftsvertrag mit der Mongolei unterzeichnet, welche ebenfalls gerade die Unabhängigkeit erklärt hatte.

Während der 1920er und 1930er Jahre war China durch Bürgerkriege gespalten und durch den Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg abgelenkt, gab aber nie den Anspruch auf Tibet auf und unternahm gelegentliche Versuche, diesen durchzusetzen. In der Regierungszeit des 13. Dalai Lama hatte Peking zwar keine Repräsentanten in dessen Territorien, schickte aber nach dessen Tod eine Kondolenz-Mission nach Lhasa, angeführt von General Huang Musong.

Der nach der Kapitulation Japans 1945 in China ausgebrochene Bürgerkrieg sorgte in Tibet für Besorgnis. Als Reaktion wurden alle chinesischen Beamten des Landes verwiesen und die eigene Armee aufgerüstet. Ein Appell an die Regierungen Großbritanniens, Indiens und der USA im Jahr 1949 blieb ohne Erfolg, so dass Tibet politisch isoliert blieb.

Eingliederung in die Volksrepublik China

Lhasa im Jahr 1938

Nach der Machtübernahme der Kommunistischen Partei und Gründung der Volksrepublik China unter Führung von Mao Zedong im Oktober 1949 erwachte der Anspruch auf Tibet und dessen Anschluss an das chinesische „Mutterland“ erneut. Die Absicht der „Befreiung“ Tibets vom „britischen, imperialistischen Joch“ durch Chinas Volksbefreiungsarmee wurde im Januar 1950 durch Radio Peking verkündet. Am 7. Oktober 1950 erreichte die Volksbefreiungsarmee die tibetische Stadt Qamdo, wo sie nur auf minimalen Widerstand durch die schlecht ausgerüstete tibetische Armee traf. Einen Monat nach der Kapitulation der Armee in Osttibet durch den Gouverneur von Kham, Ngabo Ngawang Jigme, übernahm in Lhasa der 14. Dalai Lama im Alter von 15 Jahren, drei Jahre früher als üblich, die Regierung Tibets. Ein anschließender Appell an die Vereinten Nationen blieb durch die Ablehnung von Großbritannien und Indien wegen des „ungeklärten Rechtsstatus Tibets“ erfolglos.

Nach der Aufnahme von Verhandlungen mit China unterzeichneten Repräsentanten der tibetischen Regierung am 23. Mai 1951 unter politischem Druck in Peking das 17-Punkte-Abkommen, ohne jedoch die Vollmacht durch ihre Regierung hierfür zu besitzen. In dem Abkommen wurde die Integration Tibets in China festgelegt, wobei Tibet neben der regionalen Autonomie und Religionsfreiheit auch eine Garantie zugesichert wurde, dass das existierende politische System in Tibet unverändert bleibt. Weiter sollen Reformprozesse ohne Druck durch chinesische Zentralbehörden nur durch die tibetische Regierung eingeleitet werden.

Drei Tage später erfuhr die tibetische Regierung über das Radio von der Unterzeichnung und dem Inhalt des Abkommens. Da hierin das religiös-politische System Tibets und die Stellung des Dalai Lama unverändert bleiben sollten, stimmte die Regierung in Lhasa am 24. Oktober 1951 dem Abkommen zu. Wenige Tage darauf brach die Volksbefreiungsarmee in Richtung Zentraltibet auf und errichtete in wenigen Monaten eine starke Militärpräsenz in Lhasa, die zahlenmäßig fast der Bevölkerungszahl entsprach.

Zu diesem Zeitpunkt unternahm die chinesische Regierung keine Versuche, das soziale oder religiöse System in dem neu geschaffenen Autonomen Gebiet Tibet zu verändern, jedoch wurden das östliche Kham und Amdo wie jede andere chinesische Provinz behandelt. Der Versuch der Kommunistischen Partei, dort die Landreform durch Errichtung von Volkskommunen und Sesshaftmachung der Nomaden durchzusetzen, erzeugte erste Unzufriedenheit in der Bevölkerung. In den 1950ern kamen in diesen Gebieten größere Unruhen auf, die sich letztendlich bis ins westliche Kham und Ü-Tsang ausweiteten. 1955 kam es zu einem spontanen Aufstand, der blutig niedergeschlagen wurde. Anschließend kam es durch den Zusammenschluss verschiedener Stammesgruppen zu einer landesweiten Rebellion, die sich im Khampa-Widerstand „Chushi Gangdruk“ organisierte.

1959, zur Zeit des Großen Sprungs nach vorn in China, behandelte die chinesische Führung den mittlerweile erwachsenen Dalai Lama mit offener Pietätlosigkeit. Am 10. März 1959 brach daraufhin in Lhasa der Tibetaufstand aus. Nach dem Beschuss des Norbulingka durch chinesische Truppen am 17. März 1959 floh der dort verweilende Dalai Lama nach Indien. Zwei Tage später brachen Kämpfe in der Stadt aus, der Volksaufstand wurde am 21. März brutal niedergeschlagen. Bei den Kämpfen starben laut exiltibetischer Angaben zehntausende Tibeter.[7] [8] Die roten Garden zerstörten in der Zeit der chinesischen Kulturrevolution von 1966 bis 1976 mehrere tausend Klöster und andere Kulturdenkmäler. Fast alle Kultur- und Religionsinstitutionen Tibets wurden vernichtet. Was den Chinesen zur Zeit der „Kulturrevolution“ mehrheitlich jedoch als ein politischer Konflikt erschien, erschien den Tibetern als nationaler Konflikt, der sich gegen sie als Volk richtete und von den Han ausging[9].

Zu Unruhen in Lhasa kam es zwischen 1987 und 1989, was zur Ausrufung des Ausnahmezustandes durch die Behörden führte, sowie im März 2008.[10]

Tibets Status

Historische Anmerkungen zu Tibets Status

Landkarte der offiziellen Grenzen der Republik China (seit 1912), einschließlich Festlandchina, Mongolei, Tibet, Tuva und dem Kachin-Staat. Ansprüche auf die Gebiete auf dem Festland werden heute faktisch nicht mehr erhoben.

Bis Anfang des 18. Jahrhunderts war Tibet eine Region ohne festgelegte Grenzen, bei innerer Autonomie unter mongolischer Schirmherrschaft. Mit dem Niedergang der mongolischen Macht brachen auf tibetischem Gebiet „Nachfolgeunruhen“ aus.

Aufgrund dieser Unruhen erklärte China um 1720 das Gebiet Tibets zu seinem Protektorat bei voller innerer Autonomie Tibets. Diese Konstruktion hielt fast 200 Jahre lang und hatte Vorteile für beide Seiten.

Chinesischen Einfluss gab es nur in den östlichen Randlagen Tibets zu der chinesischen Tiefebene. Dies sind bis heute die Gebiete mit einem größeren Bevölkerungsanteil von Han-Chinesen. Darüber hinaus hatte kaum ein Chinese aus dem Flachland die Motivation, die unerschlossenen oder nur dünn besiedelten Gebiete Tibets mehrere hundert Kilometer zu durchqueren. Jede Reise in Tibet war beschwerlich und ohne ortskundige Begleitung nicht zu schaffen. Es gab in Tibet zudem fast nichts, mit dem die Chinesen Handel hätten treiben können und was eine derart aufwendige Reise gerechtfertigt hätte. So verweilten zur Zeit des Einmarsches Chinas in das damals de facto unabhängige Tibet (dies umfasste ungefähr das Gebiet des heutigen Autonomen Gebiets Tibets) im Jahr 1950 dort nur sechs Ausländer, darunter auch die Österreicher Heinrich Harrer und Peter Aufschnaiter.

Für die Chinesen hatte das Protektorat über Tibet den Vorteil der Klarstellung, dass China bis zum Gebirgskamm des Himalaya Gebietsansprüche hatte. Es war eindeutig, ab wann fremde Mächte chinesisches Hoheitsgebiet betraten, und einen Krieg mit China wollte keiner der kleineren umgebenden Staaten beginnen.

Für die Bevölkerung Tibets garantierte die Stellung als chinesisches Protektorat den Schutz gegen äußere Feinde und damit den äußeren Frieden.

Aufgrund dieser Konstellation wird in den alten Atlanten[11] Tibet bisweilen als Teil Chinas dargestellt.

Die Lage änderte sich mit dem Auftauchen der englischen Invasionsarmee in Tibet unter Younghusband (1903-04), welche die umstrittenen Außengrenzen Chinas nicht respektierte.

Die Sicht der tibetischen Exilregierung

Flagge der tibetischen Exilregierung. Diese Flagge ist in der Volksrepublik China verboten.

Die tibetische Exilregierung vertritt die Auffassung, dass Tibet zum Zeitpunkt der Invasion durch die chinesische Volksbefreiungsarmee ein unabhängiger und voll funktionsfähiger Staat gewesen sei[12] und dass die militärische Invasion und die andauernde Besetzung ein Verstoß gegen internationales Recht und gegen das Recht auf Selbstbestimmung seien. Ferner sei Tibet nicht, wie es die Volksrepublik darstellt, seit 700 Jahren (seit dem 14. Jahrhundert) fester Bestandteil Chinas, sondern habe nur für kurze Zeiten unter dem Einfluss der Mongolen oder der Mandschu gestanden, jedoch nie unter dem Einfluss der Han-Chinesen.

Das 17-Punkte-Abkommen ist nach tibetischer Auffassung ungültig, da die Unterzeichnung durch tibetische Delegierte aufgrund militärischen Drucks Chinas erfolgte. Des Weiteren wird China vorgeworfen, die in dem Abkommen zugesicherte innenpolitische Autonomie und Religionsfreiheit missachtet zu haben.

Am 22. September 1987 machte Dalai Lama Tendzin Gyatsho einen Vorschlag zur Annäherung an China in Form eines Fünf-Punkte-Friedensplans.[13]

  1. Umwandlung von ganz Tibet, einschließlich der östlichen Provinzen Kham und Amdo, in eine Zone der Gewaltlosigkeit
  2. Aufgabe der chinesischen Politik der Bevölkerungsumsiedlungen
  3. Achtung der Menschenrechte und demokratischen Freiheiten des tibetischen Volkes
  4. Wiederherstellung und Schutz der Umwelt Tibets
  5. Aufnahme ernsthafter Verhandlungen über den künftigen Status Tibets sowie Beziehungen zwischen dem tibetischen und dem chinesischen Volk
Wappen/Siegel der tibetischen Exilregierung und Tibets vor der chinesischen Okkupation

Die chinesische Regierung wies den Plan zurück.

Die Sichtweise der chinesischen Regierung

Aus Sicht der festland-chinesischen Regierung ist Tibet seit mehreren hundert Jahren ein fester Bestandteil Chinas. Nach Ansicht regierungstreuer Historiker markiert die Hochzeit von Songtsen Gampo mit der chinesischen Prinzessin Wen Cheng im 7. Jahrhundert den Beginn der kulturellen Vorherrschaft Chinas über Tibet; eine Deutung, die international kaum geteilt wird.[14][15] Ab dem 13. Jahrhundert sei Tibet dann ein administrativ unabteilbarer Teil Chinas gewesen.[16] Nach dieser Auffassung hätte der 13. Dalai Lama Thubten Gyatso im Jahr 1894 mit Hilfe der britischen Imperialisten versucht, Tibet von China abzuspalten. In diesem Jahr wurde der Statthalter des chinesischen Kaisers vom Dalai Lama aus Tibet vertrieben.[17] Die Kolonialmacht Großbritannien war in China militärisch präsent und unterstützte die Abspaltung Tibets politisch, was die chinesische Regierung zum Stillhalten zwang. Die Unabhängigkeitserklärung von 1913 ist aus Sicht der chinesischen Regierung völkerrechtlich nie wirksam geworden, da sie weder von China noch von irgendeinem anderen Staat je anerkannt wurde. Mit dem Zurückdrängen der ausländischen Beeinflussung Tibets (1950) und dem Abschluss des 17-Punkte-Abkommens (1951) sei der traditionelle Zustand wiederhergestellt worden. Gleichzeitig beruft sich die chinesische Regierung auch darauf, die Bevölkerung Tibets von einem feudalen Unterdrückungssystem befreit zu haben.[18] Diese Befreiung sei durch den 10. Penchen Lama Chökyi Gyeltshen in einem Telegramm an Mao Zedong befürwortet worden.[19] Chökyi Gyeltshen war zu diesem Zeitpunkt erst 11 Jahre alt.

Den 5-Punkte-Plan des Dalai Lama Tendzin Gyatsho wies die chinesische Regierung am 17. Oktober 1987 zurück und beschuldigte ihn, die Kluft zwischen ihm und der chinesischen Regierung zu vergrößern. Sie wirft dem Dalai Lama darüber hinaus vor, ein politischer Exilant zu sein, der sich seit langem im Ausland um Chinas Spaltung bemüht. Ein Dialog mit dem Dalai Lama kommt für sie nur in Betracht, sobald dieser auf das Streben nach einer so genannten Unabhängigkeit Tibets verzichtet. Hierzu müsse er in einer öffentlichen und eindeutigen Erklärung Tibet und Taiwan als untrennbare Teile des chinesischen Territoriums und die Volksrepublik China als die einzige legitime Regierung anerkennen, sowie sich zur Einstellung aller Aktivitäten zur Spaltung des Vaterlandes verpflichten.

Sicht durch andere Länder / Internationale Sicht

Die völkerrechtlichen Argumente, die vorgebracht werden, variieren auch bei anderen Ländern. Die Internationale Juristenkommission erklärte im ICJ Report 1960, Tibet sei jedenfalls 1951 de facto ein unabhängiger Staat gewesen und habe schon in den Jahren 1913–1950 die anerkannten Kriterien für einen Staat erfüllt.[20] Verschiedene Staaten haben jedoch ihre jeweils eigene offizielle Sicht.

Deutschland

Der völkerrechtliche Status Tibets ist umstritten. So betrachtet auf politischer Ebene die deutsche Bundesregierung in Übereinstimmung mit der internationalen Staatengemeinschaft Tibet als Teil des chinesischen Staatsverbandes[21], selbst wenn Tibet in der wechselvollen Geschichte die Voraussetzung eines unabhängigen Staates erfüllt haben sollte. Sie unterstützt aber den tibetischen Anspruch auf Autonomie, insbesondere im kulturellen und religiösen Bereich, als adäquaten Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts des tibetischen Volkes. Kontakte zum Dalai Lama bestehen nur in dessen Eigenschaft als religiöser Führer.[20]

Andere Stellen kommen zu anderen Ergebnissen in der völkerrechtlichen Frage. Der wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestages stellte 1987 fest:

„Die Staatengemeinschaft geht zwar davon aus, dass Tibet Teil des chinesischen Staatsverbandes ist, doch wurde der Status Tibets nicht geklärt. Zum Zeitpunkt der gewaltsamen Einverleibung in den chinesischen Staatsverband war es ein eigenständiger Staat. China hat keinen wirksamen Gebietstitel erworben, weil es dem Grundprinzip des aus dem Gewaltverbot hervorgehenden Annexionsverbots entgegensteht. Die Effektivität tatsächlicher Herrschaftsgewalt über ein Gebiet vermag keinen Gebietserwerb zu bewirken.“ [22]

Der Deutsche Bundestag stellte im Jahr 1996 mit einer sehr großen Mehrheit die gewaltsame Unterdrückung Tibets und Repressionspolitik Chinas fest:

„Beginnend mit den unmenschlichen Militäraktionen seit dem Einmarsch Chinas im Jahr 1950, dauert die gewaltsame Unterdrückung Tibets und seines Strebens nach politischer, ethnischer, kultureller und religiöser Selbstbestimmung bis heute an. Die fortgesetzte Repressionspolitik Chinas in Tibet hat schwere Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörungen sowie massive wirtschaftliche, soziale, rechtliche und politische Benachteiligungen der tibetischen Bevölkerung und letztlich die Sinisierung Tibets zur Folge.“[23]

Seit Mai 1995 gibt es im Deutschen Bundestag mit dem Tibet-Gesprächskreis auch ein interfraktionelles Gremium, das sich laufend mit der Tibetproblematik beschäftigt.

Im Jahr 1998 bekräftigte der damalige Außenminister Joschka Fischer jedoch die Zugehörigkeit Tibets zur Volksrepublik China. Er erklärte, die rot-grüne Bundesregierung stehe mit ihrer Chinapolitik in der Kontinuität der alten Regierung. Tibet werde als ein integraler Bestandteil Chinas betrachtet, alle Unabhängigkeitsbestrebungen würden als Separatismus angesehen und nicht unterstützt.[24] An der Einbringung der Bundestagsresolution[23] zu Tibet im Jahr 1996 wirkte Fischer (damals noch in der Opposition) ebenfalls mit.

Europäische Union

Das Europäische Parlament veröffentlichte seit 1987 verschiedene Tibet betreffende Resolutionen. Hierbei verurteilte es wiederholt die Verletzungen der Menschenrechte und Religionsfreiheit durch die chinesischen Behörden.[25]

In der Resolution vom 15. Dezember 1992 stellte es fest, dass das tibetische Volk ein Volk im Sinne des Völkerrechts ist und ihm das Recht auf Selbstbestimmung zustehe. Weiterhin verurteilte es die militärische Besetzung Tibets durch chinesische Truppen und drückte angesichts der Bedrohung der „nationalen Identität“ des tibetischen Volkes seine Besorgnis aus.[26]

USA

Der US-Senat verabschiedete am 23. Mai 1991 eine Resolution, nach der Tibet, einschließlich derjenigen Regionen, die den chinesischen Provinzen einverleibt wurden, nach gängigen Richtlinien internationalen Rechtes ein besetztes Land bildet, dessen wahre Repräsentanten der Dalai Lama und die tibetische Exilregierung bilden. Die chinesische Regierung wurde daraufhin aufgefordert ihre Streitkräfte aus Tibet zurückzuziehen.[27]

Indien

Am 13. April 2005 haben die Regierungen Indiens und Chinas eine Reihe von Zusammenarbeitsverträgen vereinbart, die unter anderem auch eine gemeinsame Deklaration über die gegenseitig anerkannte Grenze umfassen. Grundsätzlich wird die gegenwärtige aktuelle Waffenstillstandslinie aus dem Grenzkrieg von 1962 als gemeinsame Grenze anerkannt. Dabei verzichtet der chinesische Staat ausdrücklich auf Ansprüche südlich der McMahon-Linie (Bundesstaat Arunachal Pradesh) und insbesondere im Distrikt Tawang, in Sikkim und in der Region Ladakh. Die indische Regierung erkennt auf der anderen Seite die Hoheit Chinas im Gebiet nördlich der McMahon-Linie, in der chinesischen autonomen Region Tibet und auf dem Aksai Chin-Plateau an.

Republik China (Taiwan)

Die Haltung der Republik China (Taiwan) zu Tibet wurde in der Eröffnungsrede zum International Symposium on Human Rights in Tibet am 8. September 2007 durch deren Präsidenten Chen Shui-bian wie folgt beschrieben:[28]

“During the inauguration conference of the Taiwan-Tibet Exchange Foundation in 2003, I announced our new policy and emphasized that the Taiwan government will no longer treat people of the Tibetan government-in-exile as Chinese people. Instead, we will handle our relations with Tibet and China separately under this fresh perspective on our relations with Tibet.”

„Während der Einführungstagung der Stiftung für Tibetisch-taiwanischen Austausch im Jahr 2003 habe ich unsere neue Politik angekündigt und hervorgehoben, dass die taiwanische Regierung das Volk der tibetischen Exil-Regierung nicht länger als chinesisches Volk ansieht. Stattdessen werden wir anhand dieser neuen Sichtweise über Tibet unsere Beziehungen mit Tibet und China getrennt voneinander behandeln.“

Darüber hinaus sprach er seine Unterstützung für jegliche Lösungsvorschläge des Dalai Lama in der Tibetfrage aus.

Kultur

Tibets Buddhismus

Der heilige Berg Kailash hat große Bedeutung im tibetischen Buddhismus
Hauptartikel: Buddhismus in Tibet

Tibet ist der Mittelpunkt des tibetischen Buddhismus, der als Vajrayana bekannt ist. Der Buddhismus in Tibet hatte sich zunächst seit dem 8. Jahrhundert und später ab dem 11. Jahrhundert in vier großen buddhistischen Schulen (Nyingma, Kagyü, Sakya und Gelugpa) entwickelt. Der international bekannteste Lama des tibetischen Buddhismus ist der im indischen Exil lebende 14. Dalai Lama. Er ist zugleich bedeutender Repräsentant einer Mahayana-Schule (Gelugpa) und wird von der tibetischen Exilregierung als Staatsoberhaupt anerkannt. Die vorbuddhistische tibetische Religion ist der Bön, die von buddhistischen Einflüssen stark durchdrungen ist – ebenso wie der tibetische Buddhismus wiederum vom Bön beeinflusst wurde.

Tibets Literatur

Hauptartikel: Tibetische Literatur

Neben der mündlichen Tradition des Gesar-Epos entwickelte sich in Tibet spätestens mit der Einführung der tibetischen Schrift im 7. Jh. eine zutiefst religiös geprägte Literatur. Ab dem 13. Jh. wurde der Spiegel der Poesie (tib. snyan ngags me long), die Poetik des indischen Gelehrten Dandin, zur Norm für literarische Komposition. Erst mit der Annexion Tibets durch die Volksrepublik wurde die seit über 800 Jahren statisch festgeschrieben Tradition aufgebrochen und moderne wissenschaftliche, politische und literarische Genres konnten sich etablieren. Während unter dem Stichwort „tibetische Literatur“ meist der große Schatz religiöser Texte verstanden wird, treten Drama, Lyrik, erzählende Literatur sowie die reiche mündliche Überlieferung oft in den Hintergrund. Berühmte Beispiele der tibetischen Literatur sind das Tibetische Totenbuch und das Gesar Epos.

Tibetische Musik

Hauptartikel: Tibetische Musik

Traditionelle tibetische Musik wird in volkstümliche Lieder und die für religiöse Zeremonien unentbehrliche Kultmusik eingeteilt. Die zur ersten Gattung gehörenden und meist von Saiteninstrumenten begleiteten poetischen Geschichten werden von Hirten, bei der Feldarbeit, bei Hochzeiten oder von Bettelmusikern vorgetragen und nehmen Anleihen bei der chinesischen, mongolischen oder indischen Volksmusik. Die sakrale Musik beinhaltet Blas- und Perkussionsinstrumente, die im Wechsel oder in Verbindung mit dem tiefen monotonen Gesang der Mönche eingesetzt werden. Außerhalb Tibets ist mehr die religiöse Musik, vor allem im Zusammenspiel mit westlichen Musikern bekannt, während die vielfältigen Formen der Popularmusik eine größere Rolle innerhalb des Landes spielen.

Tibets Küche

Hauptartikel: Tibetische Küche

Die typische Ernährung ist geprägt von den Produkten des Landes, welches mit seinen rauen klimatischen Bedingungen die Möglichkeiten der Landwirtschaft einschränkt (z.B. mit der Gerste als dominierendem Getreide) und an seine Bewohner konkrete ernährungsphysiologische Ansprüche stellt. Der allgegenwärtige salzige Buttertee deckt etwa den Flüssigkeitsbedarf auf physiologisch vernünftige Weise. Üblicherweise wird dazu Yakbutter genommen, die ebenso in den Butterlampen Verwendung findet – auch für rituelle Zwecke.

Eine bekannte tibetische Mahlzeit ist Tsampa, ein Vollkornmehl aus gerösteter Gerste, das nur mehr mit heißem Buttertee angerührt werden muss. Sie wird auch meist zum Frühstück, als Zwischenmahlzeit oder während Pilgerfahrten und auf längeren Reisen gegessen. Die hauptsächlichen Produkte bzw. Lebensmittel stammen aus der Landwirtschaft und aus eigenem Anbau.

Tibets Medizin

Hauptartikel: Tibetische Medizin

Eine tiefe Verbindung von Religion, Philosophie und Kultur prägt die tibetische Heilkunst. Traditionelle Diagnosepraktiken sind:

  • Sehen, Fühlen, Hören
  • Pulsdiagnose
  • Urin- und Zungendiagnose

Behandlungsmethoden:

  • Energiepunktmassagen
  • Heilbäder- und Wasseranwendungen
  • mineralische und Kräutersubstanzen zum Einnehmen

Kunsthandwerk

Einen besonderen Kulturschatz stellen Statuen, Glocken und Ritualgegenständen dar die aus der Legierung Dzekshim gefertigt wurden.

Museen

Es gibt einige Museen in der Welt, welche sich insbesondere auf Kultur und Kunst aus Tibet ausrichten. In Lhasa südöstlich vom Norbulingka-Palast steht das Tibet Museum.[29] Ein anderes Tibet Museum befindet sich in Dharamsala, Indien, wo sich viele Flüchtlinge niedergelassen haben. Dieses Museum wurde 1998 gestiftet zur Erinnerung des Verlustes tibetischer Kultur und Menschenleben und stellt unter anderen eine Sammlung Fotos von Lebensgeschichten aus.[30] Zwei weitere Museen, die vorwiegend tibetischer religiöser Kunst gewidmet sind, befinden sich in der Library of Tibetan Works and Archives, ebenfalls in Dharamsala, sowie im Tibet House in Neu Delhi. Das Tibetologie-Institut Namgyal beherbergt ein Museum über Tibet in Gangtok, nicht weit von der tibetischen Grenze im indischen Teilstaat Sikkim. Das Namgyal Institut ist spezialisiert auf tibetische Sprache, Literatur und Traditionen, einschließlich des tibetischen Buddhismus. Das Museum besitzt eine bedeutende Sammlung von Statuen, Schreinen, Bildwirkereien, Masken, Thangkas und anderer tibetischer Kunst[31]

Außerhalb Asiens beherbergen vor allem das Jacques Marchais Museum of Tibetan Art in Staten Island, das Rubin Museum of Art in Manhattan, das Field Museum in Chicago, das Asian Art Museum in San Francisco und das Musée Guimet in Paris eine große Kollektion tibetischer Kunst. Im deutschen Sprachraum sind vor allem das Museum für Asiatische Kunst in Berlin, das Staatliche Museum für Völkerkunde München, das Linden-Museum in Stuttgart und das Heinrich-Harrer-Museum in Hüttenberg (Kärnten) von Bedeutung.

Wirtschaft

Wirtschaftszweige

Zelt der Nomaden während der Wanderschaft im Sommer

Landwirtschaft und Viehzucht

Der überwiegende Teil der tibetischen Bevölkerung arbeitet in der Landwirtschaft. Bauern und Hirten machen über 85 % der tibetischen Bevölkerung aus.[32] Durch die Politik der 70er und 80er Jahre und das Bevölkerungswachstum bei den Tibetischen Viehhirten und den dadurch ausgeweiteten Bestand an Tieren werden die Steppen, die flächenmäßig nicht ausgedehnt werden können, schwer belastet und die Qualität der Steppen sinkt bedenklich. Um die Steppen zu entlasten, wird nach alternativen Arbeitsplätzen für einen Teil der Viehzüchter gesucht.[33] Im Rahmen dieses Programms wurde im September 2007 beschlossen, dass bis zum Jahr 2010 von den Nomaden, die die Berghänge am Oberlauf der großen Flüsse in der nördlichen Provinz Qinghai bewohnen, 100.000 Menschen ihre Heimat verlassen müssen, um in den Städten neu angesiedelt zu werden.[34]

Tourismus

Der Wirtschaftszweig des Tourismus wird derzeit stark entwickelt. Im Jahr 2004 besuchten über 1,2 Millionen Touristen Tibet, davon knapp 100.000 Ausländer.

Die Lhasa-Bahn

Wesentliche Impulse für den Tourismus steuert inzwischen die im Jahr 2006 eröffnete Lhasa-Bahn bei. Die Lhasa-Bahn hat Wagen mit Panoramafenstern und hält an Stellen mit besonderer Aussicht.[35] Durch die Lhasa-Bahn gibt es nun eine tägliche, meist ausverkaufte, Zugverbindung zwischen Peking und Lhasa mit einer Reisezeit von 48 Stunden.[36] Im Jahr 2007 stieg die Anzahl der Touristen im Autonomen Gebiet Tibets um 60,4 % auf 4,02 Millionen. Die Einnahmen stiegen um 75,1 % auf 4,8 Mrd. Yuan (658 Mio. US-Dollar). Im Jahr 2010 sind insgesamt 6,7 Millionen in- und ausländische Touristen nach Tibet gereist. Gegenüber 2005 ist die Zahl knapp um das Dreifache gestiegen.[37] Um die Lehm- und Holzkonstruktion des Potala, der wichtigsten Touristenattraktion in Lhasa, zu schützen, wurde die Anzahl der Besucher auf 2300 pro Tag beschränkt.[38] Es gibt aber auch die Befürchtung, dass selbst diese Zahl schon zu hoch für die Bausubstanz des Potala sein könnte. Zum Ausbau des Tourismus wird deshalb versucht, andere Ziele in Tibet für den Tourismus zu fördern. Lhasa selbst soll in der Planung des chinesischen Staatsrats bis 2020 zu einem internationalen Touristenort ausgebaut werden. Dafür soll ein neues modernes Touristenviertel mit Hotels, Läden und Unterhaltungsetablissements entstehen und das städtische Verkehrsnetz ausgebaut werden.[39]

Im Autonomen Gebiet Tibets leben laut offiziellen Stellen heute bereits über 30.000 Tibeter vom Tourismus.[40]

Kritische Stellen bezweifeln jedoch, dass der wirtschaftliche Fortschritt des Tourismus auch bei der tibetischen Bevölkerung ankommt. So wurden z.B. im Jahr 2003 einhundert tibetische Reiseführer entlassen und durch chinesische ersetzt.[41] Durch fehlende Bildung bleiben die meisten Arbeitsplätze im touristischen Sektor für Tibeter unerreichbar. Tibetern, die im Exil ihre Ausbildung erhalten haben, bleiben Jobs als Reiseführer versagt.[42] Laut einer Schätzung waren im Jahr 1995 75 % der Geschäfte in Lhasa in chinesischem Besitz, sowie über 90% der Händler auf dem Gemüsemarkt chinesisch.[43]

Bergbau

Der Bergbau soll zum dritten Standbein in der tibetischen Wirtschaft werden. Bisher steckt er zwar noch in den Kinderschuhen, er wird aber inzwischen zielstrebig entwickelt. Tibet hat Lagerstätten von Bodenschätzen wie: Chrom, Kupfer, Magnesit, Bor, Blei, Gold, Erdöl, Eisen, Lithium, Kaliumchlorid, Aluminium, Zink und anderes. Noch wird wenig gefördert, aber die Entwicklung des Abbaus ist ein Schwerpunkt des gegenwärtigen Fünfjahrplans der Regierung in Peking.[44] Im Januar 2007 meldete die Chinesische Regierung die Entdeckung von großen mineralischen Lagerstätten unter dem Tibetischen Hochland.[45] Die Lagerstätten sind nicht sehr weit von der Lhasa-Bahn entfernt und könnten die Vorkommen in China von Zink, Kupfer und Blei verdoppeln. Kritiker befürchten jedoch, dass der Abbau dieser Vorkommen das Ökosystem in Tibet schädigen könnte.[45]

Weitere Industriezweige

Die Grundstoff- und Baustoffindustrie gehören auch zu den derzeit besonders geförderten Industrien. Ein kleinerer Wirtschaftszweig sind traditionelle handwerkliche Produkte wie Teppiche, Pulu (manuell gewebter Wollstoff) und Kunsthandwerk.

Wirtschaftswachstum

Seit 1999 wird die wirtschaftliche Entwicklung Tibets im Rahmen des "Great Western Development Plan" unterstützt. Dieses Programm wurde geschaffen, um, nach den wirtschaftlichen Erfolgen der Küstenprovinzen, die wirtschaftlich zurückgebliebenen Gebiete im Westen Chinas in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung zu unterstützen. Ein wesentliches Element dieses Planes ist der Aufbau einer verbesserten Infrastruktur.[46]

Verkehr

Der Friendship Highway, die Hauptstraße zwischen Nepal und Lhasa, im August 2005

Im Autonomen Gebiet Tibets gibt es inzwischen über 20000 km an Landstraßen. Trotzdem sind noch über ein Drittel aller Dörfer nicht an eine Straße angeschlossen. Im Fernverkehr Tibets gibt es in Nord-Süd-Richtung zwei Fernstraßen, darunter die Qinghai-Tibet-Straße. In Ost-West-Richtung gibt es drei Fernstraßen, darunter die Sichuan-Tibet-Straße.[47]

Ab 2001 wurde von Golmud an der Nordgrenze Tibets nach Lhasa eine Eisenbahn, die Lhasa-Bahn gebaut, die am 1. Juli 2006 ihre Jungfernfahrt hatte. Sie ist die bisher (Stand 2007) höchste Eisenbahn der Welt mit Fahrt über einen Pass von 5.072 m über NN, wurde teilweise auf Permafrostboden gebaut und führt durch Erdbebengebiete. Die Bahn erschließt erstmalig Tibet durch Schienenverkehr.

Internationale Flughäfen sind der Flughafen Bangda, der Flughafen Linzhi und der Flughafen Lhasa.

Ökologie

In den 1950er-Jahren begann ein großer Kahlschlag in Tibets Wäldern vor allem im Osten des Landes. Unzählige Transporte mit tibetischem Holz verließen die Regionen meist in Richtung Zentralchina. Die Folgen sind in Tibet, wie auch in anderen vergleichbaren Regionen weltweit, eine hohe Erosion im Hochgebirge einhergehend mit Erdrutschen und erhöhtem Steinschlag, sowie einem Ansteigen der Wasserstände der Flüsse, was zu Überschwemmungen führt.[48] Um weitere Umweltschäden zu vermeiden wurde im Autonomen Gebiet Tibet von 1990 bis 2002 die Einschlagsmenge von Holz von 210.000m³ auf 50.000m³ reduziert. Gleichzeitig wurde und wird weiterhin ein großangelegtes Aufforstprogramm durchgeführt.[49]

Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Bevölkerungsentwicklung Tibets. Die Bevölkerung hat sich im letzten halben Jahrhundert mehr als verdoppelt und im Rahmen eines aufkommenden Wohlstands hat sich, nach offiziellen chinesischen Quellen, die Fleischproduktion Tibets von 1978 bis 2003 vervierfacht.[50] Damit hat sich aber auch die Anzahl der Tiere der Nomaden auf den Steppen vervierfacht. Grundlage einer ökologisch verträglichen Viehwirtschaft der tibetischen Nomaden ist aber ausreichend Weidefläche, die in Tibet räumlich jedoch nicht weiter ausgedehnt werden kann. Es entsteht Weidekonkurrenz und Überweidung. Ohne die falsche Politik der 1970er- und 1980er-Jahre der Überweidung und teilweisen Verwüstung wären die Probleme etwas kleiner, dies löst die aktuellen Probleme aber auch nicht.[51]

Verschärft wird die Weidekonkurrenz noch dadurch, dass, nach klassischer nomadischer Handlungsweise, die Haushalte Wert darauf legen, möglichst große Herden zu besitzen. Sie glauben nicht, dass es so etwas wie „zu viele Tiere“ gibt. Viele Tiere bezeugen Wohlstand und gelten als Absicherung für schlechte Jahre – die sich inzwischen häufen.

All dies verschärft den Druck auf die Steppenlandschaft, deren Qualität in den letzten Jahrzehnten bereits teilweise schwer gelitten hat. Für Nomaden müssen unbedingt neue Lebenschancen in den größeren Gemeinden und Städten geschaffen werden, um Menschen aus den Steppen abzuziehen und dadurch die Steppen zu entlasten.[33]

Durch den Druck auf die Steppenlandschaft hat sich auch die Vegetation an den Oberläufen vieler Flüsse in großem Maß reduziert. Bodenerosion und Umweltzerstörung werden immer kritischer. Aus diesem Grund beschloss die Zentralregierung Chinas, von 2000 an 103,5 Milliarden Yuan zu investieren, um die natürlichen Wälder im Gebiet am Oberlauf des Yangtse und am Ober- und Mittellauf des Gelben Flusses, das 13 Provinzen und 770 Kreise umfasst, zu schützen.[52]

Arbeitsplätze

Im folgenden wird die Anzahl der Arbeitsplätze im Autonomen Gebiet Tibet, aufgeschlüsselt in die verschiedenen Wirtschaftsbereiche, aufgelistet. Man erkennt die ungebrochene Dominanz der Landwirtschaft und Viehzucht und das weitgehende Fehlen von Arbeitsplätzen in Industrie und Handwerk.

Zahl der Beschäftigten in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen im AGT[53]
Einheit: 10000 Menschen
Jahr 1985 1990 2000 2003
Gesamtzahl der Beschäftigten 105,72 107,88 124,18 132,81
Anzahl der Beschäftigten aufgeteilt in Wirtschaftsbereiche
Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Viehzucht und
Fischerei
85,58 87,08 90,98 85,14
Bergbau und Steinbruch 0,47 0,41 0,35 2,22
Herstellungsindustrie 1,92 1,60 2,87 1,56
Strom-, Gas- , Wasserversorgung, Transport und
Telekommunikation
2,81 3,71 3,88 4,31
Bauwesen 1,99 1,67 3,56 7,90
Forschung und technische Dienste 0,35 0,37 0,23 0,53
Groß- und Einzelhandel 3,65 3,31 7,33 7,25
Bank- und Versicherungswesen 0,35 0,34 0,62 0,62
Soziales, Gesundheitswesen, Bildung und
Kultur
3,89 4,15 5,46 13,67
Öffentliche Verwaltung 3,38 4,23 5,73 6,16

Literatur

Deutsch

  • Jürgen C. Aschoff: Tibet, Nepal und der Kulturraum des Himalaya (mit Ladakh, Sikkim und Bhutan). Kommentierte Bibliographie deutschsprachiger Bücher von 1627 bis 1990 (Aufsätze bis zum Jahre 1900). Garuda Verlag, Dietikon/Schweiz 1992, ISBN 3-906139-07-7
  • Karl-Heinz Everding: Tibet. Lamaistische Klosterkultur, nomadische Lebensweise und bäuerlicher Alltag auf dem Dach der Welt. 5. Auflage. DuMont Verlag 2009. ISBN 3-7701-4803-7.
  • Melvyn C. Goldstein & Cynthia M. Beall: Die Nomaden Westtibets. DA-Verlag, Nürnberg 1991, ISBN 3-922619-11-8
  • Tenzin Choedrak: Der Palast des Regenbogens. 3. Auflage. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-458-16972-5
  • Andreas Gruschke: Tibet, Weites Land auf dem Dach der Welt. Schillinger Verlag, Freiburg 1993, ISBN 3-89155-144-4
  • Stephan Haas: Die Tibetfrage – Eine Analyse der Gründe und der Rechtmäßigkeit des chinesischen Einmarsches in Tibet 1950/51. Lit Verl., Münster 1997, ISBN 3-8258-2872-7
  • Heinrich Harrer: Sieben Jahre in Tibet – Mein Leben am Hofe des Dalai Lama. Ullstein, Berlin, 1953, ISBN 3-548-35753-9
  • Michael Henss: Tibet. Die Kulturdenkmäler. Atlantis Verlag, Zürich 1981, ISBN 3-7611-0626-2
  • Catherine Hool: Die chinesische Tibetpolitik. Verlag Peter Lang, Bern 1989, ISBN 3-261-03981-7
  • Wulf Köpke & Bernd Schmelz (Hg.): Die Welt des Tibetischen Buddhismus. Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde Hamburg, Neue Folge, Band 34, Hamburg 2005, ISBN 3-9809222-4-3
  • Karénina Kollmar-Paulenz: Kleine Geschichte Tibets. Verlag C.H.Beck, München 2006, ISBN 3-406-54100-3
  • Karl-Heinz Golzio, Pietro Bandini: Die vierzehn Wiedergeburten des Dalai Lama. O. W. Barth Bei Scherz, 2002, ISBN 3-502-61002-9
  • Peter-Hannes Lehmann und Jay Ullal: Tibet, das stille Drama auf dem Dach der Erde. 7. Auflage. Gruner und Jahr, Hamburg 2000, ISBN 3-570-01721-4
  • Klemens Ludwig: Tibet. Eine Länderkunde. Beck, München 2000, ISBN 3-406-46224-3
  • Bruno J. Richtsfeld (Hg.): August Hermann Franckes (1870-1930) Bearbeitung der Serindien- und Ladakh-Sammlung Francke/Körber im Völkerkundemuseum München aus dem Jahre 1928. Die Serindien-Sammlung des Staatlichen Museums für Völkerkunde München I. In: Münchner Beiträge zur Völkerkunde 14, 2010/2011, S. 65-128. ISBN 978-3-927270-63-3
  • Gerald Schmitz: Tibet und das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Gruyter, Berlin 1998, ISBN 3-11-016109-5
  • Giuseppe Tucci: Die Religionen Tibets. in: G. Tucci & W. Heissig: Die Religionen Tibets und der Mongolei. Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1970, pp. 5–295, ISBN 3-17-071152-0
  • Thomas Weyrauch: Gepeinigter Drache – Chinas Menschenrechte im Spätstadium der KP-Herrschaft. 2. Aufl., Longtai-Verlag, Heuchelheim 2006, ISBN 3-938946-00-8
  • Alan Winnington: Tibet. Die wahre Geschichte. Verlag Das neue Berlin, 2008, ISBN 978-3-360-01955-4.
  • Gerhardt W. Schuster: Das Alte Tibet: Geheimnisse und Mysterien, Insel Verlag, Frankfurt 2002, ISBN 3-458-34505-1
  • Birgit Zotz: Destination Tibet. Touristisches Image zwischen Politik und Klischee. Hamburg 2010 ISBN 978-3-8300-4948-7

Englisch

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  • Christopher Beckwith: The Tibetan Empire in Central Asia. A History of the Struggle for Great Power among Tibetans, Turks, Arabs, Chinese during the Early Middle Ages. Princeton University Press, Princeton-New Jersey 1987, ISBN 0-691-02469-3
  • Victor Chan: Tibet Handbook. Avalon Travel Publishing, California 1994, ISBN 0-918373-90-5 (A Pilgrimage Guide)
  • Dung-Dkar Blo-Bzang Phrin-Las: The Merging of Religious and Secular Rule of Tibet. Foreign Languages Press, Beijing 1993, ISBN 7-119-00672-X.
  • A. Tom Grunfeld: The Making of Modern Tibet. University of California Press, London-Delhi 1987, ISBN 0-520-21951-1
  • Jin Hui: Social History of Tibet, China: Documented and Illustrated. Intercontinental Press, Beijing 1995, ISBN 7-80113-022-7
  • Wáng Jiāwěi 王家伟, Nyima Gyaincain (Nyi-ma rGyal-mtshan / Nímǎ Jiānzàn 尼玛坚赞): The historical status of China's Tibet (Zhōngguó Xīzàng de lìshǐ dìwèi 中国西藏的历史地位), Beijing, China Intercontinental Press / Wǔzhōu chuánbō chūbǎnshè 北京五洲传播出版社 2003, ISBN 7-80113-304-8
  • Michael van Walt van Praag: The Status of Tibet. History, Rights and Prospects in International Law. Wisdom Publications, 1987, ISBN 0-86171-070-3
  • Geoffrey Samuel: Civilized Shamans. Buddhism in Tibetan Societies. Smithsonian Books, Washington, D.C./ London 1993, ISBN 1-56098-620-4
  • David Snellgrove & Hugh Richardson: A Cultural History of Tibet. 3. Auflage. Orchid Press, 2004, ISBN 974-524-033-8
  • Tsering Shakya: The Dragon in the Land of Snows: A History of Modern Tibet since 1947. Penguin Compass, New York 2000, ISBN 0-14-019615-3
  • Zhang Tianlu: Population Development in Tibet and Related Issues. Foreign Languages Press, Beijing 1997, ISBN 7-119-01867-1
  • Zheng Shan: A History of Development of Tibet. Foreign Languages Press, Beijing 2000, ISBN 7-119-01865-5

Siehe auch

 Portal:Tibet – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Tibet

Weblinks

 Commons: Tibet – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikibooks Wikibooks: Tibet – Lern- und Lehrmaterialien

Exiltibetische Gruppen und Menschenrechte

Chinesische Regierung

Fachartikel

Karten / Fotos

Einzelnachweise

  1. Department of Population, Social, Science and Technology Statistics of the National Bureau of Statistics of China (国家统计局人口和社会科技统计司) und Department of Economic Development of the State Ethnic Affairs Commission of China (国家民族事务委员会经济发展司), eds. Tabulation on Nationalities of 2000 Population Census of China (《2000年人口普查中国民族人口资料》). 2 vols. Beijing: Nationalities Publishing House (民族出版社), 2003. (ISBN 7-105-05425-5)
  2. The Government of Tibet in Exile: Population transfer and control. 2. Feb. 1996
  3. The Government of Tibet in Exile: Tibet in Exile at a Glance. Based on Tibetan Demographic Survey of 1998, Planning Council, Dharamsala
  4. Tibet – Die Geschichte meines Landes. Der Dalai Lama im Gespräch mit Thomas Laird, Scherz-Verlag, ISBN 978-3-502-15000-8
  5. thdl.org: The Periodization of Tibetan History: General Chronology
  6. Tibet Justice Center: Proclamation Issued by His Holiness the Dalai Lama XIII. 1913 (engl.)
  7. The Government of Tibet in Exile: National Uprising. 1996 (Engl.)
  8. FAZ, 10. März 2011: 10. März 1959. Volksaufstand gegen China in Tibet. "Für den 10. März 1959 wurde der Dalai Lama ungewöhnlicherweise zu einer Theateraufführung beim Hauptquartier der chinesischen Volksbefreiungsarmee außerhalb der Hauptstadt Lhasa eingeladen. Teile der tibetischen Bevölkerung befürchteten, dass der Dalai Lama entführt werden sollte. Am 10. März versammelten sich etwa 300.000 Tibeter an seiner Residenz, um ihn an dem Besuch der Theateraufführung zu hindern. Danach brachen bewaffnete Auseinandersetzungen aus. Die Tibeter waren stark unterlegen und schlecht bewaffnet. Deshalb waren die Kampfhandlungen nach zwei Tagen beendet. Auf tibetischer Seite gab es 86.000 Tote. Der Dalai Lama floh ins Exil."
  9. Th. Heberer: Peking erlässt die „Verwaltungsmethode zur Reinkarnation eines Lebenden Buddhas im tibetischen Buddhismus“. Analyse vor dem allgemeinen Hintergrund der Tibet-Frage. Zeitschrift für Chinesisches Recht, Heft 1/2008[1]
  10. Heftige Unruhen in Tibet, Indien und Nepal: [2]
  11. Diercke Schulatlas, George Westermann Verlag, 1914, Seite 26-27. Jedoch die undatierte 74. Auflage dieses Atlas-Werkes (S. 34-35) zeigt Tibet, inklusive der heutigen chinesischen Provinzen Qinghai und Gansu sowie Gebieten von Westsichuan und Yünnan als selbständigen Staat.
  12. Jamyang Norbu: Independent Tibet: Some facts. Rangzen Alliance, 25. Februar 2009
  13. Tibet Justice Center: Five Point Peace Plan. 21. Sep. 1987 (engl.)
  14. Mathias Bölinger: China und Tibet - Eine Chronik, Deutsche Welle, 6. März 2009
  15. John Powers: History as propaganda: Tibetan exiles versus the People's Republic of China. Oxford University Press, 2004, S. 31ff
  16. Westliche Politiker übersehen die Geschichte von Tibet. Bericht zur Pressekonferenz anlässlich der 3. Tagung des Nationalen Volkskongresses. China Internet Information Center, 4. März 2010 (deutsche Übersetzung)
  17. DTV-Lexikon in 20 Bänden, April 1974, ISBN 3-423-03070-4
  18. In March 1959, the Chinese government dissolved the aristocratic local government of Tibet and freed more than 1 million serfs. Pressemitteilung der chinesischen Botschaft in den USA
  19. Geschichte Tibets - Die friedliche Befreiung Tibets 1951. China Internet Information Center (deutsche Übersetzung)
  20. a b ICJ Report on Tibet von 1960
  21. In allen Fällen, in denen die Bundesregierung eine Region als Teil eines Staates anerkannte, erkannte sie grundsätzlich keine Exilregierungen dieser Region an.
  22. Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Fachbereich II, Nr. WF II – 163/87 vom 12. August 1987
  23. a b „Die Menschenrechtssituation in Tibet verbessern“, Resolution des deutschen Bundestages, 1996, Bundestagsdrucksache 13/4445 23. April 1996
  24. Fischer zu Tibets Status auf tibet-initiative.de: Die deutsche Tibetpolitik
  25. Tibet Justice Center: European Parliament: Resolutions on Tibet
  26. Tibet Justice Center: European Parliament Motion on Tibet. 1992 (engl.)
  27. Tibet Justice Center: Congressional Concurrent Resolution. 1991 (engl.)
  28. http://www.president.gov.tw/en/prog/news_release/print.php?id=1105499543
  29. Tibet Museum in Lhasa
  30. Tibet Museum in Dharamsala
  31. Namgyal Institute of Tibetology
  32. Offizielles Portal der Chinesischen Regierung: Bevölkerungspolitik, 2005
  33. a b Andreas Gruschke: Nomaden ohne Weide?, Eurasisches Magazin, 2006
  34. Volksblatt von Liechtenstein: 100 000 tibetische Nomaden sollen in Städte umgesiedelt werden, Oktober 2007
  35. Offizielles Portal der Chinesischen Regierung: Tourismus, 2005
  36. Zugverbindung zwischen Lhasa und Peking [3]
  37. Botschaft der VR China in der BRD
  38. Schutz des Potala[4]Radio China, Juli 2007
  39. Lhasa als TouristenortCRI, 24. März 2009
  40. China Radio International: Tausende Bauern und Hirten in Tibet im Tourismus beschäftigt, 2005.
  41. International Campaign for Tibet: Tibeter in der Tourismus-Industrie der TAR werden immer schärfer kontrolliert, 2003
  42. Tibet: A Human Development and Environment Report Chapter7: Tourism and Tibetan Culture, 2007
  43. Tibet: A Human Development and Environment Report Chapter3: Unemployment and Social Exclusion, 2007
  44. Offizielles Portal der Chinesischen Regierung: Industrie und Bauwesen, 2005
  45. a b Wertvolle Rohstoffvorkommen entlang der Lhasa-Bahn gefunden, 2007
  46. Official China Development Gateway: Introduction to the Implementation of the Great Western Development Strategy in China, 200
  47. Botschaft der Volksrepublik China in der Schweiz: Landstraße zum Glück, 2004
  48. Tibet Initiative Deutschland e.V.: Umweltreport Tibet 2000, 2000
  49. Offizielles Portal der Chinesischen Regierung: Schutz von Naturwaldressourcen, 2005
  50. Tibet: Fakten und Zahlen[5]
  51. Georg Miehe / Sabine Miehe: Heilige Wälder in Tibet, Uni Marburg
  52. Botschaft der Volksrepublik China in der Schweiz: Fragen und Antworten zu Tibet, 2004
  53. Beschäftigung in Tibet Tibet: Fakten und Zahlen, 2005

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