Katathym-Imaginative Psychotherapie

Katathym-Imaginative Psychotherapie

Die Katathym Imaginative Psychotherapie (KIP) ist ein von Hanscarl Leuner 1954 eingeführtes tiefenpsychologisch fundiertes Verfahren, das anfänglich unter den synonymen Begriffen „Katathymes Bilderleben“ (KB) und „Symboldrama“ bekannt wurde. Heute heißt es im offiziellen Sprachgebrauch „Katathym Imaginative Psychotherapie“ (KIP).

Die therapeutische Praxis beruht auf der Anregung zu bildlichen Vorstellungen (Imaginationen), für die Leuner eine Anzahl von feststehenden Motiven (zum Beispiel Blume, Haus, Weg) entwickelt hatte. Zwar werden Imaginationen in etlichen Psychotherapiemethoden verwendet, die KIP jedoch systematisiert ihre Anwendung am stärksten. Und es wird eine eigenständige Psychotherapieausbildung für diese Methode angeboten von der Arbeitsgemeinschaft für katathymes Bilderleben und Imagination in der Psychotherapie AGKB in Göttingen. Die KIP darf in Deutschland im Rahmen der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie auch als Krankenkassenleistung durchgeführt werden. Die "Katathym Imaginative Psychotherapie" bietet außer dem verbalen Verfahren auch eine Förderung und Anregung der Symbolisierungsprozesse an. Dies ist eine Voraussetzung für Änderungen der Persönlichkeitsstruktur.

Mit der KIP ist sowohl jene spezielle, emotionsnah gestaltete Imagination angesprochen, auf der das Verfahren basiert, als auch deren Einbindung in einen psychotherapeutischen Prozess. In diesem Sinne ist die KIP als ein ausdifferenziertes methodisches Vorgehen zur Handhabung der Tagtraumtechnik zu definieren, das auf dem theoretischen Fundament der Psychoanalyse aufgebaut ist und deren wesentliche Parameter wie Übertragung und Gegenübertragung, dynamisches Unbewusstes und Widerstand berücksichtigt werden, symbolischen Prozessen besondere Aufmerksamkeit widmet und dabei der Arbeit mit Imaginationen in Form von Tagträumen einen essentiellen Stellenwert einräumt.

Im Unterschied zu Visualisierungstechniken anderer Methoden zeichnen sich die katathymen Imaginationen dadurch aus, dass sie nicht nur optische Eindrücke plastisch vor Augen führen, sondern grundsätzlich alle Sinnesmodalitäten umfassen und sich in Handlungsvollzügen von Tagtraumcharakter entfalten. Das Beiwort „katathym“ soll deutlich machen, dass diese Vorstellungen „aus dem Gefühl heraus“, also nicht willentlich gesteuert werden. Für den Umgang mit diesen hält die KIP eine Vielzahl lehr- und lernbarer therapeutischer Interventionen bereit. Die Methode wird in eine Grund-, Mittel und Oberstufe eingeteilt.Zu jeder Stufe werden eine Reihe von Standardmotiven und spezifischen Vorgehensweisen angegeben, die in mittlerweile fünf Jahrzehnten beständig ausdifferenziert und weiterentwickelt wurden. Zur Grundstufe gehören Motive wie zum Beispiel Wiese, Bach, und Berg. Bei der Mittelstufe werden Motive wie zum Beispiel Löwe und Auto angewendet und bei der Oberstufe Motive wie zum Beispiel Höhle und Vulkan. Durch vorherige Entspannung des Körpers, welche durch den Therapeuten angeleitet wird, kommt es zu einer kontrollierten Regression und Lockerung der Abwehr.

Auf der Bildebene des Tagtraums kommen neben der aktuellen Befindlichkeit des Patienten u.a. seine Wesenszüge, Verhaltenseigentümlichkeiten, Ressourcen, Motivationsstrukturen und zentralen unbewussten Beziehungskonflikte symbolisch zur Darstellung. Darüber hinaus verbildlichen sich immer wieder auch die als „Übertragung“ bezeichneten unbewussten Vorstellungen über die therapeutische Beziehung und jene Erfahrungen mit anderen Menschen, die als so genannte „Repräsentanzen“ ihren innerseelischen Niederschlag gefunden haben.

Die kognitiven und affektiven Inhalte des Tagtraumgeschehens können unter diagnostischen Gesichtspunkten verstanden und therapeutisch aufgegriffen werden, um sie von bewusstseinsnahen Oberflächenschichten her langsam und vorsichtig in die Tiefe unbewussten seelischen Geschehens zu verfolgen.

In der Traumatherapie bezieht die KIP die Arbeit mit dem Inneren Kind in die Behandlung ein. Es werden Imaginationen angeleitet, das innere Kind an einen sicheren, guten Ort zu bringen und von imaginären Helferwesen versorgen zu lassen.[1]

Neben der Behandlung neurotischer Störungen hat sich das Spektrum der Indikationen auch auf andere psychogene Erkrankungen (strukturelle Ich-Störungen, posttraumatische Belastungsstörungen etc.) erweitert. Für psychosomatische Erkrankungen hält das Verfahren schonende und effektive Behandlungsansätze bereit. Neben der Einzeltherapie (mit besonderen Möglichkeiten der Fokaltherapie) eignet sich die Tagtraumtechnik auch für die Paar-, Familien- und Gruppentherapie sowie für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen.

Inhaltsverzeichnis

Motive

Kottje-Birnbacher beschreibt einige Standardmotive, die in der Katathym-imaginativen Psychotherapie Anwendung finden genauer und geht auf ihre Beutung ein. Hier soll auf die Motive „Wiese“ und „Berg“ eingegangen werden.

Wiese: Bei dem Motiv der Wiese wird die momentane Stimmung des Patienten und seine habituelle Art, an die Welt heranzugehen, gezeigt. Die Charakterisierung seiner momentanen Stimmung geschieht durch die Üppigkeit oder Kargheit, Weite oder Begrenztheit der Wiese, durch das Wetter und die Jahreszeit im vorgestellten Bild. Die Handlungen, die der Patient in seiner Vorstellung ausübt, zeigen seine übliche Herangehensweise an die Welt. Manche Patienten machen es sich gemütlich, andere wollen etwas erleben, ein anderer weiß nicht recht, was er machen soll oder will usw. Bäume, Tiere oder Menschen können Selbst- und Objektrepräsentanzen symbolisieren. Ebenso kann der Patient in seine Vergangenheit zurückreisen, sich wieder wie ein Kind fühlen und lang vergessene Gefühle wieder beleben.

Berg: der Berg mit seinen Höhen und Formen, kann Einblick in das Anspruchsniveau des Patienten geben. Narzisstische Persönlichkeiten neigen beispielsweise dazu eindrucksvolle, unbesteigbare Hochgebirge zu kreieren, wo hingegen depressive Persönlichkeiten sich meist uninteressante kleine Hügel vorstellen. Das Motiv des Berges kann ebenso den Umgang mit Leistungsaufgaben erforschen, indem der Patient aufgefordert wird den Berg zu besteigen. Der Patient kann z. B. der Aufgabe ausweichen und sich sofort auf den Gipfel des Berges sehen oder er betrachtet den Aufstieg als nicht lohnend. Ebenso die Erwartung an den Aufstieg kann aufschlussreich sein – ist der Weg leicht oder mühevoll zu bewältigen? Gibt es Hindernisse? Wenn ja, wie bewältigt er diese? Sind sie unüberwindbar oder geht der Patient ehrgeizig an diese Herausforderung heran? Überschätzt er sich vielleicht selbst? Ebenso ist es interessant zu beobachten, wie es dem Patienten geht, wenn er sein Ziel, den Gipfel, erreicht hat – ist er befriedigt, erschöpft oder einsam? Wie ist der Rundblick?

Literatur

Hanscarl Leuner: Katathym-imaginative Psychotherapie (KiP). Hrsg., Fortgeführt von Eberhard Wilke. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2005, 6. Auflage. ISBN 3-13-464406-1

Kottje-Birnbacher L. (2001)1: Einführung in die katathym-imaginative Psychotherapie. In: Imagonation / Österreichische Gesellschaft für Angewandte Tiefenpsychologie und Allgemeine Psychotherapie (ÖGATAP). 23.Jahrg., Nr. 4/2001. Wien: Facultas-Univ.-Verl.

Einzelnachweise

  1. Das Modell des verletzten Inneren Kindes in der Traumatherapie (PDF; 200 kB)

Weblinks

siehe auch


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