Psycholytische Psychotherapie

Psycholytische Psychotherapie

Psycholytische Psychotherapie oder Psycholytische Therapie bezeichnet ein politisch umstrittenes und vom wissenschaftlichen Mainstream abgelehntes Behandlungsverfahren. Eine aktuelle Selbstbezeichnung ist auch Substanz-unterstützte Psychotherapie.[1][2][3] Das Verfahren nutzt die bewusstseinsverändernden Eigenschaften bestimmter Substanzen (psychotrope Substanzen) zur Unterstützung psychotherapeutischer Behandlungen. Nach einem Verbot vieler solcher Substanzen Ende der 1960er Jahre wurde die wissenschaftliche Erforschung Ende der 1980er Jahre unter restriktiven Bedingungen wieder aufgenommen[4]. Außerhalb solcher Forschungsprojekte erfolgt die praktische Anwendung im Untergrund, d.h. mit nicht legal gehandelten psychotropen Substanzen[5].

Dabei werden Stoffe aus der Gruppe der Psychedelika, z.B. LSD, Psilocybin, Mescalin und Ketamin, sowie der Empathogene wie beispielsweise MDMA („Ecstasy“), verwendet.[6] Diese Substanzen haben eine bewusstseinsverändernde Wirkung, aber kein bzw. wenig substanzeigenes Abhängigkeitspotenzial.[7] [8] Sie werden aufgrund ihrer Eigenschaften, psychisches Erleben zu intensivieren und umzustrukturieren, auch als „psycholytische“ („seelenlösende“) oder „psychedelische“ („den Geist offenbarende“) Stoffe bezeichnet. Dem „psycholytischen“ Ansatz zufolge verändern solche Substanzen die dynamische Beziehung zwischen bewussten und unbewussten Teilen der Persönlichkeit. So sollen zu rigide Abwehrstrukturen gelockert und die Integration abgespaltener und verdrängter Persönlichkeitsanteile und Erfahrungen erleichtert werden.[9] Eine mögliche Wirkung sei auch eine spirituelle Erfahrung, die zum Beispiel todkranken Patienten helfen könne, ihre Lebenssituation in einen größeren Sinnzusammenhang zu stellen und „inneren Frieden“ zu finden.[10]

Inhaltsverzeichnis

Rechtliche Situation

In vielen Staaten sind nach der Konvention über psychotrope Substanzen 1971 viele Substanzen stark reglementiert und werden in Deutschland nach dem Betäubungsmittelgesetz BtMG „nicht verkehrsfähig (BtMG Anlage 1)“ oder „verkehrs- aber nicht verschreibungsfähig (BtMG Anlage 2)“ behandelt. Nach zwei Todesfällen im September 2009 bei psycholytischer Psychotherapie, nachdem durch einen ärztlichen Psychotherapeuten offensichtlich bzw. zugegebenermaßen Betäubungsmittel (nach juristischer Definition nach Betäubungsmittelgesetz BtMG) oder andere Substanzen nach Betäubungsmittelgesetz BtMG "verkehrs- und verschreibungsfähig (BtMG Anlage 3)" eingesetzt wurden, warnte die zuständige Ärztekammer eindringlich davor, „nicht verkehrsfähige“ oder „nicht verschreibungsfähige nach BtMG Anlagen 1-2“ Substanzen einzusetzen. Die Psycholytische Therapie sei in Deutschland zwar nicht als solche illegal. Der ärztliche Psychotherapeut handele aber rechtswidrig, wenn er während der Therapie illegale Substanzen wie LSD, Heroin oder Ecstasy (z.B. MDMA) einsetze.[11]

In den Jahren 1988 bis 1993 erhielten mehrere Mitglieder sowie auch der Gründer Peter Baumann der Schweizerischen Ärztegesellschaft für Psycholytische Therapie eine Ausnahmebewilligung für Psychotherapien unter der Gabe von MDMA und LSD.[12]

Literatur

  • Henrik Jungaberle, Peter Gasser, Jan Weinhold (Hrsg.): Therapie mit psychoaktiven Substanzen - Praxis und Kritik der Psychotherapie mit LSD, Psilocybin und MDMA, Verlag Hans Huber, 2008, ISBN 3456846061
  • Torsten Passie: Psycholytic and Psychedelic Therapy Research 1931-1995: A Complete international Bibliography. online
  • Ben Sessa: Can psychedelics have a role in psychiatry once again?, The British Journal of Psychiatry (2005) 186: 457-458. PMID 15928353 (Abstract), [1](Volltext)
  • Claudia Möckel Graber: Eintritt in heilende Bewusstseinszustände - Grundlagen zur psycholytischen Praxis, Nachtschatten Verlag, 2010, ISBN 978-3-03788-200-9

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Therapie mit psychoaktiven Substanzen - Praxis und Kritik der Psychotherapie mit LSD, Psilocybin und MDMA ISBN 3456846061 ISBN 9783456846064
  2. http://www.drogen-info-berlin.de/htm/psycholytische-therapie.html
  3. http://www.samuel-widmer.ch/html/index.php?id=113
  4. http://bjp.rcpsych.org/cgi/content/full/186/6/457
  5. http://www.bz-berlin.de/archiv/hunderte-berliner-sind-in-verbotener-lsd-therapie-article593398.html
  6. Jungaberle et al., 2009
  7. Schmidtbauer et al., 2003
  8. Pressemitteilung der University of Bristol: New „matrix of harm“ for drugs of abuse. Pressemitteilung der University of Bristol. 23. März 2007
  9. http://oe1.orf.at/109346.html
  10. Infobroschüre LSD-unterstützte Psychotherapie
  11. Warnung vor der Einnahme von Drogen im Rahmen der Psychotherapie, Stellungnahme der Berliner Ärztekammer, Berliner Ärzte 11/2009, 12 (PDF-Dokument; 819 kB)
  12. http://saept.ch/index.php?option=com_content&task=view&id=3&Itemid=4
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