Kindbettfieber

Kindbettfieber
Klassifikation nach ICD-10
O85 Puerperalfieber
Kindbettfieber
O86 Sonstige Wochenbettinfektionen
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Das Kindbettfieber (andere Bezeichnungen sind Wochenbett- und Puerperalfieber) ist eine Infektionskrankheit, die nach einer Entbindung während des Wochenbettes oder nach einer Fehlgeburt auftreten kann, insbesondere auch im Falle einer unvollständigen Nachgeburt. Erreger dieser Infektion können Staphylokokken, Streptokokken, Escherichia coli, Neisseria gonorrhoeae und diverse Anaerobier sein. Sie dringen durch die große Wundfläche in der Gebärmutter, die durch Ablösung der Plazenta entstanden ist, in den Körper und die Blutbahn ein. Der Muttermund ist in den Tagen nach der Geburt noch klaffend geöffnet, so dass eine direkte Verbindung zwischen der Gebärmutter und der Scheide besteht. Auch bei guten hygienischen Bedingungen können Keime so leicht in die Gebärmutter aufsteigen. Sie finden dort eine warme, nährstoffreiche Umgebung vor, in der sie sich stark vermehren. Normalerweise werden die Bakterien über den Wochenfluss hinaustransportiert. Sind die Nachwehen und der Wochenfluss jedoch schwach, kann es zur Infektion kommen.

Die Erkrankung äußert sich durch erhöhte Temperatur oder Fieber, Druckschmerzen im Unterleib, übelriechenden Wochenfluss und eventuell Blutungen. Eine Verschlechterung macht sich durch Abwehrspannung im gesamten Unterbauch, Übelkeit und Erbrechen sowie Schocksymptome, wie Unruhe, starke Puls- und Atembeschleunigung und Blutdruckabfall, bemerkbar.

Die Folgen sind Entzündungen des Bauchfells, der Gebärmutterschleimhaut und weiterer Organe, die mit starken Fieberanfällen einhergehen und ohne wirksame Behandlung in den meisten Fällen innerhalb weniger Wochen bis zu Sepsis („Blutvergiftung“) und zum Tod führen.

Der oft sehr schmerzhaften Entzündung der Gebärmutter wird auf zweierlei Weise begegnet. Gegen die Bakterien werden Antibiotika verordnet, die Rückbildung der Gebärmutter wird mit dem Mutterkornalkaloid Methylergometrin (Methergin®) unterstützt. Die Infektion heilt meist folgenlos aus. Die Häufigkeit des Kindbettfiebers ist durch die Antibiotikatherapie und die besseren hygienischen Verhältnisse gegenüber früheren Zeiten deutlich gesenkt worden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Beim jahrhundertelang üblichen traditionellen Ablauf der Entbindung (Hausgeburt, Betreuung durch Hebammen) trat Kindbettfieber relativ selten auf. Erst seitdem in den Krankenhäusern der europäischen Großstädte Gebäranstalten gegründet wurden (zum Beispiel im Hôtel-Dieu im Paris des 17. Jahrhunderts) und auch Ärzte als Entbindungshelfer tätig wurden, wurde Kindbettfieber zu einer häufigen und gefürchteten Folgeerscheinung der Geburt. Vor allem die Ärzte kamen in Berührung mit anderen Kranken und mit Leichen; da die Notwendigkeit einer wirksamen Desinfektion unbekannt war, verschleppten sie an ihren Händen und Instrumenten Keime in die Geburtswege der Frauen. In manchen Anstalten starben zeitweise zwei Drittel aller Wöchnerinnen durch diese iatrogene Infektion. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts erkannte Ignaz Semmelweis die schlechten hygienischen Zustände (insbesondere auch in den Krankenhäusern) sowie mangelhafte Sauberkeit und Desinfektion der Ärzte als Grund für die Krankheit.[1] Semmelweis untersuchte Mitte der 1840er Jahre, weshalb am Wiener Allgemeinen Krankenhaus in der ersten Geburtshilflichen Station zehnmal soviele Frauen am Kindbettfieber starben als in der zweiten Station. Durch ein Ausschlussverfahren gelangte er zur Erkenntnis:

„Die unbekannte Ursache, welche so entsetzliche Verheerungen anrichtete, war demnach in den an der Hand klebenden Cadavertheilen der Untersuchenden an der ersten Gebärklinik gefunden.“

Ignaz Semmelweis[2]

Doch selbst Koryphäen wie Rudolf Virchow leugneten über Jahrzehnte die Zusammenhänge.[3] So ist noch in einem Lehrbuch von 1897 von bereits im Körper der Frau vorhandenen „Fremdstoffen“ die Rede, die durch den Geburtsvorgang zu „gären“ beginnen.[4]

Mythologie

Im alten Mesopotamien galt Lilith als Dämon des Kindbettfiebers.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Detaillierte Darstellung der Entdeckung von Semmelweis (als Beispiel eines hypothetisch-deduktiven Verfahrens): Føllesdal, Dagfinn; Lars Walløe; Jon Elster: Rationale Argumentation. Ein Grundkurs in Argumentations- und Wissenschaftstheorie. Walter de Gruyter, Berlin, New York, 1988, S.54–60
  2. Irene Meichsner: Kämpfer gegen das Kindbettfieber. In: Kalenderblatt (Rundfunksendung auf DLF). 22. März 2011, abgerufen am 22. März 2011.
  3. Semmelweis’ Kritik an Virchow
  4. Kuhne L, Frauenkrankheiten aller Art, deren Entstehung, Wesen und Heilung., in Neue Heilwissenschaft, Leipzig 1896, S.6.
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