Kolon (Rhetorik)

Kolon (Rhetorik)

Kolon, Plural: Kola (altgriechisch κῶλον kolon „Glied”) heißt die rhythmische Elementareinheit von einem oder mehreren Wörtern in Rede (Prosa) oder Vers.

Durch Zäsur (leichte Atempausen oder merkliche Einschnitte beim Sprechen) werden die Kola gebildet und bilden einen gliedernden Sprechtakt. In der ungebundenen Rede wird durch Kola die Periode gegliedert. Innerhalb eines Kolon können Kommata kleinste, unselbständige Sprechtakte abteilen. Somit steht das Kolon zwischen der übergeordneten Periode und den gänzlich unselbständigen, durch Kommata getrennten Gliedern.

Inhaltsverzeichnis

Kola in Rhetorik und Verslehre

Nach Lehre der antiken Rhetorik umfasst ein Kolon jeweils sieben bis sechzehn Silben.

In der Verslehre werden Einheiten bis zu sechs Versfüßen (meist mit einer Haupt- und mehreren Nebenhebungen) durch Kola gebildet. Länge oder Kürze der einzelnen Kola bedingt den Schwung, Fluss oder Nachdruck des Verses. Kolon-Formen, die in Rede (Prosa) oder Vers beherrschend ständig wiederkehren, werden rhythmisches Leitmotiv genannt.

Kolonlängen

In der Quantitativen Linguistik ebenso wie in der Quantitativen Stilistik wurde untersucht, ob die Häufigkeit, mit der Kola verschiedener Länge in Texten auftreten, sich als einem Sprachgesetz folgend erweisen lässt. Entsprechende Daten zu Marmontel, Rousseau und Voltaire stellt Knauer unter dem Begriff „rhythmische Gruppe“ bereit.[1] Für zwei Textausschnitte von Marmontel konnte eine gesetzmäßige Verteilung der Kolonlängen ebenso nachgewiesen werden wie für die beiden anderen Autoren.[2]

An die Kolonlängen in Puschkins „Pique Dame“ kann die verschobene Hyperpoisson-Verteilung angepasst werden:[3]

x
n(x)
NP(x)
3
1
1.14
4
2
3.57
5
9
7.51
6
12
11.89
7
14
15.06
8
16
15.91
9
14
14.42
10
13
11.44
11
10
8.07
12
5
5.12
13
3
2.96
14
1
2.92

Dabei ist x: Zahl der Silben pro Kolon, n(x) die beobachtete Zahl der Kola mit x Silben; NP(x) die Zahl der Kola mit x Silben, die berechnet wird, wenn man die verschobene Hyperpoisson-Verteilung an die beobachteten Daten anpasst. Ergebnis: die verschobene Hyperpoisson-Verteilung ist mit P = 0.96 ein sehr gutes Modell für die beobachteten Verhältnisse. (P kann höchstens den Wert 1.00 erreichen und wird als gut verstanden, wenn P ≥ 0.05 ist.) [4]

Literatur

  • Wolfgang Kayser: Das sprachliche Kunstwerk. Eine Einführung in die Literaturwissenschaft. 11. Auflage. Francke, Bern/ München 1965.
  • Heinrich Lausberg: Elemente der literarischen Rhetorik. 6. Auflage. Hueber, München 1979. ISBN 3-19-006508-X
  • Adolf DuMesnil: Begriff der drei Kunstformen der Rede. Komma, Kolon, Periode, nach der Lehre der Alten. Frankfurt/Oder 1894
  • Otto Paul, Ingeborg Glier: Deutsche Metrik. 5., durchgesehene Auflage. Hueber, München 1964.

Einzelnachweise

  1. Karl Knauer: Ein Künstler poetischer Prosa in der französischen Vorromantik: Jean-François Marmontel. Habilitationsschrift. Druck: Heinrich Pöppinghaus, Bochum-Langendreer 1936.
  2. Karl-Heinz Best: Karl Knauer (1906-1966). In: Glottometrics 12, 2006, S. 86-94.
  3. Die Beobachtungsdaten stammen aus: Peter Grzybek, Emmerich Kelih: Zur Vorgeschichte quantitativer Ansätze in der russischen Sprach- und Literaturwissenschaft. In: Reinhard Köhler, Gabriel Altmann, & Rajmund G. Piotrowski (Hrsg.): Quantitative Linguistik - Quantitative Linguistics. Ein internationales Handbuch. de Gruyter, Berlin/ N.Y. 2005, S. 23-64, Tabelle und Graphik S. 45. ISBN 3-11-015578-8.
  4. Ausführlichere Erläuterungen zu Theorie und Verfahren am Beispiel der Verteilung von Wortlängen, die auf andere sprachliche Einheiten übertragen werden können, in: Karl-Heinz Best: Quantitative Linguistik. Eine Annäherung. 3., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Peust & Gutschmidt, Göttingen 2006, S. 27ff. ISBN 3-933043-17-4.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Kolon – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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