Satzlänge

Satzlänge

Satzlänge wird danach bestimmt, aus wie vielen kleineren Einheiten ein Satz besteht. So ist es möglich, die Satzlänge entsprechend der Zahl der Buchstaben oder auch anderer Schriftzeichen (etwa im Chinesischen), Laute, Phoneme, Morphe, Silben, Moren, Wörter, Satzglieder oder Teilsätze zu definieren. Bevor man jedoch die Satzlänge bearbeiten kann, muss bestimmt werden, was genau ein Satz sein soll, ein keineswegs triviales Problem. So muss zum Beispiel überlegt werden, ob auch 1-Wort-Äußerungen, Ellipsen oder Satzfragmente als Satz gelten sollen.

Inhaltsverzeichnis

Kürzeste Sätze - längste Sätze

Eine Frage, die man sich stellen kann, ist die nach den kürzesten oder auch längsten Sätzen, sei es innerhalb einer bestimmten Sprache oder auch ganz allgemein. Die Frage nach den kürzesten Sätzen ist leicht zu beantworten, wenn man sich darauf verständigt, dass auch 1-Wort-Äußerungen als Satz gelten sollen. Dann sind Ausrufe wie „Feuer!“ oder Interjektionen wie „Ah!“ Einwortsätze. Am kürzesten wäre dann der lateinische Imperativ „I!“ (Befehlsform zum Verb „ire“, „gehen“). Ein Satz, der kürzer als ein Buchstabe oder Laut ist, ist nicht möglich.

Anders steht es um die Frage nach dem längsten Satz, zu der man einige Beobachtungen und Überlegungen beitragen, die man aber letztlich nicht beantworten kann. Der Grund: Man kann in sehr vielen Sätzen, wie lang sie auch sein mögen, immer noch ein Wort oder eine Wortgruppe einfügen, ohne dass der Satz grammatische Regeln verletzt. Daher kann eine Obergrenze für grammatisch korrekte Sätze nicht angegeben werden. Grenzen setzt dagegen der Sprachgebrauch: In der gesprochenen Sprache werden tendenziell kürzere Sätze verwendet als in der geschriebenen Sprache; aber auch in der geschriebenen Sprache sind Sätze gewöhnlich in ihrer Länge begrenzt. Am ehesten lässt sich die Frage nach auffällig langen Sätzen in irgendwelchen Texten beantworten. So verweist Lang auf einen Satz bei dem (alt-)griechischen Autor Solon, der 300 Zeilen lang sein soll und geschätzt 4500 - 4800 Silben enthält.[1] Meier berichtet von einem Satz in H. Brochs „Der Tod des Vergil“, der 1077 Wörter enthalten soll.[2]

Durchschnittliche Satzlänge

Um die durchschnittliche Satzlänge von Texten oder Textgruppen zu bestimmen, muss zunächst festgelegt werden, wie die Satzlänge definiert werden soll. Man kann sie messen, indem man beliebige kleinere Einheiten wählt und auswertet, wie viele davon in den Sätzen enthalten sind. In der Regel wird die Satzlänge durch die Zahl der Wörter oder der Clauses/Teilsätze bestimmt.

Als Beispiel seien einige Durchschnittswerte für Satzlängen im Deutschen genannt, bestimmt nach der Zahl der Wörter im Satz; die Daten stammen aus Best (2002).[3] Die durchschnittliche Zahl der Wörter je Satz in deutschen Texten wurde wie folgt erarbeitet:

Textgruppe
untere Grenze der Satzlängen
obere Grenze der Satzlängen
Pressetexte
9.62
22.91
Prosa für Kinder und Jugendliche
6.21
21.66
Literarische Prosa
7.08
19.62
Sprachwissenschaft
25.67
28.73

Weitere Details zu den einzelnen Texten innerhalb einer Textgruppe sind in der angegebenen Arbeit aufgeführt. Natürlich sind die angegebenen Werte von der Auswahl der ausgewerteten Texte abhängig. Die Tabelle vermittelt einen Eindruck davon, wie sehr diese Durchschnittswerte auch innerhalb einer Textgruppe schwanken können. Mit einer solchen Streuung der Mittelwerte ist auch dann zu rechnen, wenn man Satzlänge anders als durch die Zahl der Wörter je Satz bestimmt.

Pieper (1979) gibt zum gleichen Thema die folgende Übersicht; es ist zu beachten, dass die Daten der beiden Tabellen nicht direkt vergleichbar sind, da Pieper nicht das arithmetische Mittel, sondern den Median als Mittelwert anführt:[4]

x
Textgruppe
Satzlänge (Median)
1
Hörspiel
6.64
2
Drama
6.49
3
Roman-Dialog
6.01
4
Diskussion
11.83
5
Roman-Nichtdialog
12.98
6
Briefe
13.63
7
Wissenschaftliche Texte
19.22
8
Allgemeine Gesetzestexte
23.04
9
Zeitung: Agenturberichte
23.23
10
Zeitung: Eigene Berichte
16.37
11
Zeitung: Feuilleton
16.89
12
Zeitung: Sportberichte
15.09

Satzlängenverteilung und Satzlänge im Zusammenspiel mit anderen sprachlichen Größen

Die Quantitative Linguistik hat sich immer wieder und auf verschiedene Weise mit den Gesetzmäßigkeiten der Satzängen befasst.

  • Gut erforscht ist das Gesetz der Verteilung von Satzlängen, das besagt, dass die Häufigkeit, mit der Sätze verschiedener Länge in Texten vorkommen, ganz bestimmten, theoretisch begründbaren Verteilungen folgen.[5] Dieses Gesetz ist in mehreren Untersuchungen zu verschiedenen Sprachen geprüft und gestützt worden.[6]
  • Satzlängen stehen in Texten in Wechselbeziehungen mit anderen Sprachgrößen; diese Wechselbeziehungen lassen sich in ein komplexes Modell integrieren.[7]
    • Eine bedeutsame Gesetzmäßigkeit besteht zwischen der Länge der Sätze und der Länge der Teilsätze/Clauses: Je länger ein Satz ist, das heißt, aus je mehr kleineren Einheiten (direkten Konstituenten) er besteht, desto kleiner sind diese Konstituenten selbst. Es handelt sich hierbei um ein Sprachgesetz, das unter dem Namen Menzerathsches Gesetz (auch: Menzerath-Altmann-Gesetz) bekannt ist. Eine Untersuchung zum Deutschen galt der Hypothese „Je länger der Satz, um so kürzer seine clauses“ und konnte aufgrund der Auswertung deutscher Texte zeigen, dass diese Gesetzeshypothese sich bewährt.[8]
    • Setzt man die Satzlänge nicht in Beziehung zu den direkten Konstituenten des Satzes, den Teilsätzen/Clauses, sondern zu den indirekten Bestandteilen wie den Wörtern, so ändert sich die Beziehung: Je länger ein Satz, desto länger sind auch seine Wörter. Dieser Zusammenhang wurde mathematisch formuliert und überprüft [9] und zu Ehren von Hans Arens[10], der ihn wohl als erster entdeckte, als Arenssches Gesetz bezeichnet. [11]

Lesbarkeit

Unter Lesbarkeit versteht man die sprachlichen (grammatischen und lexikalischen) Eigenschaften eines Textes; sie ist ein Bestandteil dessen, was die Textverständlichkeit ausmacht. Seit langem gelten die Bemühungen der Wissenschaft der Frage, ob man die Lesbarkeit eines Textes messbar machen kann. Dabei sind eine Fülle von Lesbarkeitsindizes entwickelt worden, bei denen außer der Wortlänge sehr oft auch die Satzlänge als ein wesentlicher Aspekt integriert ist.[12] In Best (2006)[13] wurde eine Begründung dafür entwickelt, warum so einfache Kriterien wie Wort- und Satzlänge triftige Eigenschaften von Texten sein können, um etwas über ihre Lesbarkeit auszusagen.

Textklassifikation

Die durchschnittliche Satzlänge prägt in einem hohen Maße den Stil eines Textes. Wilhelm Fucks, der sich für eine Quantitative Literaturwissenschaft einsetzt, betrachtet Wort- und Satzlängen als Stilcharakteristiken, das heißt als zahlenmäßig erfasste Stileigenschaften, die genutzt werden können, um den Stil von Autorengruppen zu unterscheiden.[14] Bei Werner Winters Kieler Projekt Quantitative Stilistik, aufgrund von statistischen Merkmalen der Texte Textgruppen zu unterscheiden, spielt auch das Kriterium der Satzlänge in mehrfacher Hinsicht eine Rolle; so wird die Zahl der Wörter pro Satz ebenso berücksichtigt wie die Zahl der Hauptsatz- und Nebensatzverben, wodurch auch die Zahl der Teilsätze in den Blick genommen wird.[15] Dass Satzlängen zu diesem Zweck ein wichtiges Kriterium und dabei keine isolierten Größen sind, betont auch Mistrík bei seinem Versuch einer Texttypologie.[16]

Entwicklung der Satzlängen

Ebenso wie Wortlängen sind auch die Satzlängen eine Größe, die sich im Verlauf der Zeit ändert. Bei einem Vergleich älterer Autoren aus der Zeit der deutschen Klassik mit modernen Autoren, der in dem Saarbrückener Projekt „Syntax der deutschen Gegenwartssprache“ von Hans Eggers durchgeführt wurde, deutete sich eine Tendenz zu kürzeren Sätzen an; der Vergleich litt unter dem Problem, dass die älteren Autoren Literaten und die neueren Sachbuchautoren waren.[17] Untersuchungen zur Entwicklung der Satzlängen in Fachzeitschriften zwischen 1800 und 1990 sowie in künstlerischen Texten zwischen 1650 und 1950 bestätigten jedoch diese generelle Tendenz, wobei einzelne Ausreißer auftraten. In wissenschaftlich-technischen Texten zwischen 1770 und 1960 gibt es dagegen eine Tendenz, bei der die Satzlängen zunächst zu- und ab 1850 wieder abnehmen, ein Trend, den auch die Längen der Teilsätze vollziehen. Diese Veränderungen im Sprachgebrauch folgen dem Piotrowski-Gesetz.[18]

Literatur

  • Karl-Heinz Best: Quantitative Linguistik. Eine Annäherung. 13., stark überarbeitete und ergänzte Aufl. Peust & Gutschmidt, Göttingen 2006, ISBN 3-933043-17-4. Das Buch enthält Seite 129 eine kurzgefasste Übersicht über die Zusammenhänge zwischen Satzlängen und anderen sprachlichen Größen.

Einzelnachweise

  1. Friedrich Gustav Lang: Schreiben nach Maß. In: Novum Testamentum XLI, 1999, S. 40-57, Angabe S. 54.
  2. Helmut Meier: Deutsche Sprachstatistik. Olms, Hildesheim 1967, S. 192.
  3. Karl-Heinz Best: Satzlängen im Deutschen: Verteilungen, Mittelwerte, Sprachwandel. In: Göttinger Beiträge zur Sprachwissenschaft 7, 2002, S. 7-31; es werden hier immer nur die beobachteten Werte der Satzlängen angegeben. Alle in der Tabelle zusammengestellten Daten beruhen auf Texten aus dem 20. Jahrhundert.
  4. Ursula Pieper: Über die Aussagekraft statistischer Methoden für die linguistische Stilanalyse. Narr, Tübingen 1979, S. 50. ISBN 3-87808-355-6.
  5. Gabriel Altmann: Wiederholungen in Texten. Brockmeyer, Bochum 1988, S. 63-67. ISBN 3-88339-663-X; http://lql.uni-trier.de/index.php/Sentence_and_clause_length.
  6. Einen Überblick dazu gibt: Karl-Heinz Best: Satzlänge. In: Reinhard Köhler, Gabriel Altmann, & Rajmund G. Piotrowski (Hrsg.): Quantitative Linguistik - Quantitative Linguistics. Ein internationales Handbuch. de Gruyter, Berlin/ New York 2005, S. 298-394. ISBN 978-3-11-015578-5.
  7. Best 2006, S. 129.
  8. Gabriela Heups: Untersuchungen zum Verhältnis von Satzlänge zu Clauselänge am Beispiel deutscher Texte verschiedener Textklassen. In: Reinhard Köhler & Joachim Boy (Hrsg.): Glottometrika 5. Brockmeyer, Bochum 1983, S. 113-133. ISBN 3-88339-307-X
  9. Gabriel Altmann: H. Arens' „verborgene Ordnung“ und das Menzerathsche Gesetz. In: Manfred Faust, Roland Harweg, Werner Lehfeldt, & Götz Wienold (Hrsg.): Allgemeine Sprachwissenschaft, Sprachtypologie und Textlinguistik. Festschrift für Peter Hartmann. Narr, Tübingen 1983, S. 31-39. ISBN 3-87808-215-0.
  10. http://www.glottopedia.de/index.php/Hans_Arens; Karl-Heinz Best: Hans Arens (1911–2003). In: Glottometrics 13, 2006, S. 75–79.
  11. Gabriel Altmann, Michael Schwibbe: Das Menzerathsche Gesetz in informationsverarbeitenden Systemen. Olms, Hildesheim, Zürich, New York 1989, S. 46-48. ISBN 3-487-09144-5.
  12. Norbert Groeben: Leserpsychologie: Textverständnis, Textverständlichkeit. Münster: Aschendorff Verlag, 2002, S. 175-183. ISBN 3-402-04298-3.
  13. Karl-Heinz Best: Sind Wort- und Satzlänge brauchbare Kriterien der Lesbarkeit von Texten? In: Sigurd Wichter, Albert Busch, (Hrsg.), Wissenstransfer – Erfolgskontrolle und Rückmeldungen aus der Praxis. Lang, Frankfurt/ M. u.a. 2006, S. 21–31. ISBN 3-631-53671-2.
  14. Wilhelm Fucks: Nach allen Regeln der Kunst. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1968, S. 33.
  15. Ursula Pieper: Über die Aussagekraft statistischer Methoden für die linguistische Stilanalyse. Narr, Tübingen 1979, besonders S. 45. ISBN 3-87808-355-6.
  16. Jozef Mistrík: Exakte Typologie von Texten. Verlag Otto Sagner in Kommission, München 1073, S. 30ff.
  17. Heinz-Helmut Lüger: Pressesprache. 2., neu bearbeitete Auflage. Niemeyer, Tübingen 1995, S. 23. ISBN 3-484-25128-X.
  18. Karl-Heinz Best: Satzlängen im Deutschen: Verteilungen, Mittelwerte, Sprachwandel. In: Göttinger Beiträge zur Sprachwissenschaft 7, 2002, S. 7-31, zur Entwicklung der Satzlängen S. 22-27.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Satzlänge – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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