Konflikteskalationsmodell nach Friedrich Glasl

Konflikteskalationsmodell nach Friedrich Glasl

Die Konflikteskalation nach Friedrich Glasl stellt ein Modell zur Verfügung, um Konflikte besser analysieren und während ihres Verlaufes besser reagieren zu können. Das Modell hat neun Stufen, welche sich in drei Ebenen mit jeweils drei Abstufungen teilen. Eine geradezu lehrbuchmäßige Darstellung aller Eskalationsstufen nach Glasl liefert der Film „Der Rosenkrieg“ von Danny de Vito.

Inhaltsverzeichnis

Ebenenmodell

In der ersten Ebene können beide Konfliktparteien noch gewinnen (Win-Win). In der zweiten Ebene verliert eine Partei, während die andere gewinnt (Win-Lose) und in der dritten Ebene verlieren beide Parteien (Lose-Lose).

Die neun Stufen der Konflikteskalation

Interessanterweise kann man die unterschiedlichsten Konflikte damit analysieren: Scheidungen, Konflikte zwischen Kollegen oder Schülern und auch Konflikte zwischen Staaten.

1. Ebene (Win-Win)

Stufe 1 – Verhärtung

Konflikte beginnen mit Spannungen, z. B. gelegentliches Aufeinanderprallen von Meinungen. Es ist alltäglich und wird nicht als Beginn eines Konflikts wahrgenommen. Wenn daraus doch ein Konflikt entsteht, werden die Meinungen fundamentaler. Der Konflikt könnte tiefere Ursachen haben.

Stufe 2 – Debatte

Ab hier überlegen sich die Konfliktpartner Strategien, um den Anderen von ihren Argumenten zu überzeugen. Meinungsverschiedenheiten führen zu einem Streit. Man will den Anderen unter Druck setzen.

Stufe 3 – Taten statt Worte

Die Konfliktpartner erhöhen den Druck auf den Anderen, um sich oder seine Meinung durchzusetzen. Gespräche werden z. B. abgebrochen. Es findet keine Kommunikation mehr statt und der Konflikt verschärft sich schneller.

2. Ebene (Win-Lose)

Stufe 4 – Koalitionen

Der Konflikt verschärft sich dadurch, dass man Sympathisanten für seine Sache sucht. Da man sich im Recht glaubt, kann man den Gegner denunzieren. Es geht nicht mehr um die Sache, sondern darum, den Konflikt zu gewinnen, damit der Gegner verliert.

Stufe 5 – Gesichtsverlust

Der Gegner soll in seiner Identität vernichtet werden durch alle möglichen Unterstellungen oder ähnliches. Hier ist der Vertrauensverlust vollständig. Gesichtsverlust bedeutet in diesem Sinne Verlust der moralischen Glaubwürdigkeit.

Stufe 6 – Drohstrategien

Mit Drohungen versuchen die Konfliktparteien, die Situation absolut zu kontrollieren. Sie soll die eigene Macht veranschaulichen. Man droht z. B. mit einer Forderung (10 Mio. Euro), die durch eine Sanktion („Sonst sprenge ich Ihr Hauptgebäude in die Luft!“) verschärft und durch das Sanktionspotenzial (Sprengstoff zeigen) untermauert wird. Hier entscheiden die Proportionen über die Glaubwürdigkeit der Drohung.

3. Ebene (Lose-Lose)

Stufe 7 – Begrenzte Vernichtung

Hier soll dem Gegner mit allen Tricks empfindlich geschadet werden. Der Gegner wird nicht mehr als Mensch wahrgenommen. Ab hier wird ein begrenzter eigener Schaden schon als Gewinn angesehen, sollte der des Gegners größer sein.

Stufe 8 – Zersplitterung

Der Gegner soll mit Vernichtungsaktionen zerstört werden.

Stufe 9 – Gemeinsam in den Abgrund

Ab hier kalkuliert man die eigene Vernichtung mit ein, um den Gegner zu besiegen.

Kritik am Modell der Konflikteskalation nach Friedrich Glasl

Das Modell beschreibt, wie sich zwei Konfliktparteien verhalten. Lösungen zur Deeskalation werden in diesem Modell nicht angeboten. Insbesondere dann, wenn bei Konflikten für beide Konfliktparteien ein Verlassen der Situation (z. B. aggressiver Akt auf das Hoheitsgebietes eines Staates, väterlicher Umgang mit einem gemeinsamen Kind nach einer Trennung, Entzug von Bürgerrechten durch einen Staat, Massenentlassungen zur Verbesserung des Shareholder Value) nicht möglich erscheint oder eine Partei eine bewusste Konflikteskalation als strategisches Moment auswählt.

Diese Kritik verkennt jedoch, dass dieses Modell ein Diagnoseschema ist, dem Friedrich Glasl folgende Strategiemodelle zuweist:

  • Stufe 1–3: Moderation
  • Stufe 3–5: Prozessbegleitung
  • Stufe 4–6: sozio-therapeutische Prozessbegleitung
  • Stufe 5–7: Vermittlung / Mediation
  • Stufe 6–8: Schiedsverfahren / Gerichtliches Verfahren
  • Stufe 7–9: Machteingriff

Ein weltbildfreies, wertfreies Erkennen und Eliminieren von konfliktnährenden Kräften zum Zwecke einer Konfliktdeeskalation sollte zum Standardrepertoire von Führungskräften, Beratern und Sozialarbeitern gehören.

Siehe auch

Literatur

  • Friedrich Glasl (1999): Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. 6., erg. Aufl. Bern - Stuttgart 1999
  • Alexander Redlich (2004): Konfliktmoderation - Handlungsstrategien für alle, die mit Gruppen arbeiten. Mit vier Fallbeispielen. 6. Aufl., Hamburg: Windmühle Verlag.

Weblinks


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