Konfliktsimulation

Konfliktsimulation

Als Konfliktsimulation (kurz auch Kosim oder Cosim, Consim vom englischen „conflict simulation“) wird jedes komplexe strategische Spiel bezeichnet, welches geschichtliche, aktuelle oder zukünftige Konflikte simuliert. Manchmal wird der Begriff Wargame („Kriegsspiel“) verwendet, wobei dies ein Oberbegriff für alle Spiele ist, die das Thema Krieg als primäres Thema behandeln, sowie innerhalb dieser Thematik aber auch leichtere Spiele bezeichnet, die eben keinen simulativen Aspekt aufweisen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vorläufer

Die älteste bekannte Konfliktsimulation dürfte wohl das chinesische Wei-Hai sein, welches vor etwa 3000 Jahren gespielt wurde. Abgesehen von einigen Hinweisen auf seine Regeln, die dem bekannten Go ähneln, sind keine Details dazu bekannt, und auch keine bildlichen Darstellungen, aus denen die Form des Spielbrettes abzulesen wäre.

Das erwähnte Go-Spiel selbst entstand wohl etwa 2000 v. Chr. Das heutige Schach geht in seinen wesentlichen Zügen auf das indische Chaturanga zurück, das sich um 500 n. Chr. herausgebildet hat.

Schach findet im 15. Jahrhundert im südeuropäischen Raum Erwähnung und erfuhr im Laufe der Zeit gewisse Regelmodifikationen. Schach als solches gibt in gewisser Weise den taktischen Verlauf von Schlachten in dieser Zeit und auch noch später recht genau wieder: Zwei Armeen stehen sich auf einem ebenen Feld gegenüber. Die Speerträger ganz vorne, flankiert von Reitern und im hinteren Bereich eine Reserve mit den Befehlshabern.

Die im 17. Jahrhundert eingeführten Feuerwaffen veränderten die Bedingungen auf dem Gefechtsfeld und entsprechend wurde Schach als Cosim der Realität der Zeit nicht unbedingt mehr gerecht. So wurden im 17. Jahrhundert verschiedene Varianten des sog. „Militärschach“ entwickelt. Dies waren Spiele, die sich zwar noch weitgehend am Schach orientierten, allerdings das Spielbrett vergrößerten, andere Figuren benutzten, die eben den damaligen militärischen Repräsentanten entsprachen und die Regeln zur Zugfolge zu erweitern suchten. Eines der bekannteren Spiele dieser Art ist das sog. „Königsspiel“ von Christopher Weikhmann aus dem Jahre 1664.

Eine wesentliche Neuerung in diesen Spielen, die sie gleichermaßen von diesen Schachvarianten abhob, wie sie heutigen Cosims näherrücken, war die Zuweisung von symbolischen Größen zu den einzelnen Figuren, die Verwendung von realistischeren Spielflächen und der Supervision durch einen Schiedsrichter. Diese Neuerungen wurden – soweit man weiß – zum ersten Mal von Dr. C. L. Helwig im Jahre 1780 eingeführt. Er bestimmte in seinen Regeln, dass jede Figur nicht nur wie im Schach schlicht für sich selbst steht, sondern nur ein Marker für eine angenommene größere militärische Einheit ist. Das abstrakte Schachbrett wurde von ihm ersetzt durch eine Spielfläche, die ein wirkliches Gelände darstellen sollte und er bestimmte einen Leiter, der ganz wie heute manchmal bei Cosims üblich als „Gamemaster“ fungierte. Helwig war auch der erste, der – soweit wir das sagen können – ein solches Spiel nicht unter spielerischen Gesichtspunkten, sondern dezidiert als militärische Unterrichtshilfe einsetzte. Sein Spiel kann vielleicht mit Recht als der erste echte Vorläufer der Simulationen angesprochen werden, um die es hier geht. Es waren natürlich immer noch sehr rudimentäre Simulationsaspekte, die das Spiel beherrschten, aber von der Idee her, die dahinter stand, kann man diesen Standpunkt wohl vertreten.

Etwa um dieselbe Zeit entwarf der Schotte John Clerk eine Simulation für Seeschlachten, die ebenfalls zu den direkten Ahnen der Cosims gehört. Clerk stellte nämlich genaue Beobachtungen über die Bewegung und Verhaltensweisen im Gefecht der beteiligten Schiffe an und versuchte über komplexe Berechnungen eine mögliche Umsetzung auf die Spielfläche zu erreichen. Zum ersten Mal wurden auch die unterschiedlichen Aspekte der Feuerkraft von Geschützen mit berücksichtigt, etwas, was bei Helwegs Spiel noch nicht vorkam und was heute ebenfalls zu den bestimmenden Merkmalen der Konfliktsimulationen gehört.

1797 gab Georg Venturini aus Schleswig eine Regelsammlung heraus, die sich auf ein Spiel bezog, welches ebenfalls mehrere Neuerungen etablierte und damit heutige historische Cosims vorwegnahm. Er vergrößerte nicht nur das Spielfeld enorm (3600 Felder), sondern wies diesen Feldern, ganz wie heutige Hex-Games dies auch tun, eine spezifische räumliche Ausdehnung zu: eine Quadratmeile. Weiterhin war das Spielfeld nun auch nicht mehr ein fiktiver Ort, sondern stellte eine eindeutige existierende Landschaft dar, nämlich die französisch-belgische Grenze. Seine Figuren stellten nicht nur Soldaten dar, sondern auch Geschütze, einzelne Ausrüstungsgegenstände, Brücken und Depots. Weiterhin rückte er noch weiter von den Schachregeln ab und versuchte, tatsächliche militärische Notwendigkeiten in das Spiel zu integrieren. Ganz genau wie in vielen komplexen Cosims heute, mussten manche militärischen Einheiten im Spiel eine Versorgungslinie aufrechterhalten, um legal ziehen zu können, oder auch in den angenommenen Winterzeiten eine Reduktion ihrer Bewegung berücksichtigen. Dieses Spiel war von seinem Entwickler nun schon gar nicht mehr zur Unterhaltung konzipiert, sondern als Demonstrationsmodell für das Militär gedacht. Alles zusammengenommen ist dieses „Spiel“ vielleicht wirklich der direkte Urahn der heutigen Konfliktsimulationen.

Militärische Simulationen im 19. und 20. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert führte Baron von Reisswitz eine weitere Neuerung ein, die darin bestand, dass das bisherige „Spielbrett“ durch eine dreidimensionale Darstellung des zu bespielenden Geländes in einem Sandkasten ersetzt wurde. Er war der erste, der die Spielfiguren in ein maßstabsgetreues Verhältnis zum Gelände setzte und seine Entwicklung könnte man als den Urahn der sog. Tabletops betrachten. Das Spiel wurde zwar euphorisch in Militärkreisen aufgenommen, es blieb ihm eine größere Verbreitung jedoch versagt, da der Aufwand und der Platzbedarf einfach zu groß waren, etwas, was alle Tabletops bis heute als Nachteil mit sich bringen. Sein Sohn, Johann von Reisswitz, erkannte dieses Problem und modifizierte das Spiel seines Vaters, so dass es nunmehr auf einer maßstabsgetreuen topographischen Karte gespielt werden konnte. Dieses unter dem Namen „Kriegsspiel“ bekannte Spiel besaß Metallfiguren, die die einzelnen Einheiten darstellten, ausführliche Regeln sowohl für die Bewegung der Einheiten, als auch für die simulierten Gefechte und wurde von einem Spielleiter beaufsichtigt, der dafür sorgte, dass die mit der Zeit auch immer umfangreicheren Regeln korrekt eingehalten wurden. Dieses Spiel erfuhr eine internationale Verbreitung in militärischen Kreisen. Der bekannte Autor H. G. Wells entwickelte im 20. Jahrhundert ein Spiel namens „Little Wars“, welches ebenfalls auf einer Karte mit Figuren gespielt wurde, jedoch sowohl wesentlich einfachere Regeln hatte und keinen Spielleiter brauchte. Dies waren die Punkte, die diesem Spiel zu einer sehr großen Verbreitung in weiten Kreisen verhalf.

Konfliktsimulationen hatten bis hin zum Zweiten Weltkrieg einen festen Platz in der Vorbereitung von militärischen Operationen, wobei besonders die deutsche Wehrmacht solche Planspiele regelmäßig und auch mit gutem Erfolg zur Voraussage des möglichen Ausgangs solcher Gefechtssituationen verwendete. Nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch gab es einen Niedergang dieser Art Planspiele im professionellen Militär.

Die Spiele nach dem 2. Weltkrieg

Konfliktsimulationen fanden zunehmend Eingang in den kommerziellen zivilen Bereich. Im Jahre 1953 entwickelte der Amerikaner Charles S. Roberts ein Spiel namens Tactics, welches den Konflikt zwischen zwei nicht näher definierten Staaten simulierte und auf einer Karte gespielt wurde, die aus quadratischen Teilbereichen bestand. Er entwickelte die Counter, also Spielsteine, die aus Pappe bestehen und Abbildungen militärischer Einheiten, Waffen etc. tragen, zusammen mit numerischen Werten, die ihre Kampfkraft und Bewegungspotentiale angeben. Die stattfindenden Kämpfe wurden über eine Tabelle in Zusammenhang mit Würfelergebnissen ermittelt. Somit besaß es die Form, die für Cosims seit jener Zeit typisch ist. Roberts gründete, ermutigt vom Erfolg seines Spiels, 1958 die Avalon Hill Company. Diese Firma wurde quasi zum Inbegriff des Wargaming und brachte verschiedene, zum Teil sehr erfolgreiche Konfliktsimulationen heraus. Kennzeichen der Avalon-Hill-Spiele war, neben den umfangreichen Regelwerken, eine sehr gute Verarbeitung und Präsentation, sowie eine enorme Spieltiefe. Zu den bekanntesten Spielen der Firma zählt die Squad Leader-Serie, welche den Infanteriekampf im Zweiten Weltkrieg simuliert. Avalon Hill veranstaltete einmal jährlich die große AvalonCon, eine Zusammenkunft aller interessierten Wargame-Spieler, die enormen Zulauf hatte. Anders als bei anderen vergleichbaren Veranstaltungen gab es auf der AvalonCon die Möglichkeit für Spieleentwickler, ihre Produkte den Spielern vor Ort vorzustellen und zum Kauf anzubieten, was einen sehr fruchtbaren Austausch ermöglichte. Die Entwickler der Konfliktsimulationen waren somit in der Szene verankert und konnten besser für ihre Klientel Spiele entwickeln. Die von AH herausgegebene Zeitschrift „The General“ bot ein Forum für den Austausch der Spieler, die Möglichkeit Spielpartner zu finden und zuweilen hervorragende Artikel zum Thema Cosim und Historie. Leider war Roberts gezwungen, seine Firma zu verkaufen, da er durch eine zu schnelle Expansion überschuldet war.

1969 gründeten einige ambitionierte Wargame-Spieler die Firma Simulations Publications Inc. (SPI) in New York, die bis zu 30 Spiele pro Jahr herausbrachte. Die meisten davon waren fester Bestandteil der hauseigenen Zeitschrift „Strategy & Tactics“ und es entwickelte sich ein regelrechter Boom für Cosims. Im Zuge dieser Entwicklung gab es weitere Firmengründungen, die ihren Anteil an diesem schnell wachsenden Markt haben wollten. Um die Relationen zu veranschaulichen: 1965 wurden 65.000 Konfliktsimulationen in den Handel gebracht, 1980 waren es bereits 2,2 Millionen.

Durch die Einführung von Computerspielen ließ jedoch das Interesse an „paper games“ im Laufe der Zeit nach. Weiterhin gab es einen neuen Trend hin zu Fantasy- und Science Fiction-Spielen, die potenzielle Spieler von den (historischen) Cosims und Wargames abzogen. Diese Spiele waren in der Regel weitaus weniger komplex und zogen deswegen auch jüngere Spieler an. Die Spieler, die seit Jahren Konfliktsimulationen spielten, kamen mit zunehmendem Alter in berufliche und familiäre Situationen, die ihnen immer weniger Zeit für ihr Hobby ließen. Der Absatz der Spiele kam ins Stocken und viele Firmen mussten schließen. Im Jahr 1997 etwa gab es noch einen Absatz von etwa 200.000 Spielen. Heute dürften die Zahlen wahrscheinlich noch etwas niedriger liegen, was Cosims und generell Wargames (also auch die leichteren Varianten) als Hobby für eine kleine Spielergemeinschaft kennzeichnet. So geht man heute etwa von nicht mehr als 100.000 Wargamern weltweit aus, wobei davon etwa nur 10.000 Tabletops spielen. Die meisten Spieler von Wargames sind männlich, der Anteil der weiblichen Spieler in dieser Szene beträgt nicht mehr als 1 %.

Abgrenzung zu anderen Strategiespielen

Im weiteren Sinne gehört auch Schach zu den Wargames. Es ist jedoch ein sehr abstraktes Spiel, das in einer sehr stilisierten Art und Weise die strategisch-taktische Auseinandersetzung eines Krieges darstellt, wobei die beteiligten Parteien nur in „schwarz“ und „weiß“ unterteilt sind und der Konflikt als solcher nicht auf ein spezifisch historisches Ereignis Bezug nimmt. Es ist also weder historisch basiert noch eine Simulation.

Eine Konfliktsimulation im engeren Sinne zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass (historische) Szenarien möglichst akkurat nachgestellt werden. D.h. jeder Konfliktsimulation (von Ausnahmen alternativer, hypothetischer, futuristischer oder phantasiebasierter Settings abgesehen) liegt eine geschichtliche Kriegssituation (oder auch ein hypothetisches Szenario, das auf einer historischen Situation basiert) zugrunde, die entsprechend auf der Spielkarte und in der Verwendung von Spielfiguren/Counter oder Karten, welche militärische Einheiten verschiedener Größe darstellen, in Szene gesetzt wird. Im Gegensatz zu Schach, das nur die Anwendung von Strategie und Taktik kennt, gibt es bei einem Wargame neben Strategie und Taktik auch den Zufall der, ganz wie in der Realität, bestimmte Ereignisse im Spiel beeinflussen kann (etwa Wetter, Fehlfunktion von Waffen oder schlechte Sicht). In der Regel werden bei einem Wargame Würfel benutzt, um in Kampfsituationen Ergebnisse herbeizuführen. Dabei besitzen alle militärischen Einheiten bestimmte an der mittleren Wahrscheinlichkeit orientierte Kampfstärken, die ihrer realen Kampfstärke entsprechen. Unter Verwendung eines oder mehrerer Würfel wird ermittelt, welchen Schaden eine militärische Einheit anrichtet, wobei sowohl Entfernungen, Terrainbeschaffenheit, Überraschungsmomente, Kampfmoral, Wetter und andere simulierte Elemente eines in der Wirklichkeit stattfindenden Kampfes miteinbezogen werden können. Die Würfelergebnisse werden gerade in Cosims in einem oftmals recht komplizierten System in Beziehung zu bestimmten Tabellen gesetzt, welche alle in einer spezifischen Situation möglichen Kampfergebnisse, Schadensmodelle usw. enthalten. Auf diese Weise wird auf dem Spielbrett die Möglichkeit geschaffen, einen realen Kampf äußerst akkurat zu simulieren. Der Zufall ist in einem solchen Spielsystem zwar vorhanden, jedoch anders als in einem reinen Glücksspiel. Er ist ausschließlich in einem solchen Ausmaß vorhanden, wie er es in jeder realen Begebenheit ebenfalls ist. Der Spieler ist gezwungen, mit diesem Element zu rechnen, jedoch ist er ihm nicht völlig ausgeliefert, da er durch die Trefferquotienten seiner militärischen Einheiten abschätzen kann, wie oft er wahrscheinlich treffen wird, oder welche Einheiten unter bestimmten Bedingungen wahrscheinlich eher gewinnen, oder verlieren.

Eines der bestimmenden Merkmale einer Konfliktsimulation ist also der Realismusgrad. Dieser kann natürlich bei den verschiedenen Spielen variieren, so dass es Konfliktsimulationen gibt, die eine einfachere Spielmechanik haben, was die Bewegungen der Einheiten betrifft, eine geringere Differenzierung der einzelnen militärischen Einheiten besitzen und die aus allen möglichen Elementen, die einen militärischen Konflikt in der Realität beeinflussen könnten, nur eine Auswahl treffen, die in das Spiel integriert wird (oft Lite-Cosims genannt). Andererseits gibt es auch Konfliktsimulationen, die Regelwerke von mehreren hundert Seiten haben, die jede auch noch so kleine Aktion im Spielgeschehen in Beziehung zu möglichen Beeinflussungen aus dem Umfeld setzen und in ihrer Komplexität der Realität in nichts nachstehen.

Motivation

Eine Konfliktsimulation gibt dem Spieler die Möglichkeit, den historischen Rahmen einer Konfliktsituation in Detailstufen, die je nach Spiel variieren, auf einer Karte nachzustellen. Der Spieler wird sich so in einer simulierten Umwelt befinden, wie die Personen, die in diesem spezifischen Konflikt tatsächlich agiert haben; er wird dieselben militärischen Materialien und Möglichkeiten simuliert zur Verfügung haben und er wird eine „Siegbedingung“ als Ziel haben, die dem entspricht, was in der dargestellten Konfliktsituation als anzustrebender Sieg betrachtet wurde. Konfliktsimulationen wurden deshalb auch „Paper Time-Machines“ genannt.

Nachdem der Spieler durch die ausgefeilte Simulation einer Konfliktsimulation also in einen bestimmten historischen Konflikt hineinversetzt worden ist, hat er die Möglichkeit, der Geschichte einen anderen Verlauf zu geben. Er kann alle militärischen Operationen, die historisch von den beteiligten Akteuren gemacht wurden, wiederholen und dann sehr wahrscheinlich zu denselben Ergebnissen kommen. Er kann aber auch selber Entscheidungen treffen, die er als richtig in der jeweiligen Situation betrachtet. Eine historische Cosim macht aus jedem Spieler einen Oberbefehlshaber und erlaubt es ihm, durch bessere Strategien und Taktiken als die seiner historischen Vorgänger, den Gang der Geschichte in diesem speziellen Fall zu verändern. James Dunnigan bezeichnet das, was in einem Konfliktsimulation tatsächlich passiert, als „analytic history“ und beschreibt damit gut das Potential einer Konfliktsimulation.

Im Gegensatz zu einem Geschichtsbuch, bei dem man zwar alle Hintergründe über einen Konflikt nahegebracht bekommt, bei dem man aber im historischen Ergebnis gefangen bleibt und rein von außen auf einen solchen Konflikt blickt, hat man bei einer Konfliktsimulation nicht nur diese ganzen Informationen zur Hand, sondern darüber hinaus auch noch die Möglichkeit, die Erkenntnisse und Ideen, die man aus der Beschäftigung mit diesem historischen Ereignis zieht, in eigene Handlungen umzusetzen, um dieses Ereignis zu verändern. Nur auf diese Weise ist es z. B. möglich, militärische Entscheidungen, die in der Geschichte getroffen worden sind, zu beurteilen. Die oft gestellte Frage „Was wäre wenn?“ kann in einer Konfliktsimulation beantwortet werden. In diesem Sinne ist die Verwendung von solchen Konfliktsimulationen eine unschätzbare Hilfe, Geschichte lebendig werden zu lassen und sie auf diese Weise auch besser zu verstehen. Dies mag oftmals zu einer gänzlich anderen Beurteilung von historischen Begebenheiten, Situationen und Personen führen und in diesem Sinne ein verständiges historisches Bewusstsein zu kreieren, etwas, was das alleinige Konsumieren von historischen Fakten als permanenter „Zaungast der Geschichte“ nicht erreichen kann.

Kritik

Wargames haben einen ambivalenten Ruf, Kritiker sehen das Thema Krieg nicht als geeigneten Hintergrund für ein „Spiel“ an. Spieler halten dagegen, dass Kriege weder verherrlicht noch in ihrer Bedeutung heruntergestuft werden, sondern lediglich einige Aspekte derselben (insbesondere die strategischen Elemente bzw. die „Kriegskunst“) im Spiel thematisiert werden. Darüber hinaus böten gerade historische Konfliktsimulationen dem Spieler die Möglichkeit, reale militärische Szenarien und Operationen am heimischen Spieltisch erlebbar zu machen und ihm damit ein besseres Verständnis der Geschichte zu verschaffen. Sie hätten damit auch einen pädagogischen Effekt, da sie verdeutlichen, welche Notwendigkeiten in Kriegs-Situationen zu bestimmten Entscheidungen führen.

Konfliktsimulation, Cosim und Tabletop

Die verschiedenen Begriffe, die für die hier angesprochenen Spiele verwendet werden, erscheinen oft etwas verwirrend, so dass es sinnvoll scheint, sie einmal genauer zu erläutern.

Strenggenommen sind alle Spiele, welche sich in irgendeiner Form mit kriegerischen Auseinandersetzungen beschäftigen, Wargames, also Kriegsspiele. Solche Spiele können entweder „manual games“ sein, also solche, die gezeichnete Karten benutzen, oder aber Computer und Videospiele. Die „manual games“ unterscheiden sich dann noch in sog. „Hex“, „Point-to-Point“ und „Area“-games. Dies bezieht sich auf die Darstellung von Entfernungen innerhalb des Spiels und auf die Art und Weise, wie die militärischen Einheiten diese innerhalb des Spiels zurücklegen. Entweder wird die Karte von einem Raster aus Sechsecken überzogen, wobei in der Regel festgelegt ist, welche Ausmaße ein solches „Hex“ hat (z. B. 50 Meter oder 40 km in der Realität, je nach Maßstab des Spiels), oder die Karte selbst ist mit einem Bewegungsmuster aus Linien und bestimmten Punkten überzogen, oder in mehrere größere Gebietsabschnitte eingeteilt. Je größer der Simulationsaspekt eines Wargames ist, desto eher werden Sechsecke verwendet, da diese eine detailliertere und exaktere Einbeziehung von Entfernungselementen, Terrainbeschaffenheit etc. in das Spiel erlauben. Die obige Definition bezieht sich alleine auf den Inhalt eines Spieles, das eine kriegerische Handlung hat, um dieses als Wargame zu bezeichnen. Dieser Name sagt noch nichts über die Szenarien aus, die dieser kriegerischen Handlung zu Grunde liegen, oder aber darüber, ob es sich tatsächlich um eine Konfliktsimulation handelt – also ein Wargame mit hoher Detailstufe und hoher Komplexität.

Jedes Science-Fiction-Spiel und jedes Fantasy-Spiel gehört zu den Wargames, wenn das Spiel von seinem zugrundeliegenden Thema her primär auf kriegerischen Situationen basiert. Innerhalb der Wargames allgemein, gibt es die Spiele, die sich von den anderen hier angesprochenen dadurch abheben, dass sie historische Konfliktsituationen simulieren. Deshalb ist der korrekte Name für solche Spiele „historische Konfliktsimulation“ (Historical Conflict Simulation, Cosim, Consim im englischen Sprachraum abgekürzt). Auch diese Cosims können wieder als Brettspiel (wobei das Brett oft nur eine Karte ist), oder aber als Computer- und Videospiel auftreten.

Flachzinnfiguren (in einer Nachstellung der Schlacht von Kunersdorf 1757)

Das sog. Tabletop bezeichnet eine besondere Kategorie innerhalb der Wargames. Im Gegensatz zu den meisten Spielen, die auf Karten mit Figuren (Darstellungen der militärischen Einheiten als abstrakte oder modellierte Figuren aus Holz, Plastik oder Metall) oder Countern (Marker aus Pappe, die die Abbildungen und Werte von militärischen Einheiten tragen) gespielt werden, werden Tabletops als dreidimensionale Szenarien aufgebaut, die oft den strategischen Szenarientischen beim Militär entsprechen. Die Figuren, die in der Regel aus Zinn hergestellt sind, zeichnen sich durch besondere Liebe zum Detail aus und werden handbemalt, um exakte Eindrücke der Uniformen etc. vermitteln zu können.

Auch Tabletops können historisch, hypothetisch, futuristisch orientiert sein, oder das Fantasy Thema bespielen; sie können Wargames (leichtere Games dieser Kategorie, oftmals auch dezidiert als Fun-Wargame bezeichnet) oder Cosims sein. Die bekannte Warhammer-Serie ist z. B. ein Tabletop aus dem SciFi- & Fantasy-Genre. Neben dieser Einteilung der Wargames in verschiedene Themen,in historische und nicht-historische Settings, sowie Tabletops, karten- oder brettbasierten Wargames usw. wird der Begriff „Wargame“ oftmals noch mal als Unterbegriff innerhalb dieser Definitionen verwendet. Dann bezieht er sich auf den Schwierigkeitsgrad resp. den Grad der Komplexität des einzelnen Spiels. Als (Fun-)Wargames werden dann jene Spiele innerhalb der thematisch primär mit Krieg befassten Spiele bezeichnet, die einen leichteren Zugang haben, deren Regeln nicht allzu komplex sind und deren Grad an Detailsimulation des Geschehens eher geringer ist.

Ein weiterer Aspekt in der engeren Unterscheidung von Wargames im besonderen und Tabletops findet sich in der geschichtlichen Ausrichtung des Spielers. Wargames (egal ob Cosims oder Fun-Wargames) z. B. erlauben dem Spieler eine breite Szenarienauswahl, d. h. diese Spieler können verschiedenste historische, oder auch hypothetische, futuristische oder alternative Szenarien bespielen, was es ihnen ermöglicht, differenzierten Vorlieben zu entsprechen. Bedingt ist dies einerseits durch eine große Auswahl an Szenarien, sowie durch den eher geringen finanziellen Aufwand und Platzbedarf der meisten Konfliktsimulationen dieser Kategorie, zumindest verglichen mit Tabletops.

Tabletop-Spieler tendieren in aller Regel zu einem ganz bestimmten (historisch oder nicht) Szenario. So finden sich etwa die meisten Tabletops zu den napoleonischen Kriegen. Natürlich können auch Tabletopspieler mehrere Szenarien bespielen, allerdings ist es hier eher der finanzielle Aspekt, der dies in aller Regel beschränkt. Der Aufwand für solche aufgebauten Landschaften mit hunderten von handbemalten Figuren ist zeitlich und finanziell enorm, was notgedrungen oft dazu führt, dass man sich auf eine besondere Epoche oder Schlacht beschränkt.

Die Wargame Spielebenen

Wargames unterscheiden sich, neben ihrem Bezug auf verschiedene Zeitepochen, der Verwendung von „Areas“, „Point“ -Mustern oder Hexagonen als Brettgrundlage usw. vor allem durch ihre Spielebene. Spielebene bedeutet in diesem Zusammenhang, auf welchem Level militärische Aktionen von den beteiligten Spielern wahrgenommen werden. Es handelt sich dabei um eine Art spielinternen „Zoom-Faktor“, der bestimmt, welche Dinge in einem Wargame relevant sind und wie sie von ihren Effekten her im Spiel verwertet und letztlich wahrgenommen werden.

Alle Wargames, seien sie nun Fun-Wargames oder Konfliktsimulationen lassen sich, basierend auf dem zugrundeliegenden Detaillierungsgrad, in folgende Kategorien einteilen:

  • Skirmish Level Wargames stellen militärische Operationen auf kleinster Ebene dar, also Mann gegen Mann sozusagen. Die Elemente im Game repräsentieren einzelne Soldaten, Fahrzeuge, Waffen usw. Ansonsten gleichen die Bedingungen den Tactical Level Games, wobei die Entfernungen, die im Game eine Rolle spielen, noch etwas geringer sein können. Statt 40 m pro Hex etwa 20 m oder noch darunter. Ein gutes Beispiel für diesen Level ist etwa Up Front.
  • Tactical Level Wargames beschreiben militärische Aktionen und Operationen eine Ebene über den Skirmish Wargames. D.h., es geht darum, etwa den Infanteriekampf, den Kampf von Panzern, einzelnen Schiffen, oder Flugzeugen gegeneinander darzustellen. Die verwendeten Counter symbolisieren einzelne Fahrzeuge, Flugzeuge, einzelne Waffen, Geschütze, einzelne Offiziere, kleine Gruppen von Soldaten (4–50 Mann), sowie notwendiges Kriegsgerät im Detail. Die angenommene Zeitspanne, die von den Gameturns simuliert wird, bezieht sich auf Sekunden und Minuten bis hin zu einigen Stunden und die angenommenen Entfernungen innerhalb der Hexe belaufen sich auf 40 Meter bis hin zu einigen 100 Metern. Der Spieler kontrolliert kleinere Gruppen, die einen taktischen Kampf durchführen und Ziel eines Tactical Scenarios ist etwa ein Häuserkampf, die Eroberung eines Hügels oder das Übersetzen von Männern und Material über einen Fluss. Der zugrundeliegende Zoomfaktor bringt den Spieler quasi ganz nahe an das Geschehen heran, solche Games sind Vergrößerungen von einzelnen militärischen Aktionen innerhalb eines zugrundeliegenden größeren militärischen Umfeldes. Ein ideales Beispiel für solche taktisch orientierten Wargames sind z. B. Squad Leader oder Advanced Squad Leader für den WW II.
  • Operational Level Wargames beschreiben einen Übergang in der dem Spiel zugrundeliegenden Mechanik. Beim Operational Level treten taktische Überlegungen langsam etwas in den Hintergrund und der Spieler muss sich zunehmend auf strategische Überlegungen stützen. Wo bei Tactical Wargames eindeutig das exakte Platzieren von einzelnen Waffen und das effiziente Führen einzelner Soldaten oder kleinerer Gruppen wichtig ist, geht es bei Operational Wargames schon eher darum, z. B. Versorgungswege zu sichern und militärische Aktionen in größerem Rahmen zu koordinieren und es werden ganze Divisionen und Bataillone befehligt. Die Counter stellen also größere übergeordnete Einheiten dar und der zugrundeliegende „Zoomfaktor“, der den Blick des Spielers beschreibt, zieht sich also eine ganze Stufe zurück. Die Counter stellen nun auch keine einzelnen Waffen mehr dar, sondern Waffenverbände, also weniger ein Artilleriegeschütz, als vielmehr einen Artilleriezug. Beispiele sind Vietnam 1965–1975 oder Ruweisat Ridge.
  • Strategic Level Wargames gehen noch einen Schritt weiter „zurück“ und zeigen quasi das militärische Geschehen aus der Vogelperspektive, aus dem Blickwinkel des Oberbefehlshabers. Die verwendeten Counter stellen auf dieser Ebene Korps und ganze Armeen dar, die Entfernungen auf der bespielten Karte betragen dutzende oder gar hunderte von Kilometern und die Gameturns stellen Zeitabschnitte von Wochen oder Monaten dar. Der Spieler befehligt auf dieser Stufe nicht mehr nur rein militärische Verbände, sondern steuert das militärische, ökonomische und politische Geschehen ganzer Nationen. Beispiele für Strategic Level Wargames sind etwa Advanced Third Reich oder Totaler Krieg.
  • Grand Strategic Level Wargames wird bisweilen als Begriff verwendet, um den Spiellevel noch genauer zu bestimmen. Strategic Wargames beziehen sich dabei auf die bereits erwähnte Ebene, bilden aber geographisch dennoch nur einen Teil z. B. des WW II ab, also etwa den Krieg in Europa. Grand Strategic besagt, dass alle Kriegsschauplätze im Spiel abgebildet werden, also in diesem Fall sowohl der europäischen Kriegsschauplatz, als auch der Pazifikbereich. Die Verwendung der letzten beiden Kategorien ist aber nicht einheitlich und beide werden oftmals auch rein synonym verwendet. Beispiele für Grand Strategic Wargames sind Kombispiele, also Strategic Level Games, die als stand alone sowohl den europäischen Raum, wie auch den pazifischen Schauplatz behandeln, aber auch zusammengespielt werden können, wie etwa World in Flames, oder aber auch Games, die von vorneherein alle beiden Schauplätze darstellen, wie etwa A World at War.

Die Zugehörigkeit eines Wargames zu einer der oben beschriebenen Kategorien verändert auch die Natur der Combat Result Table (CRT). In dieser Tabelle wird auf der Grundlage der zugewiesenen Kampfstärke der einzelnen Einheiten und verschiedener Modifier, also Faktoren, die die grundlegende Kampfstärke bei dem Angreifer, wie beim Verteidiger, verändern, ein System entwickelt, bei dem durch die Verwendung eines oder mehrerer Würfel, der Ausgang des Kampfes ermittelt wird. Die CRTs unterteilen sich in sog. bloody CRT und unbloody CRT, d. h. je höher der Level eines Wargames ansetzt, auf die Spielebene bezogen, desto „unblutiger“ wird der CRT. Auf der taktischen Ebene, wo es um den Kampf Mann gegen Mann geht, befehligt der Spieler eine fiktive Befehlsgestalt, die genau mitbekommt, was mit einzelnen Soldaten geschieht. Deshalb gibt der verwendete CRT als Schadensergebnisse etwa Verwundungen, sinkende Moral oder auch KIA (Killed in Action) an.

Auf der Ebene der strategischen Wargames, spielen einzelne, auch größere Einheiten, egal wie berühmt sie sein mögen, keine Rolle. Der Spieler übernimmt den Part von „Oberstrategen“ in den höchsten politischen Positionen z. B. von Hitler, Churchill und Stalin, die sich keinesfalls für das Schicksal eines einzelnen Soldaten, eines Schiffes, oder eines Bombers interessierten. Während dies bei Wargames der taktischen Ebene – wie Squad Leader – der Hauptaspekt ist, zählen bei strategischen Spielen ausschließlich merkbare Größen, also Divisionen, Korps, oder Armeen. Weiterhin ist eine solche militärische Denkweise auf Effizienz hin orientiert, so dass Ergebnisse wie KIA gar nicht mehr auftauchen, als solches eben aber auch nicht sinnvoll sind. Auf dieser Ebene gibt der verwendete CRT deshalb oft nur Kampfergebnisse an, die sich auf Halten einer Stellung oder notwendigen Rückzug (Retreat) beziehen. Warum etwa eine Stellung nicht mehr gehalten werden kann, spielt für diesen Betrachtungslevel keine Rolle und die sicherlich stattfindenden KIAs bei den beteiligten Soldaten werden nicht wahrgenommen.

Spielarten

Wargames können – wie andere Spiele auch – auf verschiedene Art gespielt werden. Zu den häufigsten Spielvarianten gehören:

  • Einzelspieler (Solitaire): Wird oft in der „Lernphase“ gespielt, oder bei fehlenden Mitspielern.
  • Zweispieler: Oft übernimmt jeder der beiden Spieler die Kontrolle über mehrere Kriegs-Parteien. Bestimmte Aspekte wie Allianzen oder Diplomatie müssen damit aber unberücksichtigt bleiben.
  • Mehrspieler: Die häufigste und beliebteste Spielart.
  • Fernspiel: Zum Beispiel als Postspiel, Play by eMail oder Online-Spiel.

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