Konstituentengrammatik

Konstituentengrammatik

Die Konstituenten(struktur)grammatik ist eine im amerikanischen Strukturalismus von Rulon S. Wells und Charles Hockett entwickelte Syntaxtheorie. Dabei geht es darum, immer dann, wenn es möglich ist, eine größere syntaktische Einheit in zwei Konstituenten (Bestandteile) zu zerlegen. Wenn dies Schritt für Schritt bis hinunter zu den Wörtern des Satzes durchgeführt wird, erhält man die hierarchische Struktur des Satzes. Es geht (vom Anspruch her) um eine rein formale Beschreibung beobachtbarer Strukturen, ohne auf die Bedeutung der Ausdrücke einzugehen.

Inhaltsverzeichnis

Analyse in Syntax und Morphologie

Die Kombinatorik eines Satzes oder einer Wortgruppe wird mit Teil-Ganzes-Beziehungen charakterisiert. Der Gesamtausdruck wird in seine unmittelbaren Bestandteile zerlegt, diese wiederum in ihre unmittelbaren Bestandteile, bis man zu den Elementareinheiten gelangt.

Die Bestandteile werden Konstituenten genannt. Die in demselben Analyseschritt gewonnenen Konstituenten unmittelbare Konstituenten. Der englische Ausdruck für unmittelbarer Konstituent ist inmediate constituent, abgekürzt: IC. Mehrere Konstituenten desselben Analyseschritts werden Ko-Konstituenten genannt. Nicht unmittelbare Konstituenten heißen auch mittelbare Konstituenten.

Die Teilung erfolgt schrittweise und binär. Die Korrektheit der Teilung kann jeweils mit Hilfe einer Ersatzprobe überprüft werden. Es wird in solche Einheiten zerlegt, die insgesamt durch eine Wortform ersetzt werden können oder selbst als Erweiterungen einer Wortform erscheinen.

Das Verfahren (auch unter dem Begriff IC-Analyse = immediate constituent analysis bekannt) wurde mit ähnlichen Analyseprinzipien auf die Morphologie übertragen (Busch & Stenschke 2007, 83ff.). Es ermöglicht, sowohl in der Syntax als auch in der Morphologie die hierarchischen Strukturen sprachlicher Einheiten zu erarbeiten, die darin bestehen, dass in einer komplexen sprachlichen Einheit manche Konstituenten enger miteinander verbunden sind (unmittelbar), andere weniger eng (mittelbar). Diese strukturalistische Linguistik wird entsprechend auch als taxonomischer Strukturalismus bezeichnet.

Die Konstituentengrammatik unterscheidet sich von der etwa zeitgleich (1930er Jahre) entstandenen Dependenzgrammatik. Eine Weiterentwicklung der Konstituentengrammatik ist die Phrasenstrukturgrammatik von Chomsky. Mitunter wird die Konstituentengrammatik ebenfalls als Phrasenstrukturgrammatik bezeichnet.

Beispiel

  1. Paula sucht ihre Katzen.
    Dieser Satz wird im ersten Zerlegungsschritt in seine unmittelbare Konstituenten Paula und sucht ihre Katzen zerlegt, da Paula z.B. durch Paul und sucht ihre Katzen durch schläft ersetzbar ist. Konstituenten werden mit eckigen Klammern markiert.
  2. [Paula] [sucht ihre Katzen].
    Die Konstituente sucht ihre Katzen kann nun weiter in ihre unmittelbaren Konstituenten zerlegt werden, die bezogen auf den Satz und auf Paula mittelbare Konstituenten sind. Man kann sucht durch liebt ersetzen, ihre Katzen durch Tiere oder Katzen.
  3. [Paula] [[sucht] [ihre Katzen]].
    Schließlich kann ihre Katzen geteilt werden in ihre, Ersetzung durch Peters oder die, und Katzen, ersetzbar durch Lieblinge.
  4. [Paula] [[sucht] [[ihre] [Katzen]]].

Statt der bei zunehmender Satzlänge schwerer überschaubaren Klammerstruktur kann graphisch auch eine Baumdarstellung oder ein Kastendigramm gewählt werden.

Andere Grammatiktypen

Alternativen zur Konstituentenstrukturgrammatik bilden unter anderem die Dependenzgrammatik/Valenzgrammatik, die Head-driven Phrase Structure Grammar, die Funktionale Syntax, die Kategoriale Syntax, die Operationale Grammatik/Operationale Satzgliedanalyse, die Stratifikationsgrammatik, die Traditionelle Grammatik und die Generative Transformationsgrammatik.

Literatur

  • Klaus Brinker: Konstituentenstrukturgrammatik und operationale Satzgliedanalyse. Athenäum, Frankfurt 1972. ISBN 3-7610-7142-6.
  • Klaus Brinker: Modelle und Methoden der strukturalistischen Syntax. Kohlhammer: Stuttgart u.a. 1977. ISBN 3-17-002749-2.
  • Albert Busch, Oliver Stenschke: Germanistische Linguistik. Eine Einführung. Narr, Tübingen 2007. ISBN 978-3-8233-6288-3.
  • Charles Hockett: A Course in Modern Linguistics. Holt, Rinehart & Winston, New York/ London 1958, 147-156.
    deutsch in: Ludger Hoffmann (Hg.): Sprachwissenschaft. Ein Reader., 2., verb. Aufl., de Gruyter, Berlin/ New York 2000, 508-516, ISBN 3-11-016896-0.
  • Rulon S. Wells: Immediate Constituents, in: Language 23, 1947, 81-117.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: IC-Analyse – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary Wiktionary: mittelbare Konstituente – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary Wiktionary: unmittelbare Konstituente – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary Wiktionary: Konstituentenstrukturgrammatik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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