Konsumentensouveränität

Konsumentensouveränität

Der Begriff Konsumentensouveränität besagt, dass die Verbraucher (Konsumenten) durch ihre Konsumentscheidungen Art und Umfang der Produktion steuern, das heißt dass der Konsument bestimmt, wie viel von welchen Gütern hergestellt bzw. Dienstleistungen angeboten werden, auch nimmt er Einfluss auf die Qualität der Produkte.

Der Ausdruck Konsumentensouveränität (engl. consumers' sovereignty) wurde wahrscheinlich von William H. Hutt erstmals in der ökonomischen Literatur verwendet.[1]

Inhaltsverzeichnis

Idee

Das Leitbild der Konsumentensouveränität gehört zu den legitimatorischen Grundlagen der Marktwirtschaft. Es lässt sich zurückführen auf den klassischen Liberalismus des Adam Smith. Im normativen Sinne beinhaltet das Leitbild der Konsumentensouveränität den Auftrag, die Lenkungsfunktion der Verbraucher im Falle unzulässiger Beschränkungen zu stärken. [2]

Wilhelm Röpke umschreibt die Konsumentensouveränität als "Demokratie der Konsumenten". Voraussetzung dafür, dass die Produzenten die Wünsche der Konsumenten erkennen sei ein Apparat, der diese Wünsche anzeigt, und der einzige Apparat, der dies leisten könne sei der Markt. [3]

Je nach Marktform ist das Ausmaß der Konsumentensouveränität unterschiedlich. Ein hohes Maß an Konsumentensouveränität ist bei vollständiger Konkurrenz gegeben, während ein Angebotsmonopol mit einem Verlust an Konsumentensouveränität einhergeht.[4]

Da der Verbraucher in diesem Leitbild die Produktion steuert, muss der Staat nur Wettbewerbspolitik betreiben, damit Marktkonzentrationen oder Monopole nicht zustande kommen können. Dies lässt sich z. B. durch ein Kartellamt bewerkstelligen.

Eine zentrale Voraussetzung der Konsumentensouveränität ist, dass es um marktfähige Güter geht. Bei nicht marktfähigen Gütern ist hingegen von einem Marktversagen auszugehen. Dies wird zum Beispiel bei Sozialleistungen angenommen.[5]

Kritik

Kritiker der Idee der Konsumentensouveränitat gehen vielfach davon aus, dass sie mit dem Modell der vollständigen Konkurrenz verbunden sei. [6] Das heißt, es gibt einen atomistischen Markt und einen vollkommenen Markt. Dies setzt voraus, dass es keine persönlichen, zeitlichen und räumlichen Präferenzen des Konsumenten gibt und die Güter homogen sind. Darüber hinaus herrscht Markttransparenz (vollständige Information). Auch gibt es keine "time lags", dies bedeut, dass die Anbieter ohne zeitliche Verzögerung auf Reaktionen innerhalb des Marktes reagieren können. Des Weiteren muss gelten, dass der Marktzutritt frei ist.

Da die idealtypischen Modelle in der Realität nie vollständig anzutreffen sind, ist es bei der Betrachtung realer Wirtschaftssysteme nur sinnvoll, nach dem Grad der Konsumentensouveränität zu fragen. [7]

Des Weiteren fehlt in der Realität die vollständige Markttransparenz. Je nach den realen Bedingungen eines Geschäfts kann dies zu mehr oder weniger starken Abweichungen vom Leitbild der Konsumentensouveränität führen.[8] So fehlt den Konsumenten bei technisch komplexen Produkten häufig die Kenntnis darüber wo, unter welchen Bedingungen und mit welchen Qualitätsstandards die Produkte hergestellt wurden, zumal der Verbraucher oft nur wenig Zeit für die Kaufentscheidung zur Verfügung hat.[9]

Konkurrierende Vorstellung

Den Gegenpol zur Vorstellung der Konsumentensouveränität bildet die These einer Produzentensouveränität.[10] Demnach gehen die Lenkungskräfte nicht von den Verbrauchern sondern von den Produzenten aus, die die Bedürfnisse der Verbraucher durch Marketing beliebig formen könnten; der Konsument habe keinen maßgeblichen Einfluss auf die Produktion. Aus dieser Vorstellung wird normativ die Notwendigkeit eines starken Verbraucherschutzes abgeleitet.[11]

Literatur

  • Hermann van Bömmel: Konsumentensouveränität, Metropolis Verlag, 2003, ISBN 389518411X
  • Dietmar Jeschke: Konsumentensouveränität in der Marktwirtschaft: Idee, Kritik, Realität. Ausgabe 225 von Volkswirtschaftliche Schriften, Tesis doctorales, Philipps-Universität Marburg, Duncker & Humblot, 1975, ISBN 3428033000

Belege

  1. Jeschke S.20
  2. Hermann May (Hrsg.): Handbuch zur ökonomischen Bildung. Ausgabe 9, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2008, ISBN 3486587404, S.83
  3. Jeschke S.27
  4. Jeschke S. 219
  5. Birgit Wiese: „Konsumentensouveränität im Bereich sozialer Dienstleistungen: ein Mittel zur sozialen Integration?: Eine qualitative Studie am Beispiel der Obdach- und Wohnungslosenhilfe. Peter Lang, 2009, ISBN 3631585411S. 97 ff.
  6. Vgl. Jeschke S.210
  7. Willi Albers, Anton Zottmann (Hrsg.): Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft (HdWW). Band 4, Vandenhoeck & Ruprecht, 1978, ISBN 3525102542, S. 530
  8. Alain Anderton: Economics. Pearson Education India, ISBN 8177582070, S. 426.
  9. Alain Anderton: Economics. Pearson Education India, ISBN 8177582070, S. 426.
  10. John Kenneth Galbraith: The new industrial state. Neuauflage <1967>, Princeton University Press, 2007, ISBN 0691131414.
  11. Marina Tamm, Verbraucherschutzrecht, Mohr Siebeck, 1. Auflage, 2011, ISBN 978-3161508806, Seite 146f.

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