- Meritorik
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Der Begriff meritorisches Gut (meritorisch - veraltet für „verdienstvoll“) bezeichnet in den Wirtschaftswissenschaften ein Gut, von dem angenommen wird, dass es einen größeren Nutzen stiften könnte, als sich in der in freier Marktwirtschaft bestehenden Nachfrage widerspiegelt. Damit wird dessen Förderung durch staatliche Subventionen begründet. Umgekehrt bezeichnet man ein Gut als demeritorisch, wenn dieser Nutzen als geringer angesehen wird und daher die Nachfrage behindert werden sollte. Die Förderung meritorischer Güter wird als Meritorisierung bezeichnet.
Der Begriff wurde 1957 durch Richard Musgrave eingeführt.[1]
Die wichtigsten Ursachen für die zu geringe Nachfrage meritorischer Güter sind:
- Irrationale Entscheidungen: Man glaubt, dass die Konsumenten ihre Kaufentscheidungen nicht nach rationalen Erwägungen treffen, da sie die Vor- und Nachteile nicht hinreichend durchdenken oder die komplexen Wirkzusammenhänge nicht durchschauen. (Beispiel: Das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes im Auto wurde vom Gesetzgeber als irrationale Entscheidung bewertet, was zur Einführung der Gurtpflicht führte.)
- Unvollständige Information: Es wird angenommen, dass die Verbraucher nicht über die für eine optimale Budgetallokation notwendigen Informationen verfügen. (Beispiel: Hauseigentümer wissen oft nicht, welche Einsparungen sich durch Maßnahmen zur Wärmedämmung erzielen lassen, weshalb der Staat zeitweise entsprechende Prüfungen subventionierte.) Hierzu zählen auch Informationsasymmetrie und adverse Selektion.
- Falsche Zeitpräferenzrate: Die Zeitpräferenzrate gibt an, wie viel weniger Bedeutung man zukünftigen Ereignissen gegenüber gegenwärtigen beimisst. Meritorische Güter werden oft damit begründet, dass die Zeitpräferenzrate der Konsumenten zu hoch sei, sie also zu wenig an die Zukunft dächten. (Beispiel: Die Einführung der Pflicht zur Pflegeversicherung wurde damit begründet, dass die Menschen in jungen Jahren ihrer späteren Pflegebedürftigkeit zu geringe Bedeutung beimäßen.)
- Externe Effekte: Durch externe Effekte weicht der Nutzen des über die Nachfrage entscheidenden Individuums vom gesamten volkswirtschaftlichen Nutzen ab. Da der Konsument bei seinen Entscheidungen andere Nutzen als den eigenen nicht oder nicht genügend berücksichtigt, entspricht die Nachfrage nicht dem volkswirtschaftlichen Optimum. (Beispiel: Ein Hauseigentümer bewertet den Nutzen des Erhalts einer denkmalgeschützten Fassade nur nach dem daraus zu ziehenden Nutzen seiner Bewohner; da aber die übrigen Bewohner und Besucher der Stadt ebenfalls einen Nutzen aus ihr ziehen, wird der Erhalt der Fassade als meritorisches Gut durch Auflagen und Subventionen gefördert.)
Dieselben Gründe werden auch als Ursachen für die zu hohe Nachfrage demeritorischer Güter gesehen.
Das Konzept des (de-)meritorischen Guts wird von einigen Libertären kritisiert, da ihre Sanktionierung einen Eingriff in die Konsumentensouveränität der Individuen darstellt. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um ein Individualgut handelt.
Von den Befürwortern dieses Konzepts wird ein im positiven Sinne paternalistisch agierender Staat unterstellt. Dessen Akteure könnten im Hinblick auf das gesellschaftliche Wohl bessere Entscheidungen treffen als das Individuum selbst.
Weitere Beispiele
Beispiele für vom Gesetzgeber als meritorisch betrachtete Güter sind:
- Versicherungen, insbesondere Sozialversicherungen und bestimmte Haftpflichtversicherungen
- öffentlich-rechtlicher Rundfunk
- gesetzliche Altersvorsorge
- Vermögensbildung
- Sport
- Bildung
- Jugendbetreuung
- Gesundheitsvorsorge (z. B. Impfungen, Schutz vor Pandemien)
- Kultur
- Landwirtschaft bzw. Landschaftspflege (über Agrarpolitik/Subventionen: Quotierungen und Zuschüsse auf nationaler wie EU-Ebene)
- Biodiversität (z. B. Förderung über Natura 2000)
Beispiele für als demeritorisch angesehene Güter:
- Drogen einschließlich Alkohol und Tabak
- Glücksspiel
- Straßenverkehr
- Fossile Brennstoffe
Maßnahmen
Als Maßnahmen zur Sanktionierung kommen in Frage:
- Konsumgebote bzw. -verbote (z. B. Sozialversicherungspflicht, Betäubungsmittelgesetz)
- Subventionen bzw. Steuern und Abgaben (z. B. Kulturförderung, Mineralölsteuer)
- Information der Konsumenten (z. B. gesundheitliche Aufklärung)
- Indirekte Eingriffe in das Marktgeschehen (z. B. Werbebeschränkungen für Tabakwaren)
Quellen
- ↑ Musgrave, R. A.: A Multiple Theory of Budget Determination. Finanzarchiv 17(3): 333–43
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