Korporatistisch

Korporatistisch

Korporationen (lat. corpus „Körper“) stellen historische Vorläufer moderner Organisationen dar. Sie unterscheiden sich in ihren Strukturen und Funktionen von Vereinen und von formalen Organisationen, die auf der Freiwilligkeit des Eintritts und des Austritts ihrer Mitglieder und universalistischen Teilnahmebedingungen („jeder, der die Kriterien erfüllt..“) beruhen. Während diese sich erst auf der Grundlage von „Assoziationsfreiheit“ (Verein) und „freier Arbeit“ (formale Organisation) gesellschaftlich herausbilden und durchsetzen können, kommen Korporationen bereits im Mittelalter und der frühen Neuzeit vor. Beispiele, die zeitgenössisch als „universitas“ bezeichnet wurden, sind handwerkliche Zünfte und Kaufmannsgilden, politische Kollegien für Handel, Sicherheit, politischen Rat und Justiz, religiöse Bruderschaften wie Konvente und Abteien sowie auch studentische Vereinigungen und Korporationen von Magistern im Bereich von Erziehung und Wissenschaft. Im Vergleich zu modernen Organisationsformen fallen an Korporationen die Aspekte der Bestimmtheit und Verpflichtung, der Festlegung einer Ordnung und die partikularistischen, statusbezogenen Teilnahmeregeln auf.

Obwohl Korporationen Organisationen der ständischen Gesellschaft sind, stellen sie bereits ein Phänomen des Übergangs von der ständischen zur modernen, funktional differenzierten Gesellschaft dar (vgl. Stichweh 2000): ihre Spezialisierung auf wirtschaftliche, religiöse, politische oder rechtliche Aufgaben fügt sich nicht in die ständische, gruppenbezogene Struktur der vormodernen Gesellschaften; vielmehr bereiten sie mit ihren sachthematisch geordneten Zuständigkeiten die funktionale Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Recht, Erziehung etc. vor. Auch das Prinzip ihrer Mitgliedschaft enthält bereits ein strukturfremdes Element: Mitgliedschaften sind zwar gesellschaftlich noch nicht freigegeben, sie sind aber auch nicht erblich, also wie im Falle der Stände an Geburt gebunden. Mitgliedschaft setzt bereits einen gewissen Umfang der Ausbildung und Qualifizierung voraus.

Mit der korporativen Organisationsstruktur wird in der modernen Gesellschaft nicht vollständig gebrochen: Industrie- und Handelskammern sowie weitere berufsständische Organisationen wie auch die Sozialversicherungsträger beruhen auf Zwangsmitgliedschaft. An verfassungsrechtlichen Auseinandersetzungen um die „Pflichtmitgliedschaft“ in den Kammern kann man jedoch erkennen, dass dieses Prinzip in der modernen Gesellschaft einer besonderen Begründung bedarf. Ihre Legitimität bezieht sich nicht auf die Gewährung ständisch begründeter Sonderrechte, sondern vielmehr auf den Gesichtspunkt des Gemeinwohls: die egalitäre Chance der Wahrnehmung der Belange der Mitglieder gegenüber dem Staat, der die Kammern in einer Mittlerfunktion einsetzt.

Korporative Elemente (wie statusbezogene Teilnahmeformen) und Semantiken („Lebensbundprinzip“) werden darüber hinaus noch in den (studentischen) Verbindungen gepflegt, die strukturell allerdings als Vereine zu bezeichnen sind, die auf dem Prinzip des freiwilligen Eintritts und Austritts ihrer Mitglieder beruhen.

Siehe auch

Literatur

  • Stichweh, Rudolf 2000: Soziologie des Vereins. Strukturbildung zwischen Lokalität und Globalität, in: Emil Brix/Rudolf Richter (Hg.): Organisierte Privatinteressen. Vereine in Österreich, S. 19-31, Wien: Passagen Verlag.

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