Köse Mihal

Köse Mihal

Köse Mihal (* 13. Jahrhundert; † um 1340; deutsch: Michael der Bartlose, auch Michael der Spitzbart[1]) begleitete Osman Ghazi bei dessen Aufstieg zum selbstständigen Emir und Gründer des Osmanischen Reiches. Er gilt als der erste bedeutende, vom Christentum zum Islam übergetretene byzantinische Renegat in osmanischen Diensten.

Inhaltsverzeichnis

Quellenlage

Die mit Köse Mihal verbundenen Geschehnisse, deren historische Wahrheit nicht mehr zu ergründen ist und die weitgehend als mythisch und sagenhaft einzuschätzen sind, wurden erst im 15. Jahrhundert aufgeschrieben.[2][3] Die älteste osmanische Quelle, Menâkıb-ı Âli-i Osman von Yahşi Fakıh aus der Zeit des Sultans Bayezid I., ist zwar verschollen, war jedoch offensichtlich eine der Grundlagen für spätere Chronisten wie Aschikpaschazade[4] und Mehmed Neşrî[5], die auch über Köse Mihal berichteten. In ihren grundlegenden Werken stützten sich die deutschsprachigen Orientalisten und Historiker Joseph von Hammer-Purgstall[6] und Nicolae Iorga[7] in Bezug auf Köse Mihal zudem auf Idris-i Bitlisi[8], Hodscha Sa’eddin Mehmet[9] und Leunclavius[10] Hinweise auf diese und weitere, teilweise neu erschlossene Quellen findet man bei Klaus Kreiser: Der Osmanische Staat 1300-1922.[11] Die Aussagen aller alten Quellen über Köse Mihal beschränken sich im Wesentlichen auf dessen Verhältnis zu Osman Ghazi und Orhan Ghazi. Über ihn als Person wird nur aus in diesem engen Blickwinkel berichtet.[12]

Leben

Nach den genannten Geschichtsschreibern war Köse Mihal byzantinischer Statthalter von Chirmenkia (Harmankaya, heute Harmanköy) und griechischer Herkunft.[13] Schon vor seinem Übertritt zum Islam wurde er vom Gegner zum „treue[n] Freund“[14] Osman Ghazis. Er beteiligte sich als Verbündeter mit seinen Dienstleuten an dessen Kriegszügen und unterstützte ihn zudem als ortkundiger Führer, Berater und diplomatischer Vermittler.[15][16] Die Berichte über Zeitpunkt und Anlass seines Glaubenswechsels sind widersprüchlich. Einerseits sei er gezwungenermaßen oder Osman Ghazi zuliebe, andererseits wegen eines bedeutungsvollen Traumes aus Überzeugung zum Muslim geworden.[17][18] Als zeitlicher Rahmen dafür gelten die Jahre 1304 und 1313.[19][20][21]. Als Muslim wurde Köse Mihal auch „Abd Allah“ (Abdullah) genannt.[22]

Bei der Eroberung Bursas 1326 spielte Köse Mihal vor allem als Berater und diplomatischer Gesandter Orhan Ghazis, des Sohnes und Nachfolgers Osman Ghazis, eine bedeutende Rolle.[23] Orhan Ghazi soll es gewesen sein, der ihm den erblichen Oberbefehl über die Akıncı gab. Köse Mihal war damit der erste der ehemals christlichen Renegaten, die in allen Bereichen des osmanischen Staates tragende Funktionen übernahmen.[24][25] Köse Mihals Nachkommen, als Mihaloğlu berühmt, wurden besonders im 15. und 16. Jahrhundert politisch und militärisch erfolgreiche osmanische Würdenträger und Heerführer in Rumelien. Sie gelangten aber nicht in die höchsten Staatsämter, was auf einen Traum Sultan Murads II. zurückgehen soll.[26]

Nach der Einnahme Bursas wird Köse Mihal in den Quellen nicht mehr erwähnt. Kreutel merkt an, Köse Mihal sei um 1340 gestorben.[27]

Dass Köse Mihal in Adrianopel in einer Türbe bei einer von ihm selbst gestifteten Moschee beerdigt sei, führte Babinger in E. J. Brill's first encyclopaedia of Islam an.[22] Demnach hätte Köse Mihal mindestens bis nach der Eroberung Adrianopels durch Murad I. im Jahre 1361 gelebt und damit ein sehr hohes Alter erreicht. Doch Babinger unterlief ein Fehler. Er verwechselte Köse Mihal mit Ghazi Mihal Bey, einem Enkel Köse Mihals, dessen Moscheekomplex mit Imaret (zerstört) und Hamam (Ruinen) in Adrianopel unter Sultan Murad II. 1422 fertiggestellt wurde. Auf dem angegliederten Friedhof steht die Türbe des Stifters Ghazi Mihal Bey.[28]

Verfilmungen

  • Kuruluş / Osmancık (Die Gründung / Osmancık), Türkei 1987, eine TRT-Produktion, Drehbuch: Tarık Buğra mit Ahmet Mekin als Köse Mihal[29][30]

Siehe auch

Literatur

  • Derwisch Ahmet-i ‘Aşıki (genannt ‘Aşık-Paşa-Sohn): Menakıb u tevarih-i ‘Al-i ‘Osman (Denkwürdigkeiten und Zeitläufte des Hauses Osman). In Richard Franz Kreutel (Hrsg./Bearbeiter): Vom Hirtenzelt zur Hohen Pforte. Osmanische Geschichtsschreiber Bd. 3, Graz 1959
  • Joseph Hammer-Purgstall: Geschichte des Osmanischen Reiches. Bd.1, Pest 1827
  • Nicolae Jorga: Die Geschichte des Osmanischen Reiches nach Quellen dargestellt, unveränderte Neuausgabe, Primus Verlag Darmstadt 1997
  • Johannes Leunclavius: Annales Svltanorvm Othmanidarvm, A Tvrcis Sva Lingva Scripti Frankfurt a. M. 1588/1596, deutsch: Neuwe Chronica Türckischer Nation von Türcken selbst beschrieben ... Frankfurt a. M. 1590
  • Ferenc Majoros u. Bernd Rill: Das Osmanische Reich 1300-1922, Wiesbaden 2004
  • Mihaloğlu Mehmet Nüzhet Paşa: „Ahval -i al-i Gazi Mihal“. 1897 (osmanisch)
  • Mehmed Neşrî: Kitâb-I Cihan-Nümâ. Teilweise ediert und übersetzt in Zeitschrift der Deutschen morgenländischen Gesellschaft. 13. Band 1859

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Joseph Hammer-Purgstall: Geschichte des Osmanischen Reiches. Erster Band, Pest 1827, S. 48
  2. Ferenc Majoros u. Bernd Rill: Das Osmanische Reich 1300-1922, Wiesbaden 2004, S. 381
  3. Klaus Kreiser: Der Osmanische Staat 1300-1922. 2., aktualisierte Auflage, München 2008, S. 99f
  4. Derwisch Ahmet-i ‘Aşıki (genannt ‘Aşık-Paşa-Sohn): Menakıb u tevarih-i ‘Al-i ‘Osman (Denkwürdigkeiten und Zeitläufte des Hauses Osman). In Richard Franz Kreutel (Hrsg./Bearbeiter): Vom Hirtenzelt zur Hohen Pforte. Osmanische Geschichtsschreiber Bd. 3, Graz 1959
  5. Mehmed Neşrî: Kitab-ı Cihannüma.
  6. Joseph von Hammer-Purgstall: Geschichte des osmanischen Reiches. Erster Band, Pest 1827
  7. Nicolae Iorga: Geschichte des Osmanischen Reiches. Gotha 1908-1913
  8. Idris-i Bitlisi: Heşt Bihişt. (Die acht Paradiese)
  9. Hodscha Sa’eddin Mehmet: Tac üt-tevarih (Krone der Geschichten). Eine Reichsgeschichte von der Staatsgründung bis zum Tode Selims I.
  10. Johannes Leunclavius: Historiae Musulmanae Turcorum, De Monumentis Ipsorum Exscriptae, Libri XVIII. Frankfurt/M. 1591 unter dem deutschen Titel Hansen Löwenklaus Neue Chronika türkischer Nation. Frankfurt 1590, 1595
  11. Klaus Kreiser: Der Osmanische Staat 1300-1922. 2., aktualisierte Auflage, München 2008. II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung, B. Die Quellen, S. 93-111
  12. Derwisch Ahmet-i ‘Aşıki (genannt ‘Aşık-Paşa-Sohn): Menakıb u tevarih-i ‘Al-i ‘Osman (Denkwürdigkeiten und Zeitläufte des Hauses Osman). In Richard Franz Kreutel (Hrsg./Bearbeiter): Vom Hirtenzelt zur Hohen Pforte. Osmanische Geschichtsschreiber Bd. 3, Graz 1959, S. 7-16
  13. Ferenc Majoros u. Bernd Rill: Das Osmanische Reich 1300-1922, Wiesbaden 2004, S. 96
  14. Nicolae Jorga nach Leunclavius (Lewenklaw): Annales sultanorum othmanidarum, Frankfurt 1596, Sp. 129
  15. İbrahim Kaya - Şahin: AŞIKPAŞA-ZADE AS HISTORIAN: A STUDY ON THE TEVARiH-i AL-i OSMAN. S. 14
  16. Derwisch Ahmet-i ‘Aşıki (genannt ‘Aşık-Paşa-Sohn): Menakıb u tevarih-i ‘Al-i ‘Osman (Denkwürdigkeiten und Zeitläufte des Hauses Osman). In Richard Franz Kreutel (Hrsg./Bearbeiter): Vom Hirtenzelt zur Hohen Pforte. Osmanische Geschichtsschreiber Bd. 3, Graz 1959, S. 32ff
  17. Derwisch Ahmet-i ‘Aşıki (genannt ‘Aşık-Paşa-Sohn): Menakıb u tevarih-i ‘Al-i ‘Osman (Denkwürdigkeiten und Zeitläufte des Hauses Osman). In Richard Franz Kreutel (Hrsg./Bearbeiter): Vom Hirtenzelt zur Hohen Pforte. Osmanische Geschichtsschreiber Bd. 3, Graz 1959, S. 46
  18. İbrahim Kaya - Şahin: AŞIKPAŞA-ZADE AS HISTORIAN: A STUDY ON THE TEVARiH-i AL-i OSMAN. S. 125
  19. Leunclavius: Annales sultanorum othmanidarum, Frankfurt 1596, Sp. 129
  20. Mehmed Nesrî: Kitâb-I Cihan-Nümâ - Nesrî Tarihi 1.Cilt, Hrsg: Prof. Dr. Mehmed A. Köymen und Faik Resit Unat
  21. İsmail Hakkı Uzunçarşılı: Osmanlı Tarihi Cilt I -IV Ankara 1972 - 1978
  22. a b Franz Babinger: MĪKHĀL-OGHLU. In E. J. Brill's first encyclopaedia of Islam. Leiden 1913 - 1936, S.493-495
  23. Mehmed Neşrî, zitiert in Zeitschrift der Deutschen morgenländischen Gesellschaft. 13. Band 1859, S. 214
  24. Nicolae Jorga: Die Geschichte des Osmanischen Reiches nach Quellen dargestellt, unveränderte Neuausgabe, Primus Verlag Darmstadt 1997, Bd. 2, S. 204
  25. Hans Joachim Kissling: Dissertationes orientales et balcanicae collectae, III. Die Osmanen und Europa. München 1991, S. 217-225
  26. Richard F. Kreutel: Leben und Taten der türkischen Kaiser. Die anonyme vulgärgriechische Chronik Codex Barberinianus Graecus 111 (Anonymus Zoras). Graz et altera 1971, S. 94f
  27. Derwisch Ahmet-i ‘Aşıki (genannt ‘Aşık-Paşa-Sohn): Menakıb u tevarih-i ‘Al-i ‘Osman (Denkwürdigkeiten und Zeitläufte des Hauses Osman). In Richard Franz Kreutel (Hrsg./Bearbeiter): Vom Hirtenzelt zur Hohen Pforte. Osmanische Geschichtsschreiber Bd. 3, Graz 1959, S. 299
  28. Gazi Mihal Bey Camii (Bilder, Text türkisch) abgefragt am 8. September 2008
  29. Sinematürk.com
  30. Osmancık Online bei Google Video (türk.)

Weblinks


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