- Lebensatem
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Hauchseele oder Atemseele ist eine Bezeichnung für die in vielen Kulturen verbreiteten Vorstellung, dass der Atem als Sitz der Lebenskraft (von daher auch der Ausdruck Lebensatem, vgl. Psyche) gleichzeitig auch das Seelische anzeige oder sogar mit dem identisch sei, was als Seele des Menschen jeweils angesehen wurde. In Indien finden sich für beides Entsprechungen in den Begriffen Atman und Prana, in China gibt es die Hun-Seele und das Qi.
Der Begriff Hauchseele entspricht eher dem ethnologischen und religionswissenschaftlichen Begriffsgebrauch, der Begriff Atemseele bezeichnet in manchen Kulturen und Religionen nur einen Teilaspekt der Seele, eine besondere seelenhafte Wesenheit oder auch eine spezielle Erscheinungsweise der Seele unter anderen. Der Begriff der Atemseele findet auch oft Verwendung im Zusammenhang mit ganzheitlichen oder esoterischen Praktiken.
Die Entstehung der Vorstellung von der Hauchseele erklärt sich naheliegender Weise zunächst dadurch, dass tierisches und menschliches Leben sich von außen betrachtet am auffälligsten durch die ständige Aktivität zu atmen zeigt. Zugleich ist das Atmen mit der unsichtbaren und daher ursprünglich schwer verständlichen Lautbildung verbunden. Mit dem Atmen verbindet sich also auch das Lautgeben mit Lautzeichen und dann das mit Vorstellungen verbundene Sprechen in Sprache. Nahe liegt auch, Atemhauch und Wind (griech. ἄνεμος und lat. animus) zusammenzubringen. Die bei vielen Naturvölkern verbreitete Vorstellung, dass sich im Wispern und Geraune des Windes – der zudem auf schwer fassbare, weil unsichtbare Weise auch die Kraft hat, Blätter und Bäume zu bewegen – die Seelen der Ahnen oder anderer Geister äußern könnten, Vorstellungen, die im weiteren zum allgemeinen Animismus geführt haben, dürfte hier eine ihrer Ursachen haben wie vielleicht auch die Idee einer Seelenwanderung der Hauchseele über die Vorstellung eines Zusammenhangs von Menschenatem - Luft/Wind - Tieratem. Das Erleben von ebenfalls schwer fassbaren und offenbar mit der Luft verbundenen Gerüchen könnte Anlass für die weitere Vorstellung wie einem Entweichen eines bösen Geistes aus dem Körper des (verwesenden) Leichnams gewesen sein.
Es scheint möglich, dass der in zahlreichen alten Kulturen verbreiteten Praxis des Brand- und Rauchopfers allgemein die Vorstellung zu Grunde liegt, der beim Verbrennen des Opfergutes aufsteigende Rauch (Luft/Wind) trage die Essenz des Lebens in sich und zu den Göttern. Zumindest für die Kultur der klassischen Maya scheint der Zusammenhang zwischen Hauchseele und Brandopfer belegt.
Plausibler noch erscheint die Auffassung, dass der letzte Hauch, der letztmalige Atemzug beim Tode als Entweichen der Lebenskraft oder einer Seele verstanden wurde und damit das Ende des Lebens angezeigt wird, das mit dem ersten Atemzug, dem Eintreten des Atems oder der Seele in den Körper bei der Geburt beginnt.
Die Vorstellung von der Hauchseele liegt auch den Begriffen Odem und Lebenshauch zugrunde. Im Lateinischen hat Anima die Doppelbedeutung "Seele" und "Atem". In der jüdisch-christlichen Tradition haucht Gott Adam den Lebenshauch, den Ruach, ein, und noch im weiteren Verlauf des Alten Testaments finden sich Überlegungen, ob der Lebenshauch der Menschen und der Tiere nicht dasselbe Geschick haben könne.[1]
Belege
- ↑ Züricher Bibel, Prediger 3/16: „Der Mensch hat vor dem Tier keinen Vorzug. Denn alle gehen an einen Ort, alle sind sie aus Staub geworden, und alle werden wieder zu Staub. Wer weiß, ob der Odem der Menschenkinder emporsteigt oder der Odem der Tiere hinabfährt zur Erde?“
Literatur
- Hans-Peter Hasenfratz: Die Seele. Einführung in ein religiöses Grundphänomen. Theologischer Verlag, Zürich 1986
- Hermann Hochegger: Die Vorstellungen von "Seele" und Totengeist bei afrikanischen Völkern. Anthropos 1965: 60, 273-339
- Jill Leslie McKeever Furst: The natural history of the soul in ancient Mexico. Yale University Press, New Haven 1995
- Ivar Paulson: Seelenvorstellungen und Totenglaube der permischen und wolga-finnischen Völker. Numen 1964: 11, No. 3, S. 212-242
- Marielene Putscher: Pneuma, Spiritus, Geist. Vorstellungen vom Lebensantrieb in ihren geschichtlichen Wandlungen. Steiner, Wiesbaden 1974 (Habil. Med. Fakultät Köln 1970 mit Quellenverzeichnis von ca. 600 v. Chr. - 1700 n. Chr.)
- Franz Rüsche: Das Seelenpneuma. Seine Entwicklung von der Hauchseele zur Geistseele. Schöningh, Paderborn 1933
Siehe auch
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