- Lichtenstein (Radar)
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Ein Nachtjäger Messerschmitt Bf 110G im RAF-Museum in Hendon, mit der mittleren Version der „Hirschgeweih“-Antenne zur Verwendung mit dem FuG 220 „Lichtenstein SN-2“-Radar.
Das „Lichtenstein“-Gerät, eine Entwicklung von Telefunken, war eines der ersten Bordradargeräte, das der deutschen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg zur Verfügung stand.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Erste Erprobungen fanden Mitte 1941 statt. Im Jahre 1942 wurde die erste Version FuG 202 (Funk-Gerät) Lichtenstein B/C eingesetzt. Sie arbeitete auf einer Wellenlänge von 75 cm (490 MHz im unteren UHF-Band) und erforderte relativ große Antennen, die schnell den Spitznamen „Matratze“ aufkommen ließen.
Im Jahre 1943 wurde eine verbesserte Version als FuG 212 Lichtenstein C-1 mit einem größeren und breiteren Erfassungsbereich ausgeliefert. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Briten bereits Methoden zur Störung von Radargeräten erprobt. Nachdem im April 1943 ein Nachtjäger vom Typ Ju 88 C-6 mit einem FuG 202 B/C in England gelandet war, hatten die Briten Kenntnis von der Existenz des deutschen Flugzeug-Bordradars erhalten. Die sich daraus ergebende Anpassung der Aluminiumstreifen zur Radarstörung, die in Deutschland als Düppel, in England als Window bezeichnet wurden, machte das Bordradarsystem für einige entscheidende Wochen weitgehend nutzlos.
Spät im Jahre 1943 begann die Luftwaffe, das verbesserte Gerät FuG 220 Lichtenstein SN-2 zu verwenden, das auf der niedrigeren Frequenz von 90 MHz am unteren Ende des VHF-Rundfunkbands betrieben wurde. Das Gerät war weit weniger empfindlich gegen elektronische Störmaßnahmen, wegen der größeren Wellenlänge musste die Antennenanlage jedoch deutlich vergrößert werden, was die Höchstgeschwindigkeit der Nachtjäger um mehr als 50 km/h reduzierte. Diese Antennenanlage wurde unter dem Spitznamen „Hirschgeweih“ bekannt. Die ersten SN-2-Geräte hatten einen großen Minimalabstand von 500 m zum Ziel, der eine zusätzliche kleinere Antenne an der Flugzeugnase und ein zweites Lichtenstein B/C oder C-1 für den unteren Abstandsbereich erforderlich machte. Im Frühjahr 1944 konnte durch Verbesserungen am SN-2 auch der untere Abstandsbereich abgedeckt werden. Am 13. Juli 1944 fiel diese verbesserte Version den Alliierten in die Hände, nachdem eine voll ausgerüstete Ju 88 G-1 wegen eines Navigationsfehlers irrtümlich auf der RAF-Basis Woodbridge in England gelandet war. Die Besatzung hatte den Fehler zu spät bemerkt – für eine Zerstörung des Radargerätes und des Freund-Feind-Erkennungs-Gerätes („Erstling“) war es zu spät. Ebenfalls an Bord dieser Ju 88 befand sich das den Alliierten bisher unbekannte FuG 227 Flensburg zur Anpeilung von Emissionen des in britischen Bombern installierten Monica-Radarwarngerätes. Dieser Fehler der Besatzung führte zur umgehenden Abschaltung aller Monica-Radarwarnanlagen und der Blockierung einiger Frequenzbereiche des SN-2. Deutsche Nachtjäger erhielten darauf eine neue Version der „Hirschgeweih“-Antenne mit um 45 Grad geneigten Dipolen für besseren Empfang der nicht blockierten Frequenzen.
Gegen Ende des Jahres 1944 wurde die Morgenstern-Antenne entwickelt, die endlich klein genug war, um in der Flugzeugnase der Ju 88 unter einer Holzabdeckung untergebracht werden zu können. Das SN-2 wurde zum FuG 228 Lichtenstein SN-3 weiterentwickelt, das aber nicht mehr in großem Umfang eingesetzt wurde. Die Entwicklung von Störmaßnahmen durch die Alliierten gegen das SN-2 dauerte länger, aber ab Ende 1944/Anfang 1945 waren sie erfolgreich durchführbar.
Ein neues System mit 9 cm Wellenlänge war das FuG 240 „Berlin“, das auf der Technologie eines erbeuteten alliierten Hohlraum-Magnetrons basierte. Dieses System wurde in einigen Ju 88 G-6 erprobt, bis zum Kriegsende jedoch nur in 25 Exemplaren produziert.
Die britischen Nachtjäger de Havilland Mosquito DH 98 waren mit einem Gerät namens Serrate ausgerüstet, das ihnen die Verfolgung der deutschen Nachtjäger auf Grund der Funkabstrahlung der Lichtenstein-B/C-, C-1- und SN-2-Geräte erlaubte. Ein System namens Perfectos zur Abfrage der deutschen „Erstling“-Freund-Feind-Kennungsgeber befand sich ebenfalls an Bord der Mosquitos.
Galerie
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FuG 202 an einer Dornier Do 17
Technische Daten
FuG 202 FuG 214/216 FuG 220 Sendefrequenz 410–540 MHz 335–362 MHz 90 MHz Empfangsfrequenz 479–499 MHz 335–362 MHz 90 MHz Impulsleistung 450 W 450 W 2000–2500 W Impulsdauer 1 μs 1 μs 1 μs Impulsfrequenz 2700 Hz 2700 Hz 292/295/298 Hz 3 dB Öffnungswinkel 30° 35° seitlich, 20° hoch, 55° tief Peilgenauigkeit 3° Stromversorgung 24 V DC, 8 A unbekannt Antennengewinn 13 dB 5 db Gewicht 55 kg je Satz 55 kg je Satz Röhrenbestückung 12 × RV12P2000, 2 × RS394, 7 × LV1, 5 × LD2, 2 × LG1, 5 × LD1 Reichweite 0,2–4 km 0,2–4 km 0,5–5 km Deutsche Quellen weichen teilweise von diesen Werten ab. [1]
Siehe auch
- Funkmessgeräte – Übersicht deutscher Radargeräte im Zweiten Weltkrieg
Quellen
- ↑ TME 11-219 Directory of German Radar Equipment
Weblinks
- http://www.cdvandt.org/Lichtenstein%20radars.pdf (PDF-Datei; 2,67 MB)
- http://www.cdvandt.org/Jucker-JU%2088-G6-C9-AR%20Land-Duebendf.pdf
- Britischer Geheimdienstbericht – Ju 88 G-1 mit FuG 220 SN-2 und FuG 227 landete irrtümlich in Woodbridge (englisch, PDF-Datei, 44 kB)
Literatur
- Fritz Trenkle: Die deutschen Funkführungsverfahren bis 1945. Dr. Alfred Hüthig Verlag Heidelberg, 1987, ISBN 3-7785-1647-7.
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