Lon Fuller

Lon Fuller

Lon Luvois Fuller (* 15. Juli 1902 in Hereford, Texas; † 8. April 1978) war ein amerikanischer Rechtsphilosoph.

Sein rechtsphilosophisches Hauptwerk ist The Morality of Law (1. Aufl. 1964, 2., überarbeitete Aufl. 1969), in dem er – hierbei kritisch die Thesen der Rechtsphilosophie H.L.A. Harts reflektierend – das Verhältnis von Recht und Moral diskutiert. Lon Fuller war Professor für Rechtswissenschaft an der Universität Harvard. Sehr berühmt wurde eine im Jahre 1958 in der Zeitschrift Harvard Law Review veröffentlichte Debatte zwischen ihm und H.L.A. Hart, die bereits die Kernaussagen der modernen Auseinandersetzung zwischen dem Rechtspositivismus (in der Debatte vertreten durch H.L.A. Hart) und der Naturrechtslehre (vertreten durch Lon Fuller) enthält. Der berühmteste Student Fullers aus dessen Zeit als Dozent an der Universität Harvard ist der amerikanische Rechtsphilosoph Ronald Dworkin, dessen eigene Rechtsphilosophie Fuller erheblich beeinflusste. Neben seiner Beschäftigung mit rechtsphilosophischen Themen betätigte sich Lon Fuller auch als Vertragsrechtler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Fuller war der Sohn eines Bankangestellten.[1] 1906 zog seine Familie von Texas nach Kalifornien um. Fuller studierte ab 1919 Rechtswissenschaften und Wirtschaftswissenschaften in Berkeley (bis 1920) und Stanford (1920–1926), das er 1926 mit der Promotion in Rechtswissenschaften abschloss. Seine akademische Karriere als Dozent begann er 1926 an der Oregon School of Law. Anschließend hatte er Professuren an der University of Illinois und von 1931 bis 1939 an der Duke Law School inne. An der Duke Law School war einer seiner Studenten der spätere US-Präsident Richard Nixon. Nachdem er dort bereits 1939/1940 als Gastprofessor tätig gewesen war, erhielt Fuller 1940 einen Ruf an die Universität Harvard, an der er bis zu seinem Tod im Jahre 1978 lehrte.

Werk

Den Kern des rechtsphilosophisches Werkes Lon Fullers bildet seine Kritik der von H.L.A. Hart vertretenen Variante des Rechtspositivismus. Fuller vertritt – im Gegensatz zu Hart – die These eines notwendigen begrifflichen Zusammenhangs von Recht und Moral. Im Rahmen einer fiktiven Geschichte über einen sogenannten König Rex führt Fuller in seinem Werk The Morality of Law acht seiner Ansicht für alle Rechtssysteme fundamentale Probleme auf. König Rex versucht sich als Gesetzgeber, scheitert jedoch stets dann an seiner Aufgabe, verbindliche und gehaltvolle Rechtsnormen zu erlassen, wenn er "Gesetze" erlässt, die an einem der folgenden acht Problemen leiden[2]:

  1. Ein genereller Mangel an Gesetzen, der zu einer uneinheitlichen Ad-hoc-Rechtsprechung führt (the lack of rules of law, which leads to ad-hoc and inconsistent adjudication).
  2. Nicht bekanntgegebene Gesetze, von denen niemand etwas weiß (failure to publicize or make known the rules of law).
  3. Unklare oder extrem vage Gesetze (unclear or obscure legislation that is impossible to understand).
  4. Widersprüchliche Gesetzgebung (contradictions in the law).
  5. Gesetze, die an die Bürger oder die Administration unerfüllbar hohe Anforderungen stellen (demands that are beyond the power of the subjects and the ruled').
  6. Eine ständige wechselnde Gesetzgebung mit teilweise täglich geänderten Gesetzen (unstable legislation).
  7. Abweichungen der Rechtsprechung und Verwaltung von den legislativ erlassenen Gesetzen (divergence between adjudication/administration and legislation).

Fuller zieht aus den tragischen Bemühungen von König Rex die folgenden Schlüsse: Es sei der Zweck des Rechts, menschliches Verhalten an der Herrschaft bestimmter Regeln ("rules") auszurichten. Jedem der acht aufgeführten fundamentalen Probleme entspreche ein korrespondierendes gesetzgeberisches Prinzip, das dazu diene, jene fundamentalen Probleme zu vermeiden. Wenn auch nur eines dieser Prinzipien seitens des Gesetzgebers dauerhaft verletzt werde, verliere das in Frage stehende Rechtssystem seine Eigenschaft als Rechtssystem[3]. Je mehr sich ein Rechtssystem an den acht Prinzipien orientiere, umso mehr entspreche es dem Ideal eines Rechtssystems. Fuller räumt jedoch ein, dass in der Praxis kein tatsächliches Rechtssystem dem Idealbild entspreche, vielmehr jedes Rechtssystem an irgendeiner Stelle Kompromisse im Hinblick auf eines oder mehrere der genannten Prinzipien eingehe. Diese Prinzipien bilden Fuller zufolge die von ihm so bezeichnete "innere Moralität des Rechts"' ("inner morality of law"). Würden Gesetze strikt an den Prinzipien ausgerichtet, führe dies automatisch dazu, dass die erlassenen Gesetze gerechte Gesetze seien.

H.L.A. Hart kritisierte in seiner Rezension des Werkes The Morality of Law die von Fuller gewählte Bezeichnung der acht Prinzipien als die innere Moral des Rechts (the inner morality of law). Die Prinzipien seien ungeeignet, die von Fuller angestrebte Moralität des Rechts zu gewährleisten, da es sich nicht um moralische Prinzipien, sondern lediglich um auf eine effektive Gesetzgebung gerichtete Prinzipien handele.[4]

Literatur

Werke Lon Fullers (Auswahl)

  • Positivism and Fidelity to the Law – A Reply to Professor Hart, in: Harvard Law Review 71 (1958), S. 630-672
  • The Morality of Law, Yale University Press: New Haven und London 1963 (2., überarbeitete Auflage 1969)

Sekundärliteratur

  • Achim Doerfer, Die Moral des Rechts: zur Rechtsphilosophie Lon L. Fullers, Baden-Baden: Nomos, 2006

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Alle biographischen Informationen entstammen: Achim Doerfer, Die Moral des Rechts. Zur Rechtsphilosophie Lon L. Fullers, Baden-Baden 2006
  2. Lon L. Fuller, The Morality of Law, 2. Aufl., New Haven und London 1969, S. 33-38
  3. Lon L. Fuller, The Morality of Law, 2. Aufl., New Haven und London 1969, S. 41
  4. H.L.A. Hart, Review of The Morality of Law, in: Harvard Law Review 78 (1965), S. 1281-1296

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Lon Fuller — Lon L. Fuller Nombre completo Lon Luvois Fuller Nacimiento 15 de junio de 1902 Defunción 8 de abril de 1978, 75 años Género …   Wikipedia Español

  • Fuller — ist ein berufsbezogener englischer Familienname, der sich auf das Walken von Wolle bezieht.[1] Inhaltsverzeichnis A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U …   Deutsch Wikipedia

  • Fuller (surname) — Fuller is a surname referring to someone who treats cloth or leather with the process called Fulling (synonymous with Tanner) and may refer to:*Alexandra Fuller, British writer *Alfred Fuller (1885 1973), Canadian businessman *Alvan T. Fuller… …   Wikipedia

  • Lon Milo DuQuette — Born 11 July 1948(1948 07 11) Long Beach, California, USA Lon Milo DuQuette, AKA Rabbi Lamed Ben Clifford, is an American writer, lecturer, and occultist, best known as an author who applies humor in the field of Western Hermeticism. Contents …   Wikipedia

  • Lon L. Fuller — Infobox Philosopher region = Western Philosophy era = 20th century philosophy color = lightsteelblue image size = 200px image caption = name = Lon L. Fuller birth = 1902 death = 1978 school tradition = main interests = Legal philosophy notable… …   Wikipedia

  • Hart-Fuller debate — The Hart Fuller debate is an exchange between Lon Fuller and H.L.A. Hart published in the Harvard Law Review in 1958 on morality and law, which demonstrated the divide between the positivist and natural law philosophy. Appearing in 1958 in the… …   Wikipedia

  • J. F. C. Fuller — John Frederick Charles Fuller J.F.C. Fuller Born 1878 Chichester …   Wikipedia

  • Jurisprudence — For the jurisprudence of courts, see Case law. Philosophers of law ask what is law? and what should it be? Jurisprudence is the theory and philosophy of law. Scholars of jurisprudence, or legal theorists (including legal philosophers and social… …   Wikipedia

  • Liste der Biografien/Fu — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • The Case of the Speluncean Explorers — is a famous hypothetical legal case used in the study of law, which was written by Lon Fuller in 1949 for the Harvard Law Review.In the hypothetical case, a trapped team of five spelunkers determine via radio contact with physicians that they… …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”