Lügendetektortest

Lügendetektortest

Ein Lügendetektor (im Englischen und in manchen Übersetzungen: Polygraph) ist ein Gerät, das kontinuierlich den Verlauf von körperlichen Parametern – wie Blutdruck, Puls und Atmung – einer Person während einer Befragung misst und aufzeichnet. Diese Daten werden durch den Polygraphisten interpretiert, um auf den Wahrheitsgehalt der Aussagen zu schließen. Unter Wissenschaftlern ist die den Lügendetektoren zugrundeliegende Theorie umstritten.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung und Geschichte

Die Grundidee zum Lügendetektor geht auf die Psychologen Carl Gustav Jung und Max Wertheimer zurück. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts veröffentlichten sie zwei unabhängige Arbeiten zur Nutzung psychophysiologischer Verfahren als Indikatoren für juristische Belange. Vittorio Benussi konstruierte im März/April 1913 an der Universität Graz einen Apparat, der die Atmungsphasen und den Puls registriert und an dem abgelesen werden kann, ob die Versuchsperson lügt - den ersten Lügendetektor. Polygraphen wurden zum ersten Mal am 2. Februar 1935 in einem Experiment von Leonard Keeler getestet.

Seitdem haben sich Polygraphen in vielen Ländern verbreitet, das Hauptanwendungsgebiet war und sind jedoch wohl die USA, in denen mit der American Polygraph Organisation auch eine einflussreiche Organisation existiert. Die Anwendungsgebiete erstrecken sich von Bewerbungsgesprächen für eine Arbeitsstelle bis zum Verhör von Angeklagten. Auch der Geheimdienst CIA und die Bundespolizei FBI in den USA verwenden Lügendetektoren, um die Vertrauenswürdigkeit von aktuellen und potentiellen Mitarbeitern zu beurteilen.

Neben den Polygraphen wurden in jüngerer Zeit alternative Methoden für Lügendetektoren entwickelt. Darunter sind rein stimmenbasierte, die Änderungen in der Stimme als Indikator für Lügen verwenden und bei einem Telefongespräch eingesetzt werden können, sowie Infrarotkameras, mit denen die Durchblutung des Gesichts sichtbar gemacht und als Indikator verwendet wird.

Theorie

Alle existierenden Lügendetektoren basieren auf der Annahme, dass Menschen beim Lügen mindestens geringfügig nervös werden. Auch wenn diese Nervosität dem Gegenüber unsichtbar bleibt, erzeugt sie durch das vegetative Nervensystem unwillkürliche Reaktionen, die durch entsprechende Messgeräte sichtbar gemacht und aufgezeichnet werden können.

Geeignete Reaktionen sind unter Anderem:

Für eine zuverlässige Bewertung werden mehrere dieser Reaktionen gleichzeitig überwacht. Der Polygraph an sich ist nicht mehr als ein Messgerät, das eben diese Reaktionen misst und aufzeichnet. Eine Auswertung findet durch das Gerät nicht statt und obliegt allein dem Polygraphisten, der entsprechend ausgebildet wurde. Ein Polygraphist soll in der Lage sein, echte Reaktionen von willentlich herbeigeführten unterscheiden zu können.

Gehirnscans als Lügendetektor

Neue Methoden versuchen den Wahrheitsgehalt einer Aussage anhand von Gehirnscans festzustellen. Mittels fMRT-Aufnahmen, die aktive Hirnareale sichtbar machen, wollen Firmen wie z.B. Cephos Trefferquoten von 90% erreicht haben.[1] Die grundsätzliche Idee ist, dass Lügen ein komplexerer Vorgang ist, als die Wahrheit zu sagen; demzufolge sind dabei mehr bzw. andere Gehirnareale aktiv. Eine weitere Begründung lautet: die Lüge strengt das Gehirn mehr an als die Wahrheit und deshalb werden bestimmte Regionen stärker durchblutet. [2]

Durchführung eines Polygraphen-Tests

Die Befragung wird durch den Polygraphisten durchgeführt, während der Untersuchte an den Lügendetektor angeschlossen ist. Der Polygraphist markiert in der Ausgabe des Detektors die Stellen, an denen Fragen gestellt oder Antworten gegeben werden, um später die Zuordnung zu ermöglichen.

Vor und während der eigentlichen Befragung wird das normale Maß an Reaktionen festgestellt, die als Vergleichsbasis für die Auswertung der relevanten Fragen verwendet wird. Bei der Kontrollfragenmethode werden zusätzlich Fragen gestellt, deren Antwort erwartungsgemäß "ja" ist, die von den Befragten aber dennoch meist verneint werden (z.B. "Haben Sie jemals etwas von Ihrem Arbeitsplatz mitgehen lassen?"). Die andere Möglichkeit sind gerichtete Lügenkontrollfragen, bei denen der Untersuchte gebeten wird, die Kontrollfrage absichtlich mit einer Lüge zu beantworten.

Eine nur in der Aufklärung von Verbrechen sinnvolle Art der Befragung ist das Tatwissenverfahren, bei dem zu tatbezogenen Fragen mehrere mögliche Antworten verlesen werden. Die Fragen beziehen sich auf Fakten, die nur dem Täter und den Ermittlern bekannt sind und die sich auch nicht leicht erraten lassen. Zeigt der Untersuchte bei den richtigen Antworten Reaktionen, gibt er so unbewusst Wissen preis, das er nur als Täter haben kann. Laut Max Steller zeigten verschiedene Laborstudien, „daß Probanden ohne Tatwissen bei fast allen Untersuchungen mit dem Tatwissentest zu 100 Prozent richtig identifiziert werden konnten, d.h., daß keine falsch-positiven Zuordnungen erfolgten. Bei Personen mit Tatwissen erfolgten in 80 bis 95 Prozent richtige Klassifikationen.“[3]

Die Aufzeichnungen werden durch den Polygraphisten interpretiert, der seine Bewertung zu den relevanten Antworten abgibt. Statt "wahr"/"gelogen" wird oft auch ein differenziertes Punktesystem eingesetzt.

Kritik an Lügendetektoren

Angesichts der Tatsache, dass die Anerkennung von Lügendetektoren bei Unzuverlässigkeit großen Schaden anrichten kann, sind die Gegenstimmen zahlreich. Es wird angeführt, dass keine wissenschaftlich haltbaren Beweise für die Zuverlässigkeit existieren, dagegen aber viele Fälle von Fehleinschätzungen durch Lügendetektortests bekannt und die Tests demonstrierbar zu manipulieren sind.

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Befremdlich ist aus heutiger Sicht auch die geradezu mechanistische Vorstellung vom "Innenleben" des Menschen: Es wird unterstellt, dass ein bestimmter Input zu einem reproduzierbaren und bei allen Menschen vergleichbaren Output führe, sprich: eine Konfrontation mit bestimmten Fakten zu einem bestimmten Affekt. Eine willentliche Beeinflussung dieser Affekte wird so schon vor aller Erfahrung mit dem Gerät ausgeschlossen.

Die Annahme, durch das technische Hilfsmittel eines Polygraphentests ("Lügendetektors") körperliche Reaktionen bei einer Befragung so festhalten und auswerten zu können, dass damit der Wahrheitsgehalt von Antworten "gemessen" werden könne, hat sich als zu technikgläubig erwiesen. Ein Polygraphentest stellt daher jedenfalls in Deutschland kein zulässiges Beweismittel dar. [4] Der Einsatz von Lügendetektoren spielt mittlerweile auch eine große Rolle in den Medien. In deutschen "daily talkshows" wie Britt werden diese Tests sehr häufig eingesetzt. Bedenklich erscheint vor allem, dass die Ergebnisse nicht hinterfragt, sondern als unumstößlich wahr dargestellt werden.

Fehleinschätzung

Lügendetektoren messen keine Lügen, sondern verschiedene Reaktionen, die auf Nervosität oder andere Emotionen zurückzuführen sind. Damit ist jemand, der auf eine Frage nicht gelassen reagiert, trotz wahrheitsgetreuer Antwort gefährdet, für einen Lügner gehalten zu werden. Emotionale Reaktionen eines unschuldig Verdächtigten auf eindringliche Beschuldigungen sind nicht überraschend, vor allem wenn der Befragte dem Opfer des Verbrechens nahe steht.

Auch können körperliche Ursachen für die beobachteten Reaktionen vorliegen, die nichts mit der Befragung zu tun haben.

Verzerrung durch Vorurteile

Eine Eigenschaft der Lügendetektoren ist, dass sie keine exakten Zahlen oder dergleichen ausgeben. Die Ergebnisse hängen von der Interpretation durch den Untersucher ab, wobei dieselbe Aufzeichnung von verschiedenen Polygraphisten unterschiedlich ausgewertet werden kann. Damit sind Vorurteile nicht ausgeschlossen.

Befürworter von "Lügendetektoren" weisen darauf hin, dass Ergebnisse eines EKG-Geräts prinzipiell von ähnlicher Natur sind wie jene eines Polygraphen (eine auf Papier aufgezeichnete Kurve), aber bei einem EKG spreche man von einer wissenschaftlich haltbaren Methode. Der Unterschied zwischen Polygraph und EKG ist aber, dass die Grundlagen der EKG-Resultate restlos klar sind (elektrische Spannung der verschiedenen Herzmuskeln); und dass der gleiche Schaden am Herz auch zu den gleichen Ergebnissen führt. Diese fehlende Reproduzierbarkeit führt zu einem Interpretationsspielraum, welcher Vorurteile begünstigt.

Manipulierbarkeit

Es ist möglich, messbare Reaktionen willentlich durch Methoden zu erzeugen, die der Untersucher nicht entdeckt. Damit kann das Ergebnis eines Tests in eine gewünschte Richtung gelenkt werden und eventuell eine andere Person mit einem Verbrechen belastet werden. Führende Polygraphisten behaupten, sie könnten jede Art solcher Manipulation entdecken, bleiben den Beweis aber schuldig. Fest steht, dass Angehörige militärischer Spezialeinheiten (im Rahmen ihrer RtI = Resistance-to-Interrogation-Ausbildungsphase) und Mitarbeiter von Geheimdiensten seit langem im Manipulieren von Lügendetektortests geschult werden.

Unter Anderen hat James Randi seine Herausforderung (er bietet eine Million Dollar für den Beweis übernatürlicher Kräfte) so ausgeweitet, dass der Beweis dieser Behauptung ebenfalls gewinnt. Kein Polygraphist nahm die Herausforderung an, jedoch zogen sie ihre Behauptung auch nicht zurück.

Krankheit

Glaubt jemand aufgrund einer Krankheit wie beispielsweise einer Psychose das Erzählte, ist ein Lügendetektortest wertlos. Auch wenn das Erzählte nicht der Realität entspricht, erfolgt keine der erwarteten inneren Reaktionen.

Bekannte Fälle

Es sind viele Fälle bekannt geworden, in denen durch das Vertrauen auf Lügendetektoren Schaden angerichtet wurde.

Aldrich Ames war ein Mitarbeiter der CIA, der geheime Informationen an die Sowjetunion verkaufte. Vor allem handelte es sich dabei um die Identitäten von Quellen im KGB und dem sowjetischen Militär, die die USA mit Informationen versorgten. Dies führte dazu, dass mindestens 100 Geheimoperationen aufflogen und mindestens 10 Informanten hingerichtet wurden. Ames bestand während seiner Spionagezeit zwei Lügendetektortests beim CIA und wurde erst durch das eingeschaltete FBI aufgedeckt. Wie er später erzählte, hatte er vor den Tests seinen sowjetischen Kontakt gefragt, was er tun solle. Ihm wurde gesagt, er solle sich bei den Tests einfach entspannen, was er dann tat.

Melvin Foster wurde als Verdächtiger in einem Serienmordfall 1982 einem Polygraphentest unterzogen, den er nicht bestand. In Folge wurde er jahrelang weiter öffentlich verdächtigt, obwohl keine handfesten Beweise vorlagen. Erst 2001 wurde er endgültig von allen Verdächtigungen befreit, als DNA-Untersuchungen Gary Ridgway mit den Fällen in Verbindung brachten. Ridgway war anfangs einer der Hauptverdächtigten, wurde dann aber nicht weiter beachtet, da er zwei Lügendetektortests bestand. Ridgway konnte seine Mordserie fortsetzen und gestand schließlich vor Gericht 48 Morde.

Siehe auch

Quellen

  1. Brain Scans May Be Used As Lie Detectors. AP/ABC News, 28. Januar 2006
  2. Rotes Gespinst in den Hirnwindungen - Eine kalifornische Firma hat einen Lügenscanner entwickelt. Berliner Zeitung vom 13./14. Oktober 2007
  3. Steller, M. (1997). Psychophysiologische Täterschaftsermittlung („Lügendetektion“, „Polygraphie“). In M. Steller & R. Volbert (Hrsg.). Psychologie im Strafverfahren (S. 89-104). Bern: Huber. S. 92
  4. Bundesgerichtshof schließt polygraphische Untersuchungsmethode im gerichtlichen Verfahren als Beweismittel generell aus

Weblinks


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