- Marasmus
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Klassifikation nach ICD-10 E41 Alimentärer Marasmus
Erhebliche Mangelernährung mit MarasmusE42 Kwashiorkor-Marasmus
Erhebliche Energie- und EiweißmangelernährungICD-10 online (WHO-Version 2011) Als Marasmus (altgriech. μαραίνειν marainein - abwischen, austrocknen, dahinschwinden) bezeichnet man einen Protein- und Energiemangel, der zum Abbau aller Energie- und Eiweißreserven führt (auch PEM protein-energy-malnutrition).
Inhaltsverzeichnis
Ursachen
Marasmus tritt auf, wenn ein Mensch unter genereller Unterernährung, also Mangel an Eiweißen, Fetten und Kohlenhydraten, leidet. Die Krankheit tritt in nicht-industrialisierten Ländern häufig auf. Sie trifft insbesondere Kinder, sobald sie von der Muttermilch entwöhnt werden und dann auf Nahrung angewiesen sind, die ihnen nicht genug Energie zur Verfügung stellt.[1] Dieser Effekt wird dadurch noch verstärkt, dass durch die Unterernährung die Aufnahme und Verdauung von Nahrungsstoffen gestört sein kann. So zeigen Kinder mit Marasmus einen Mangel an Verdauungsenzymen und Gallensäuren, was ihre Fähigkeit, Fette über den Darm aufzunehmen, behindert. Der Abfall der Enzyme und Gallensäuren wird auf den Ausfall ihrer Produktion im Pankreas beziehungsweise der Leber zurückgeführt. Die Gallensäuren werden zusätzlich durch vermehrt vorhandene Bakterien verändert und funktionsunfähig gemacht.[2]
Symptome und Diagnose
Auffälligstes Zeichen der Mangelernährung stellt die Gewichtsabnahme dar. Der Körper braucht seine Fettreserven um Energie zu gewinnen. Um die Herstellung lebenswichtiger Proteine möglichst lange zu gewährleisten, kommt es auch zu einem Abbau der Muskelmasse, sowohl an Skelettmuskulatur und Herzmuskulatur. Der Bauch ist in der Regel gebläht und das Gesicht wird faltig. Betroffene Kinder können unter Umständen wie Greise wirken. Des Weiteren leiden die Patienten unter Durchfällen, da der Darm atrophiert. Ödeme zeigen sich im Gegensatz zum Kwashiorkor, bei dem der Proteinmangel führend ist, beim Marasmus nicht. Puls, Blutdruck und Herzfrequenz sind erniedrigt. Durch den Mangel an Nahrung ist auch die Widerstandskraft des Immunsystems stark herabgesetzt. Der Patient wird infolgedessen verwundbar durch zahlreiche Infektionen, die mitunter tödlich verlaufen können.[3]
Kinder, die unter Marasmus gelitten haben, zeigen eine Wachstumsverminderung. Ein negativer Effekt auf die Intelligenz betroffener Kinder im Erwachsenenalter ist bisher umstritten.[3] Marasmus gilt diagnostisch als gesichert, wenn ein Kind nur 60 % seines Normalgewichts oder weniger aufweist und keine Ödeme vorhanden sind. Sind Ödeme vorhanden, ist von einer Mischform aus globaler Mangelernährung und dem Eiweißmangel Kwashiorkor auszugehen.[4]
Marasmus bei Heimkindern
„Marasmus” bezeichnet, abgesehen davon, auch das „Dahinwelken und schließliche Verlöschen” (René A. Spitz 1978) von an sich gesund geborenen Kindern in Folge totaler emotionaler Deprivation. In früheren Zeiten starben bis zu 70 % der Findelkinder an diesem Zustand.
Behandlung
Die Behandlung der Krankheit erfolgt nach einem WHO-Schema. Dieses 10-Schritte-Schema ist für Marasmus und das verwandte Mangelsyndrom Kwashiorkor gleich. Die Unterkühlung der Patienten, die durch einen Verlust des Fettgewebes entsteht, sollte durch Erwärmen beseitigt werden. Die Körpertemperatur sollte überwacht werden. Da häufig niedrige Blutzuckerwerte auftreten, sollte diese gemessen und gegebenenfalls Glucose oral oder intravenös zugeführt werden. Gegen die Dehydratation, die viele Patienten zeigen, sollte vorsichtig mit Gabe oraler Rehydratationslösung vorgegangen werden. Diese Lösungen sollten weniger Natrium und mehr Kalium enthalten als normale Rehydratationslösungen. Dies und die vorsichtige Darreichung sollen verhindern, dass der Kreislauf des Patienten überlastet wird, da oft im Zuge der Mangelernährung eine Minderleistung des Herzens vorliegt. Außerdem sollten dem Patienten wichtige Vitamine und Spurenelemente zugeführt werden. Das Immunsystem der Marasmuskranken kann soweit geschwächt sein, dass eine Infektion ohne die üblichen Symptome (wie z. B. Fieber) vorliegt. Infolgedessen sollten auch ohne Krankheitszeichen Breitband-Antibiotika verabreicht werden. Eine Therapie gegen Malaria ist ebenfalls in Erwägung zu ziehen. Da bei den Patienten Störungen des Elektrolythaushalts vorliegen können, sollte ihnen nach Empfehlung der WHO Kalium und Magnesium zugeführt werden. Der Kostaufbau ist zweistufig durchzuführen. Die Leberleistung der Patienten ist in der Regel herabgesetzt. Somit kann der Patient rasch zugeführte Proteine nicht adäquat verarbeiten. Es droht im schlimmsten Fall eine Überladung mit Ammoniak, da der Um- und Abbau von Aminosäuren im Harnstoffzyklus gestört sein kann. Die Folge wäre ein lebensbedrohliches hepatisches Koma. Außerdem wird menschliche Zuwendung gegen die psychischen und sozialen Folgen des Hungers angeraten. Nach Abschluss der Therapie sollte das Zustandekommen der Unterernährung analysiert werden. Bei der Ausschaltung der Ursachen sollte - sofern möglich - mit der Familie oder der Gemeinschaft, in der der Patient lebt, zusammengearbeitet werden.[5]
Traditionelle Krankheitskonzepte
1991 wurden im Rahmen einer Studie 150 Frauen der Unterschicht in der pakistanischen Stadt Karatschi zu ihrem Verständnis der Krankheit befragt. Nur eine kleine Minderheit führte die Krankheit auf die in der Medizin gültigen Ursachen der Mangelernährung bzw. Malabsorption durch Durchfälle zurück. Die Mehrheit glaubte, die Ursache der Krankheit sei der Kontakt mit einer Frau, die ein unterernährtes Kind hatte oder sich in einem Zustand ritueller Unreinheit befand. Die Auslösung der Erkrankung wurde von der Mehrheit der Befragten spirituellen Faktoren zugeschrieben. Ebenso befand die Mehrheit ärztliche Behandlung oder stärkere Nahrungszufuhr als ungeeignet, um betroffene Kinder zu heilen. Die Frauen waren sich aber der geringen Überlebensaussichten der Kinder sehr wohl bewusst.[6]
Einzelnachweise
- ↑ Emanuel Rubin, David Strayer : Environmental and Nutrional Pathology in Raphael Rubin, David Strayer : Rubin's Pathology, Philadelphia, 2008, S. 277-278
- ↑ H.C. Mehta, A.S. Saini, H. Singh, P.S. Dhatt : Biochemical aspects of malabsorption in marasmus: effect of dietary rehabilitation., British Journal of Nutrition, 1984, Vol 51, S. 1-6 ; PMID 6418198
- ↑ a b Emanuel Rubin, David Strayer : Enviromental and Nutrional Pathology in Raphael Rubin, David Strayer : Rubin's Pathology, Philadelphia, 2008, S. 277-278
- ↑ W.A. Coward, P.G. Lunn : The Biochemistry and Physiology of Kwashiorkor and Marasmus, British Medical Bulletin, 1981, Vol. 37, No. 1 S. 19-24 ; PMID 6789923
- ↑ Olaf Müller, Michael Krawinkel : Malnutrition and health in developing countries, Canadian Medical Association Journal, 2005, 2;173(3):279-86, PMID 16076825
- ↑ Dorothy Mull : Traditional perceptions of marasmus in Pakistan, Social Science and Medicine, 1991, Vol. 32, No.2 , S.175-191 ; PMID 1901666
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