Massaker an den Lemberger Professoren

Massaker an den Lemberger Professoren
Mahnmal der ermordeten Lemberger Professoren in Breslau, Polen

Das Massaker an den Lemberger Professoren war eine Massenexekution an den polnischen Professoren der Lemberger Hochschulen und deren Familienangehörigen, die am 4. Juli 1941 von Deutschen in Lwów (Lemberg) begangen wurde.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte und Verlauf

Einige Tage nach dem deutschen Angriff auf Polen im September 1939 wurde Ostpolen samt Lwów (Lemberg) von der Sowjetunion besetzt, dennoch konnten einige polnische Professoren weiterhin ihren Lehrstuhl behalten. Zu der Zeit wohnten in der Stadt etwa 160.000 Polen, 110.000–150.000 Juden und 50.000 Ukrainer.

Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 wurde am 30. Juni die Stadt Lwów besetzt. Eine Woche vor der Einnahme der Stadt hatte das NKWD etwa 4.000 politische Gefangene in den Lemberger Gefängnissen ermordet.

Als erste deutsche Truppe erreichte um 4.00 Uhr am Morgen des 30. Juni 1941 ein Spähtrupp des I. Bataillons des Gebirgs-Jäger-Regiments 99 der 1. Gebirgs-Division, einer Elite-Truppe der Wehrmacht, kampflos die Zitadelle der Stadt, wo um 4.20 Uhr die Reichskriegsflagge gehisst wurde. Den Hauptstoß führte das III. Bataillon des Gebirgs-Jäger-Regiments 98 derselben Division unter Befehl von Major Josef Salminger. Die Rote Armee hatte die Stadt widerstandslos geräumt.

Am 25. und 26. Juni 1941 hatte es einen Aufstand ukrainischer Nationalisten gegeben, die in den Deutschen die Befreier ihres Landes von der Sowjetherrschaft sahen. Viele der Aufständischen waren vom NKWD in den Lemberger Gefängnissen inhaftiert worden. Aufgrund des raschen Vormarsches der deutschen Truppen und fehlender Transportmittel hatte sich das NKWD entschlossen, die Mehrheit der 5000 politischen Häftlinge zu ermorden. Viele waren durch Genickschuss getötet worden, andere fand man erschlagen, missbraucht, misshandelt und verstümmelt vor. Unmittelbar nach der Eroberung von Lemberg (30. Juni bis 8. Juli 1941) sind Aussagen dazu von Überlebenden der Folter und Massaker und von obduzierenden deutschen Ärzten, dem Ukrainischen Roten Kreuz und anderen Institutionen vor einem deutschen Kriegsgericht unter Eid gemacht und protokolliert worden. Viele der Leichen wurden von Wehrmachtsberichterstattern fotografiert. Diese Bilder wurden für Propagandazwecke genutzt mit dem "grundsätzlichen Einverständnis des Führers". Mittels Flugblättern und Anschlägen schob man pauschal „jüdischen Bolschewiken“ die Schuld zu.

Schon um die Mittagszeit des 30. Juni 1941 war Lemberg endgültig gesichert und die Leichenschau in den drei Hauptgefängnissen beendet. Unmittelbar danach kam es zu Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung. Vor allem die ukrainische Miliz OUN sorgte für "Ordnung". Sie verhafteten Juden und trieben sie zu den Gefängnissen. Auch auf Befehl von deutschen Offizieren wurde zum Pogrom aufgehetzt. Zivilisten und Bewaffnete prügelten mit Latten, Knüppeln und Fäusten auf die Juden ein. Obwohl sich deutsche Ärzte aufgrund des fortgeschrittenen Zustands der Verwesung dagegen ausgesprochen hatten, Angehörige die Opfer des NKWD-Terrors identifizieren zu lassen, war das Auslegen der Leichen ein Teil der antisemitischen Inszenierung. Viele Juden wurden gezwungen, auf den Knien zu den Leichen zu kriechen und sie zu waschen.

Der Stadtkommandant Oberst Karl Wintergerst, ein Gebirgsjäger, war mit umfangreichen Vollmachten ausgestattet, unternahm jedoch nichts gegen das Pogrom. Wintergerst unterstellt war das von Major Josef Salminger geführte III. Bataillon des Gebirgs-Jäger-Regiments 98 der 1. Gebirgs-Division. Dieser führte seine Soldaten gezielt an die Mordstätten, um sie dort auf die "völlige Vernichtung und Ausrottung der jüdisch-kommunistischen Verbrecherbande" einzuschwören. Auch der Kommandeur der 1. Gebirgs-Division, General Hubert Lanz, unternahm nichts gegen die Ausschreitungen.

Wieviele Soldaten und Militärpolizisten selber an dem Pogrom teilnahmen, ist nicht mehr genau festzustellen. Bei der Aktion wurde am 30. Juni und ersten Juli eine unbekannte Zahl von Juden misshandelt und mehrere hundert ermordet. Anschließend traf die Einsatzgruppe C der Wehrmacht in Lemberg ein. Sie mordete planmäßiger, erschoss in der Stadt selber 100 Juden und am Stadtrand weitere 3.000.

Gleichzeitig wurde mit Hilfe ukrainischer Studenten eine Liste der etwa 45 Lemberger Professoren angefertigt, samt ihren Familienangehörigen und allen Personen, die sich in ihren Wohnungen aufhielten. In der Nacht vom 3. zum 4. Juli wurden diese Professorenfamilien von der Gestapo und von Soldaten des Nachtigallbataillons verhaftet und noch in der gleichen Nacht erschossen. Man vermutete, dass bei dem Verbrechen auch Raubmotive eine Rolle spielten, weil die Wohnungen selbst geplündert und der Kunst- und Wertgegenstände beraubt wurden.

Unmittelbare Verantwortung für den Mord wird vom polnischen Institut für Nationales Gedenken dem Brigadeführer der SS, Eberhard Schöngarth, der auch schon für die Verhaftung der Professoren der Jagiellonen-Universität im Rahmen der „Sonderaktion Krakau“ im November 1939 verantwortlich war, sowie dem Hauptsturmführer Hans Krüger, der die Geheime Feldpolizei-Einheit führte, zugeschrieben. Die Verantwortung des späteren Bundesministers für Vertriebene Theodor Oberländer vom ukrainischen Bataillon Nachtigall, dessen Soldaten an den Verhaftungen beteiligt waren, wird heute kontrovers beurteilt. Ein Urteil der DDR von 1960, das ihn als „Mörder von Lemberg“ verurteilte, wurde vom Landgericht Berlin 1993 wegen formaler Mängel aufgehoben. Ende 1997 schloss die zuständige Kölner Staatsanwaltschaft, die von 1996 bis 1998 weitere Nachforschungen anstellte, die Ermittlungen zu Oberländers Rolle im Bataillon Nachtigall ab. Nach Oberländers Tod am 4. Mai 1998 stellte sie auch die restlichen Ermittlungen ein, die sie gegen ihn wegen des Vorwurfs weiterer Massaker im Kaukasus geführt hatte.[1]

Im weiteren Verlauf der deutschen Besatzung wurden 110.000 bis 120.000 Lemberger Juden von den Besatzern ermordet.

Einzelnachweise

  1. Philipp-Christian Wachs: Der Fall Theodor Oberländer. Ein Lehrstück deutscher Geschichte, Frankfurt 2000, ISBN 3-593-36445-X, S. 470ff.

Literatur

  • Dieter Schenk: Der Lemberger Professorenmord und der Holocaust in Ostgalizien, Bonn 2007, ISBN 3-8012-5033-4
  • Zygmunt Albert: Kaźń profesorów lwowskich – lipiec 1941, Breslau 1989, ISBN 83-229-0351-0
  • Karolina Lanckorońska: Wspomnienia wojenne, Krakau 2002, ISBN 83-240-0077-1
  • Jerzy Węgierski: Lwów pod okupacją sowiecką 1939–1941, Warschau 1991, ISBN 83-85195-15-7, Online-Fragmente
  • Hermann Frank Meyer: Blutiges Edelweiß - Die 1. Gebirgs-Division im Zweiten Weltkrieg. Berlin 2008. ISBN 978-3-86153-447-1. S. 58-61.

Weblinks


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