Materielle Kultur

Materielle Kultur

Als materielle (auch: materiale) Kultur wird die von einer Kultur oder Gesellschaft hervorgebrachte Gesamtheit der Geräte, Werkzeuge, Bauten, Kleidungs- und Schmuckstücke und dergleichen bezeichnet. Die Forschung zur materiellen Kultur beschäftigt sich mit der Rolle dieser materiellen Gegenstände für die Menschen. Studien zur materiellen Kultur fragen danach, welche Bedeutung Dingen zugesprochen wird und auf welche Weise Gegenstände die Wahrnehmung beeinflussen.

Die materielle Kultur ist ein Forschungsgebiet der Volkskunde/Ethnologie, Soziologie, Geschichte, Technikgeschichte, Kunstgeschichte und der Archäologie. Ein fächerübergreifendes Fachgebiet „materielle Kultur“ gibt es nicht. Die Ur- und Frühgeschichte ist fast gänzlich auf die Erforschung der materiellen Kultur angewiesen. Als Quelle für Schlüsse auf das Leben in untergegangenen schriftlosen Gesellschaften ist nur deren hinterbliebene materielle Kultur zugänglich.

Die immaterielle Kultur stellt das zugrundeliegende Wissen um die materielle Kultur und die Umwelt dar und umfasst die mündlich überlieferten Traditionen. Materielle und immaterielle Kultur wirken identitätsstiftend auf die Gesellschaft.

Inhaltsverzeichnis

Verbindung zum gesellschaftlichen Alltag

Kultur und Materielles sind ohne einander nicht denkbar. Erst durch eine Verbindung mit dem Materiellen und Immateriellen entsteht ein Zugang zum Verstehen des Alltags verschiedenster Gesellschaften. Es kann keine Verbindung zu einem Gegenstand entstehen, wenn seine geistigen Ausdrucksformen (Sprache und Text) nicht in Zusammenhang mit dem Handwerk betrachtet werden. Dabei gilt es immer zu beachten: Das Wissen und Handeln, wie auch materielle Gegenstände sind in jeder Gesellschaft unterschiedlich und müssen daher auch immer wieder von neuem betrachtet werden.

Dingbedeutsamkeit

Der Begriff Dingbedeutsamkeit wurde 1962 von Karl-Sigismund Kramer eingeführt.[1] Demnach sollten die praktische Funktion eines Gegenstandes und seine emotionale Bedeutung in einem Zusammenhang zueinander stehen, damit nicht die Gefahr bestehe, dass die betrachteten Objekte als etwas Isoliertes, Abgetrenntes angesehen würden. Ansonsten würden materielle Dinge allenfalls als „tot“ erklärt werden, was als falsch gelten würde, da Kramer ihnen wird eine Beseelung zusprach.

Versuche der systematischen Dokumentation

In der Phase der Etablierung der Ethnologie als Wissenschaft, im 19. Jahrhundert, konnte man ein rasches Wachstum ethnographischer Museumssammlungen erkennen. Gehofft wurde, dies führe in Zusammenhang mit einer Grundlage für eine einheitliche Beschreibung zu systematischen Wissen über die Dinge führen sollte. Solche Sammlungen erschwerten jedoch den Umgang mit den Dingen, da sie die problematische Abgrenzung von geistiger und materieller Kultur herbeiführte. Denn diese sind schon das Ergebnis einer Auswahl und reflektieren damit nicht nur die Verhältnisse der Gesellschaften, aus der sie stammen, sondern auch die Vorstellungen der europäischen Gesellschaft. Studien zur materiellen Kultur dürfen sich also nicht auf Museen beschränken, sondern müssen den Umgang mit den Dingen im Alltag dokumentieren. Wenn ein Objekt aus dem Alltag gerissen wird, gehen dabei viele wichtige Informationen verloren.

Siehe auch

Literatur

  • Karl Weule: Kulturelemente der Menschheit. Anfänge und Urformen der materiellen Kultur. Kosmos, Stuttgart 1910.
  • Otto Laufer: Quellen der Sachforschung. Wörter, Schriften, Bilder und Sachen. Ein Beitrag zur Volkskunde der Gegenstandskultur. In: Oberdeutsche Zeitschrift für Volkskunde, Band 17, S. 106-131.
  • Christian F. Feest: Materielle Kultur. In: Bettina Beer, Hans Fischer, Hans (Hrsg.): Ethnologie. Einführung und Überblick. (Ethnologische Paperbacks), Reimer, Berlin 2003, S. 239-254.
  • Hans Peter Hahn: Materielle Kultur. Eine Einführung. (Ethnologische Paperbacks), Reimer, Berlin 2005.
  • Gudrun M. König: Auf dem Rücken der Dinge. Materielle Kultur und Kulturwissenschaft. In: Kaspar Maase, Bernd Jürgen Warneken (Hrsg.): Unterwelten der Kultur. Themen und Theorien der volkskundlichen Kulturwissenschaft. Böhlau, Köln 2003, S. 95-118.
  • Harry Kühnel: Die Sachkultur bürgerlicher und patrizischer Nürnberger Haushalte des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, in: Haushalt und Familie in Mittelalter und früher Neuzeit, hrsg. von Trude Ehlert, Sigmaringen 1991, S. 14-31
  • Claus Stieve: Von den Dingen lernen - Die Gegenstände unserer Kindheit. Phänomenologische Untersuchungen. Bernhard Waldenfels, (Herausgeber), Wilhelm Fink Verlag, 2008.
  • George Kubler: The Shape of Time. Remarks on the History of Things. New Haven 1961. Deutsche Übersetzung:
    • George Kubler: Die Form der Zeit. Anmerkungen zur Geschichte der Dinge. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1982.
  • Jules D. Prown: Style as Evidence. In: Winterthur Portfolio. Band 15, Nr. 3, S. 197-210.
  • Jules D. Prown: Mind in Matter. An Introduction to Material Culture Theory and Method. In: Winterthur Portfolio, Band 17, Nr. 1, S. 1-19.


Weblinks

Einzelnachweise

  1. Brigitta Schmidt-Lauber: Gemütlichkeit: Eine kulturwissenschaftliche Annäherung. Campus, Frankfurt 2003, S. 78

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