Meißner-Ochsenfeld-Effekt

Meißner-Ochsenfeld-Effekt

Unter dem Meißner-Ochsenfeld-Effekt versteht man die Eigenschaft von Supraleitern in der Meißner-Phase, ein von außen angelegtes magnetisches Feld vollständig aus ihrem Inneren zu verdrängen. Dieser Effekt wurde 1933 von Walther Meißner und Robert Ochsenfeld entdeckt und ist durch klassische Physik nicht erklärbar. Die makroskopisch theoretische Erklärung des Meißner-Ochsenfeld-Effekts liefern die London-Gleichungen.

Ein Magnet schwebt über einem mit flüssigem Stickstoff gekühlten Hochtemperatursupraleiter (ca. −200 °C)[1].

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Verdrängung des äußeren magnetischen Feldes durch einen Supraleiter.
Video des Supraleiters YBCO, über einer Magnetschiene schwebend

Der Meißner-Ochsenfeld-Effekt ist eine für Supraleiter sehr charakteristische Eigenschaft. Das externe Magnetfeld dringt etwa 100 nm weit in das Material ein, tiefere Schichten sind feldfrei. Dieses "Herausdrängen" des Magnetfeldes ist unabhängig davon, ob die Probe bereits vor dem Einschalten des Magnetfeldes supraleitend war oder erst supraleitend gemacht wird, nachdem das Magnetfeld eingeschaltet wurde (s.u. Zwei Herangehensweisen).

Der supraleitende Zustand wird oft über den Meißner-Ochsenfeld-Effekt nachgewiesen und nicht über das Verschwinden des elektrischen Widerstands. Bemerkenswert ist zudem, dass der Effekt nicht von der Vorgeschichte des Materials abhängt, er ist damit in der Sprache der Thermodynamik reversibel. Meißner und Ochsenfeld wiesen so indirekt nach, dass der supraleitende Zustand ein echter thermodynamischer Zustand ist.

Alle Supraleiter zeigen einen vollständigen Meißner-Ochsenfeld-Effekt, solange die Temperatur die kritische Temperatur Tc nicht überschreitet und das von außen angelegte Magnetfeld unterhalb einer kritischen Feldstärke Hc bleibt. Wegen der vollständigen Feldverdrängung spricht man auch von perfekten Diamagneten. Supraleiter zweiter Art zeigen oberhalb einer kritischen Feldstärke Hc1 nur noch einen unvollständigen Meißner-Ochsenfeld-Effekt: in dieser sogenannten Schubnikow-Phase durchdringt das Magnetfeld den Supraleiter innerhalb dünner Röhren (Flussschläuche). In dieser Phase ist der Supraleiter kein perfekter Diamagnet mehr; supraleitend ist er aber nach wie vor.

Bei nicht zu dünnen Werkstücken hängt der Meißner-Ochsenfeld-Effekt von der Reinheit und von der Homogenität des Supraleiters ab. Ein vollständiger Meißner-Ochsenfeld-Effekt kommt nur zustande, wenn die gesamte Probe supraleitend geworden ist. Ansonsten können sich Mischungszustände aus normal- und supraleitenden Bereichen bilden. Der Meißner-Ochsenfeld-Effekt eignet sich somit, um die Qualität eines Supraleiters zu beurteilen. Der elektrische Widerstand wird dagegen praktisch bereits Null, sobald die kritische Temperatur Tc unterschritten wird.

Zwei Herangehensweisen

Im ersten Fall überführt man das Material zunächst durch Abkühlen in den supraleitenden Zustand und bringt es anschließend in ein äußeres Magnetfeld. Dabei wird der Meißner-Ochsenfeld-Effekt fälschlicherweise oft auf klassische Weise erklärt: gemäß der Lenzschen Regel werden innerhalb des Supraleiters Ströme induziert, die das Magnetfeld abschirmen. Wegen des verschwindend kleinen elektrischen Widerstands bleiben diese Ströme dauerhaft erhalten und führen zum diamagnetischen Verhalten.

Dass diese klassische Erklärung falsch ist, lässt sich leicht zeigen, indem man die Reihenfolge umkehrt: zunächst bringt man das normalleitende Material in ein äußeres Magnetfeld. Nach kurzer Zeit wird das Magnetfeld die Probe durchsetzen (siehe Abbildung rechts oben). Kühlt man dann die Probe ab, so dass sie supraleitend wird, treten dieselben Abschirmströme wie im ersten Fall (siehe Abbildung rechts oben) auf – entgegen jeder klassischen Vorstellung!

Vorbild für den Higgs-Mechanismus

Der Meißner-Ochsenfeld-Effekt der Supraleitung dient auch als Vorbild für den sog. Higgs-Mechanismus, durch den in der Hochenergiephysik die Masse der Austauschteilchen der Elektroschwachen Wechselwirkung generiert wird.

Anwendungen

Literatur

  • Walther Meißner, Robert Ochsenfeld: Ein neuer Effekt bei Eintritt der Supraleitfähigkeit. In: Naturwissenschaften. 21, Nr. 44, 1933, S. 787–788, doi:10.1007/BF01504252.
  • Horst Stöcker: Taschenbuch der Physik. 4. Auflage, Verlag Harry Deutsch, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-8171-1628-4

Einzelnachweise

  1. Schulversuch am Gymnasium BG und BRG Tulln

Medien

 Commons: Meißner-Ochsenfeld-Effekt – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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