- Elektroschwache Wechselwirkung
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Die elektroschwache Wechselwirkung (Abk. ESW) bildet die Grundlage einer vereinheitlichten Theorie aus Quantenelektrodynamik und schwacher Wechselwirkung. Mit dieser Theorie können von der Phänomenologie her ganz verschiedene Erscheinungen einheitlich beschrieben werden. Zum Beispiel: Radio (Elektromagnetische Welle, EM-Welle), Licht (EM-Welle), Elektromotor (EM-Feld), Atomspektrum (Quantenphysik), Beta-Strahlung (Schwache Wechselwirkung), die Erzeugung von Teilchen-Antiteilchen-Paaren aus Licht (Quantenelektrodynamik), oder die Entstehung von Neutronensternen (Schwache Wechselwirkung unter Gravitation). Zusätzlich zu diesen Phänomenen, die sich schon aus den Einzeltheorien ergeben, beschreibt die ESW auch Erscheinungen wie die Erhöhung der Reaktionswahrscheinlichkeit beim Zusammenstoß von Elektron und Positron mit bestimmter Energie (wenn diese Teilchen gerade genug Energie tragen, um ein Z-Boson zu erzeugen). Das Reaktionsprodukt verhält sich manchmal wie schweres Licht (Weinbergwinkel). Ferner werden alle Phänomene aus der Neutrino-Physik (Geisterteilchen), also sogenannte schwache Wechselwirkungen, durch die ESW behandelt wie andere, mehr bekannte elektromagnetische Phänomene in der Natur. Die Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung ist neben der Quantenchromodynamik ein Pfeiler des Standardmodells der Elementarteilchenphysik.
Inhaltsverzeichnis
Nobelpreise im Umfeld der elektroschwachen Wechselwirkung
Die Quantisierung der elektromagnetischen Strahlung geht letztendlich auf die Erklärung der Schwarzkörperstrahlung durch Max Planck im Jahr 1900 zurück (plancksches Strahlungsgesetz). Für die Interpretation des photoelektrischen Effektes in Form der Lichtquantenhypothese im Jahr 1905 erhielt Albert Einstein im Jahr 1921 den Physik-Nobelpreis. Diese Lichtquanten fanden sich später als Photonen in der Quantenphysik wieder. Das Photon ist das bekannteste Austausch-Boson der elektroschwachen Wechselwirkung.
1957 gelang Chien-Shiung Wu in dem nach ihr benannten Wu-Experiment (durchgeführt am National Bureau of Standards) der Nachweis der Paritätsverletzung bei schwachen Wechselwirkungen und damit der empirische Nachweis für die Hypothese von Tsung-Dao Lee und Chen Ning Yang. Diese hatten 1956 die Theorie veröffentlicht, dass in der Elementarteilchenphysik eine Vertauschung von rechts und links einen Unterschied machen kann, d.h. bei einer räumlichen Spiegelung müssen Original und Spiegelbild nicht immer ununterscheidbar sein (Paritätsverletzung).
Als Lee und Yang noch im gleichen Jahr den Physik-Nobelpreis erhielten, meinten viele Fachleute, dass Chien-Shiung Wu zu Unrecht leer ausgegangen sei. Der Grund wurde in der überkommenen Missachtung der experimentellen gegenüber der theoretischen Physik gesehen.
Die Vereinheitlichung der elektromagnetischen mit der schwachen Wechselwirkung wurde zunächst von Sheldon Glashow, Abdus Salam und Steven Weinberg 1967 theoretisch beschrieben (GSW-Theorie), experimentell wurde die Theorie 1973 indirekt durch die Entdeckung der neutralen Ströme (siehe unten) und 1983 direkt durch den Nachweis der W± und Z0-Eichbosonen (Austausch-Bosonen) bestätigt. Eine Besonderheit ist die Verletzung der Parität durch die elektroschwache Wechselwirkung. Für ihre Theorie erhielten die oben genannten 1979 den Nobelpreis für Physik.
Als Sprecher des internationalen Forscherteams am UA1-Detektor und am Teilchenbeschleuniger SPS am CERN erhielten Carlo Rubbia und Simon van der Meer im Jahr 1984 den Physik-Nobelpreis, „für ihre maßgeblichen Beiträge bei dem großen Projekt, das zur Entdeckung der Feldpartikel W und Z, Vermittler schwacher Wechselwirkung, geführt hat“.
Physik der schwachen und elektroschwachen Wechselwirkung
Für die physikalische Beschreibung ist es notwendig, die Leptonen bzw. Quarks einer Generation (oder Familie) zu einem Dublett für links-chirale Teilchen und zu Singuletts für rechts-chirale Teilchen zusammenzufassen[1]. Die elektroschwache Wechselwirkung wirkt auf folgende Teilchendubletts und Singuletts aus Fermionen:
Dubletts (schwacher Isospin T=½): Leptonen Elektrische Ladung Q Schw. Hyperladung Yw 3. Komp. des schw. Isospins Tz Quarks Die up-artigen Fermionen sind jeweils oben aufgeführt. Ihre elektrische Ladung ist um 1 größer als die der darunter aufgeführten, korrespondierenden down-artigen Teilchen.
Singuletts (schwacher Isospin T=0): 1 2 3 el. Ladung Q schw. Hyperladung Yw Die elektrische Ladung ist dabei in Einheiten der Elementarladung e verstanden. Der Strich bei d, s und b soll auf die CKM-Mischung (siehe CKM-Matrix) hinweisen.
Die elektroschwache Wechselwirkung wirkt zudem auf die zugehörigen Antiteilchen und aus diesen Teilchen zusammengesetzte Systeme. Zusätzlich zur elektrischen Ladung Q tragen die oben aufgezählten Teilchen eine schwache Hyperladung YW. Die elektrische Ladung steht mit dieser und der dritten Komponente des schwachen Isospins in Zusammenhang, es gilt: .
Eichbosonen
Wie bei allen quantenfeldtheoretischen Eichtheorien werden auch in der elektroschwachen Theorie die Wechselwirkungen durch Eichbosonen vermittelt. In der elektroschwachen Theorie treten zunächst vier masselose Eichbosonen auf:
- ein B0-Boson,
- drei W-Bosonen W0, W1, W2.
Nach einer spontanen Symmetriebrechung erhält man vier Bosonen, die sich als Mischung der masselosen Bosonen darstellen lassen:
- ein Photon γ, masselos, nicht geladen
- ein Z0-Boson, Masse 91.18(7) GeV, nicht geladen
- zwei W-Bosonen W±, Masse 80.(41) GeV, Ladung ±1.
Die Linearkombinationen, die diese Bosonen beschreiben, lauten:
Das Z0-Boson ist nicht wie die W-Bosonen maximal paritätsverletzend, da es einen Anteil des B0-Bosons enthält. Man sagt, die Zustände des Photons und des Z0-Bosons seien um den sogenannten Weinbergwinkel gedreht.
Das Photon verhält sich wie im Rahmen der QED beschrieben.
Die Z- und W-Bosonen
Das ungeladene Eichboson Z0 wirkt auf alle in obiger Tabelle aufgeführten linkshändigen Anteile und durch die Weinberg-Mischung zu einem Teil auch auf die rechtshändigen Anteile. Da das Z-Boson keine elektrische Ladung besitzt, spricht man bei diesen Vorgängen auch von neutralen Strömen (englisch neutral currents, NC), siehe Abbildungen 1 und 2. Bei beiden Prozessen findet teilweise eine Verletzung der Parität statt.
Die W±-Bosonen tragen, im Gegensatz zum Z-Boson, eine elektrische Ladung. Die zugehörigen Teilchenprozesse bezeichnet man deswegen auch als „geladene Ströme“ (englisch charged currents, CC), siehe Abbildungen 3 und 4. Da diese zwei geladenen Ströme ausschließlich an die linkshändigen Dubletts koppeln, tritt bei beiden Vorgängen eine maximale Verletzung der Parität auf.
Bei Quarks ist im Zusammenhang mit den zwei W-Bosonen zusätzlich die CKM-Mischung (benannt nach Nicola Cabibbo, Makoto Kobayashi und Toshihide Maskawa) zu beachten. Zum Beispiel kann ein u-Quark durch ein W - nicht nur in ein d-Quark umgewandelt werden. Es besteht mit geringerer Wahrscheinlichkeit auch die Möglichkeit ein s-Quark oder b-Quark zu erhalten. Die W-Bosonen können also auch das Flavour ändern. Dieses Verhalten wird dadurch verursacht, dass die Masseneigenzustände nicht mit den so genannten Wechselwirkungseigenzuständen übereinstimmen.
Wechselwirkung und Masse
Massenbehaftete Eichbosonen können in der Feldtheorie nur mit Hilfe eines Skalarfeldes beschrieben werden, das den beteiligten Eichbosonen Masse verleiht. In der elektroschwachen Theorie ist dieses Feld das Higgs-Feld (benannt nach Peter Higgs). Dabei nimmt man an, dass das skalare Higgs-Feld im frühen Universum nur ein Minimum besaß.
Durch die fortlaufende Abkühlung folgte ein spontaner Symmetriebruch und das Higgs-Feld fiel in ein neues Minimum. Die Eichbosonen der elektroschwachen Wechselwirkung erhalten durch die Ankopplung an das Higgs-Feld endliche Massen. Ein direkter Nachweis des Higgs-Teilchens ist bisher nicht gelungen. Einen Nachweis erhofft man sich seit 2009 von den Experimenten am LHC, dem großen Teilchenbeschleuniger des CERN.
Erweiterungen der elektroschwachen Wechselwirkung
Man versucht die elektroschwache Wechselwirkung ihrerseits mit anderen Wechselwirkungen zu vereinigen. Naheliegend ist die Erweiterung um die starke Wechselwirkung (QCD) zu einer GUT.
Referenzen
- ↑ Walter Greiner, Berndt Müller: Eichtheorie der schwachen Wechselwirkung. 2. Auflage, Harri Deutsch, 1995, S. 184, ISBN 3-8171-1427-3
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