Micrococcus radiodurans

Micrococcus radiodurans
D. radiodurans

D. radiodurans (Deinococcus radiodurans)

Systematik
Domäne: Bakterien
Abteilung: Deinococcus-Thermus
Ordnung: Deinococcales
Gattung: Deinococcus
Art: D. radiodurans
Wissenschaftlicher Name
Deinococcus radiodurans
(ex Raj et al. 1960) Brooks and Murray 1981

Das Deinococcus radiodurans (ehemals als Micrococcus radiodurans bezeichnet) ist ein extremophiles Bakterium, das gegen ionisierende Strahlung nahezu immun ist. Es gehört zu den Gram-positiven Kokken.

Der LD50-Wert wird bei diesen Bakterien erst bei einer Strahlendosis von über 10.000 Gy erreicht. Dagegen haben Menschen ab 7 Gy ohne medizinische Hilfe kaum Überlebenschancen und sterben bei einer Strahlendosis von 10 Gy innerhalb von ein bis zwei Wochen.

Inhaltsverzeichnis

Entdeckung

Deinococcus radiodurans wurde 1956 von Arthur W. Anderson entdeckt, als man Fleischkonserven mit ionisierender Strahlung bestrahlte, um Keime abzutöten. Dabei wurde das Bakterium durch die vergleichsweise geringe Strahlendosis nicht abgetötet und wurde daraufhin eingehender untersucht. Man stellte eine bislang unbekannte Resistenz gegen Ultraviolett- und Röntgenstrahlen fest.

Verbreitung

Deinococcus radiodurans und seine engen Verwandten sind sprichwörtliche Generalisten und Weltenbummler: Neben den Fleischkonserven sind sie auch in Gewebe von atlantischem Schellfisch, Lamakot, antarktischem Gestein und anderen unwirtlichen Orten zu finden. Sie bilden, zusammen mit Cyanobakterien der Art Chroococcidiopsis, eine besondere Gruppe von Organismen, die befähigt ist, unter den härtesten Lebensbedingungen zu gedeihen. Sie sind in der Lage auch an den lebensfeindlichsten Orten der Welt ökologische Nischen zu finden und sind deshalb ubiquitär verbreitet, unter anderem auch im Darm von Menschen.[1]

Genom

Das Genom von D.radiodurans besteht aus 4 zirkulären Molekülen:

Man vermutet, dass das Chromosom II für den Organismus essentiell ist.[2]

Strahlenresistenz

Hauptverantwortlich für die extreme Strahlenresistenz gegen ionisierende Strahlung ist die Fähigkeit, defekte DNA außergewöhnlich effizient zu reparieren. DNA und Teile von Chromosomen, die durch Mutagene wie Strahlung, chemische Einwirkung oder auch zufällige Ursachen Schaden erlitten haben, werden mit Hilfe von bestimmten Enzymen besonders schnell und effektiv wieder instand gesetzt. Dieser Reparaturmechanismus erlaubt sogar das Beheben von Doppelstrangbrüchen, einer besonders schweren Form der DNA-Schädigung. Auf diese Weise ist Deinococcus radiodurans in der Lage, gleichzeitig 500 solcher Reparaturen auszuführen, während beispielsweise das Darmbakterium Escherichia coli allenfalls zwei bis drei schafft. D.radiodurans verfügt über vier Kopien des Genoms in der stationären Phase und über acht bis zehn Kopien während des exponentiellen Wachstums. Auch andere Bakterien haben multiple Genomkopien (Micrococcus luteus, Micrococcus sodonensis), diese sind aber strahlensensitiv. Daher hat die Vielfachheit des Genoms keinen Einfluss auf die Strahlenresistenz. [3] Bislang sind die molekularen Gegebenheiten, die diese ungewöhnliche Reparaturleistungen ermöglichen, noch nicht hinreichend aufgeklärt.

Außerdem besitzt das Bakterium eine sehr starke Zellwand, die es auch vor UV-Strahlung schützt.

Bedeutung

Exobiologie

Für Exobiologen, die nach Spuren außerirdischen Lebens suchen, sind Überlebenskünstler wie Deinococcus radiodurans und Chroococcidiopsis von großem Interesse, da es denkbar ist, dass solche Organismen verborgen in Meteoritgesteinen unversehrt weite Reisen durch das Weltall überleben könnten. Dies würde die Hypothese der Panspermie stärken, die besagt, dass einfache Lebensformen in der Lage sind, sich über große Distanzen durch das Universum zu bewegen. Einige könnten so vor etwa 3,5 Milliarden Jahren den Weg zur Erde gefunden und so den Ursprung des Lebens auf diesem Planeten gebildet haben.

Informationstechnik

Ihre besondere Widerstandsfähigkeit gegen schädigende Einwirkungen aller Art könnte Deinococcus radiodurans für die Anwendung als Datenspeicher in der Informationstechnologie interessant machen. So wird derzeit erforscht, wie Daten in Form künstlicher DNA in den Bakterien gespeichert und wieder abgerufen werden können. US-amerikanische Informatiker übersetzten den Text des englischen Kinderliedes It's a Small World in den genetischen Code und schleusten die entsprechende DNA-Sequenz in die Gene der Bakterien ein. Noch nach etwa hundert Bakteriengenerationen ließen sich die Strophen in unveränderter Form mit üblicher Sequenziertechnik wieder auslesen, d.h. die eingebrachte Information wurde stabil abgespeichert und zusätzlich durch die Vermehrung der Bakterien ihre Redundanz erhöht.[4]

Einzelnachweise

  1. E.M. Bik,P.B. Eckburg, S.R. Gill, K.E. Nelson, E.A. Purdom, F. Francois, G. Perez-Perez, M.J. Blaser, D.A. Relman: Molecular analysis of the bacterial microbiota in the human stomach. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. 103, Nr. 3, 17. Januar 2006, S. 732–737 (PMID 16407106). 
  2. Owen White, Jonathan A. Eisen, John F. Heidelberg, Erin K. Hickey, Jeremy D. Peterson, Robert J. Dodson, Daniel H. Haft, Michelle L. Gwinn, William C. Nelson, Delwood L. Richardson, Kelly S. Moffat, Haiying Qin, Lingxia Jiang, Wanda Pamphile, Marie Crosby, Mian Shen, Jessica J. Vamathevan, Peter Lam, Lisa McDonald, Terry Utterback, Celeste Zalewski, Kira S. Makarova, L. Aravind, Michael J. Daly, Kenneth W. Minton, Robert D. Fleischmann, Karen A. Ketchum, Karen E. Nelson, Steven Salzberg, Hamilton O. Smith, J. Craig , Venter, Claire M. Fraser: Genome Sequence of the Radioresistant Bacterium Deinococcus radiodurans R1. In: Science. 286, Nr. 5444, 19. November 1999, S. 1571 - 1577. 
  3. Harsojo, S. Kitayama, and A. Matsuyama: Genome multiplicity and radiation resistance in Micrococcus radiodurans.. In: The Journal of Biochemistry. 90, Nr. 3, 1981, S. 877-880. 
  4. Strahlenresistente Bakterien als dauerhafte Datenspeicher. In: Netzzeitung. 10. Januar 2003. Abgerufen am 11. Februar 2009.

Literatur

  • Heike Zimmermann: Wirkung locker- und dichtionisierender Strahlung auf Zellen von Deinococcus Radiodurans. Inst. für Luft- und Raumfahrtmedizin, Univ. Köln, Diss. 1994
  • R. Rajan, C.E. Bell: Crystal structure of RecA from Deinococcus radiodurans: insights into the structural basis of extreme radioresistance. J MOL BIOL. 2004 Dec 3;344(4): 951-63
  • S. Levin-Zaidman, J. Englander, E. Shimoni, AK. Sharma, KW. Minton, Minsky A.: Ringlike structure of the Deinococcus radiodurans genome: A key to radioresistance?. SCIENCE 299 (5604): 254-256 JAN 10 2003
  • D. Frenkiel-Krispin, Minsky A. Biocrystallization: A last-resort survival strategy in bacteria. ASM NEWS 68 (6): 277-283 JUN 2002
  • A. Minsky, E. Shimoni, Frenkiel-Krispin D. Stress: order and survival. NAT REV MOL CELL BIO 3 (1): 50-60 JAN 2002
  • R. Goobes, Minsky A.: Thermodynamic aspects of triplex DNA formation in crowded environments. J AM CHEM SOC 123 (50): 12692-12693 DEC 19 2001

Weblinks


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