Misox-Schwankung

Misox-Schwankung
Rekonstruierte zentral-grönländische Temperaturkurve.

Die Misox-Schwankung (im anglo-amerikanischen Raum 8.2 kiloyear event genannt) war eine scharf abgegrenzte, relativ kurzfristige Klimaveränderung rund 6200 Jahre v. Chr. Im mesolithischen Mitteleuropa kam es innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer Abkühlung um etwa 2 °C. Die Wiedererwärmung erfolgte nach weniger als 100 Jahren ähnlich schnell. Die Klimaschwankung wurde durch pollenanalytische Untersuchungen an den Mooren des Misoxtals im Schweizer Kanton Graubünden für den alpinen Raum nachgewiesen.

Die Entdeckung wurde bereits im Jahr 1960 von Heinrich Zoller (1923–2009), Professor für Botanik an der Universität Basel, gemacht. Der Nachweis einer Abkühlung innerhalb des bis dahin als klimatisch stabil angesehenen Frühholozäns führte zur raschen Anerkennung und Verbreitung der pollenanalytischen Methodik bei der Darstellung paläoklimatischer Zusammenhänge. Bei einer solchen Abkühlung kommt es innerhalb eines Zeitraums von wenigen Jahrzehnten in den höheren Stufen der Alpen zum Rückgang von Weisstanne (Abies alba), Fichte (Picea abies), Lärche (Larix decidua), Bergkiefer (Pinus mugo) und zu ihrer Ersetzung durch Sträucher wie Wacholder (Juniperus communis), Sanddorn (Hippophae rhamnoides), Weiden (Salix sp.), Grünerle (Alnus viridis), Heidekrautgewächse (Ericaceae), Heidekraut (Calluna vulgaris) und Krähenbeere (Empetrum nigrum). Dieser Wechsel im Artenspektrum zeigt sich auch in den Pollen, die in den Ablagerungen der Seen und Moore konserviert wurden.

Da auch in den grönländischen Eisbohrkernen des GRIP („Greenland Ice Core Project“) und des GISP („Greenland Ice Sheet Project“) eine Schwankung zum Zeitpunkt rund 6200 Jahre v. Chr. feststellbar ist, wird die These, dass diese Klimaveränderung global oder zumindest in der Nordhemisphäre weit verbreitet war belegt. Bereits in den 1960er Jahren wurde eine hemisphärische Verbreitung dieser Schwankung diskutiert.[1] Untersuchungen am Soppensee (Schweiz) und im Schleinsee (Süddeutschland) zeigten, dass die geschichteten Sedimente einen ähnlichen Wechsel in der Pollenverteilung aufweisen. Über eine Lage von Tephra genannter, unbefestigter pyroklastischer Vulkanasche, die in den Sedimenten beider Seen auftrat, konnten die Daten korreliert und absolut datiert werden.[2] Es zeigte sich auch für die montane Höhenstufe ein rascher Wechsel der Vegetation zur Zeit der Misox-Schwankung.

Auch in norwegischen Seen ließen sich die Profile von Sedimenten mit der in den Eisbohrkernen vorgefundenen Anomalie vor 8200 Jahren korrelieren. Die durch diese Untersuchungen bestätigte Abkühlung wird in Norwegen Finse-Ereignis genannt.[3]

Literatur

  • W. Dansgaard, S. J. Johnsen, H. B. Clausen, D. Dahl-Jensen, N. S. Gundestrup, C. U. Hammer, C. S. Hvidberg, J. P. Steffensen, A. E. Sveinbjornsdottir, J. Jouzel und G. Bond: Evidence for general instability of past climate from a 250-kyr ice-core record. Nature, 364, S. 218-220, 1993
  • P. M. Grootes et al.: Comparison of oxygen isotope records from GISP2 and GRIP Greeenland ice-cores In: Nature 366, S. 552-554, 1993
  • H. Zoller: Pollenanlytische Untersuchungen zur Vegetationsgeschichte der insubrischen Schweiz In: Denkschriften Schweizerische Naturforschende Gesellschaft 83, S.45-156, 1960
  • H. Zoller, C. Schindler, und H. Röthlisberger: Postglaziale Gletscherstände und Klimaschwankungen im Gotthardmassiv und Vorderrheingebiet. Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel 77, S. 97-164, 1966
  • H. Zoller: Vegetation in der Steinzeit in der Schweiz. Artikel in: Basler Nachrichten v. 12. Dezember 1961

Einzelnachweise

  1. Zoller, Schindler und Röthlisberger 1966
  2. Willy Tinner und Brigitta Ammann: Reaktionsweisen von Gebirgswäldern – schneller als man denkt. Kapitel 3. [1]
  3. Atle Nesje, Svein Olaf Dahl: The Greenland 8200 cal. yr BP event detected in loss-on-ignition profiles in Norwegian lacustrine sediment sequences. Journal of Quaternary Science, 16, 2, S. 155–166, 2001

Siehe auch


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