- Mittelenglische Sprache
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Mittelenglisch nennt man die Form der englischen Sprache, die etwa zwischen dem 12. und der Mitte des 15. Jahrhunderts gesprochen wurde. Diese Periode ist von durchgreifenden Veränderungen auf allen sprachlichen Ebenen geprägt, und da die Belege zudem aus verschiedenen Dialektbereichen stammen, steht der Terminus Mittelenglisch für eine große Vielfalt von Varietäten, aus denen sich erst allmählich der Londoner Standard herauskristallisierte.
Gegenüber dem Altenglischen weisen mittelenglische Texte folgende wichtige Veränderungen auf:
- eine starke Vereinfachung der Flexionsformen; so wird z. B. die übliche Pluralendung für fast alle Substantive -es und -en (letzteres ist zum Neuenglischen hin ebenfalls stark reduziert worden). Das grammatische wird durch das natürliche Geschlecht ersetzt. Von den Kasus des Substantivs bleibt nur eine Unterscheidung zwischen Genitiv und Nicht-Genitiv übrig.
- der daraus resultierende Ersatz bzw. die Bevorzugung analytischer anstelle synthetischer Konstruktionen
- die Aufnahme zahlreicher Wörter französischen (und z. T. skandinavischen) Ursprungs in den Wortschatz
- Das nordische they (sie, 3. Person Plural) ersetzt die westgermanische Form hie
- Vereinfachung der Konjugation: Singular und Plural des Präteritums fallen zusammen, die meisten Personalendungen der Verben fallen weg. Verbale Präfixe (ge-, be-, for-) geraten als Ableitungsmittel außer Gebrauch und verschwinden.
Nach der normannischen Eroberung wurde Anglonormannisch zur Sprache des Hofes und der Verwaltung; Latein war die Sprache der Kirche und der Wissenschaft; nur das einfache Volk sprach weiter Englisch. Daraus ergab sich eine bis in die heutige Zeit reichende Differenzierung des Wortschatzes. So gibt es z. B. im Englischen drei verschiedene Adjektive, die alle eine Beziehung zum Begriff König ausdrücken: kingly aus dem Altenglischen, royal aus dem Französischen und regal aus dem Lateinischen. Jedes davon hat eine andere Bedeutungsnuance: das altenglische kingly lässt uns an einen König aus dem Märchen denken; das französische royal an den Prunk eines mittelalterlichen Königshofes und das lateinische regal an den König, der das Recht setzt.
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Mittelenglische Literatur
Hauptartikel: Mittelenglische Literatur
Das bekannteste Werk in mittelenglischer Sprache sind die Canterbury Tales von Geoffrey Chaucer (um 1340 bis 1400), eine Sammlung von Erzählungen, die in eine Rahmenhandlung eingebettet sind und die eine Pilgerreise zur Kathedrale von Canterbury, an das Grab des heiligen Thomas Becket, zum Inhalt hat. Durch seine Werke trug Chaucer wesentlich dazu bei, das (Mittel-)Englische als Literatursprache zu etablieren.
Phonetik des Mittelenglischen
Die Aussprache des Mittelenglischen lässt sich heute nur rekonstruieren. Über einige Details streiten sich die Gelehrten. Gesichert ist jedoch die Verschiebung der Vokale (Frühneuenglische Vokalverschiebung oder Great Vowel Shift), die das Ende der mittelenglischen Periode markiert. In der Phase des Übergangs vom Altenglischen zum Mittelenglischen kommt es zu einer Vokalisierung einiger Konsonanten: /j/ wird zu /i/, /w/ und die stimmhafte Variante von /x/ werden zu /u/. Die folgende Rekonstruktion bezieht sich auf das Chaucer-Englische.
Vokale
Vorne Zentral Hinten kurz lang kurz lang kurz lang Geschlossen iː uː Fast geschlossen ɪ ʊ Halbgeschlossen eː oː Mittel ə Halboffen ɛ ɛː ɔ ɔː Offen a aː Diphthonge der mittelenglischen Sprache /ɛɪ/ /ɪʊ/ /ɔɪ/ /ʊɪ/ /ɛʊ/ /aʊ/ /ɔʊ/ Konsonanten
Bilabial Labiodental Dental Alveolar Postalveolar Palatal Velar Glottal Plosive p b t d k g Affrikaten tʃ dʒ Nasale m n (ŋ) Frikative f v θ ð s z ʃ (ç) (x) h Approximanten r[1] j w Laterale l Anmerkungen:
- [ŋ] ist ein Allophon von /n/, das vor /k/ und /g/ auftritt.
- [ç, x] sind Allophone von /h/, die im Silbenauslaut auftreten, [ç] nach Vorderzungenvokal und [x] nach Hinterzungenvokal.
Orthographie
Groß- und Kleinschreibung
Sie ist noch nicht festgelegt. Großschreibung dient mehr der Hervorhebung als der Befolgung von Regeln. Inkonsequenzen sind häufig. Personen werden gewöhnlich großgeschrieben.
Textprobe
Das Vaterunser in einer mittelenglischen Version (vereinfacht):
- Oure fadir that art in heuenes
- halwid be thi name;
- thi reume or kyngdom come to be.
- Be thi wille
- don in the as it is doun in heuene.
- yeue to us today oure eche dayes bred.
- And foryeue to us oure dettis that is oure synnys
- as we foryeuen to oure dettouris that is to men that han synned in us.
- And lede us not into temptacion
- but delyuere us from euyl.
Das Vaterunser auf Deutsch:
- Vater unser, der Du bist im Himmel
- geheiligt werde Dein Name
- Dein Reich komme
- Dein Wille geschehe
- wie im Himmel, so auf Erden
- Unser tägliches Brot gib uns heute
- Und vergib uns unsere Schuld
- wie auch wir vergeben unsern Schuldigern
- Und führe uns nicht in Versuchung
- sondern erlöse uns von dem Bösen.
Literatur
- Fernand Mossé: Mittelenglische Kurzgrammatik. Lautlehre, Formenlehre, Syntax. München 1988, ISBN 3-19-002164-3 – ein Klassiker, aus dem Französischen übersetzt
- Wolfgang Obst, Florian Schleburg: Die Sprache Chaucers: Ein Lehrbuch des Mittelenglischen auf der Grundlage von „Troilus and Criseyde“. Heidelberg, 1999. ISBN 3-8253-0898-7 – umfassendes und präzises modernes Lehrbuch
- Dieter Bähr: Einführung ins Mittelenglische, UTB Uni-Taschenbücher, Bd. 361 - Standardwerk, das allerdings profunde Kenntnisse des Fachvokabulars aus Phonetik und Phonologie und Morphologie voraussetzt. Eher formalistisch als pädagogisch und daher für Einsteiger schwer verdaulich.
- Walter Sauer: Die Aussprache des Chaucer-Englischen, Universitätsverlag Winter 1998, ISBN 3-8253-0783-2 - für Einsteiger geeignet; enthält eine Transkription des Prologs der Canterbury Tales.
- Lilo Moessner: Diachronic English Linguistics - An Introduction. Tübingen 2003, ISBN 3-8233-4989-9 – Universitätslehrbuch, übersichtlich gestaltet, auch für Einsteiger
- Hans Kurath et al.: Middle English Dictionary, Ann Arbor 1946ff. (vgl. MED online)
Einzelnachweise und Fußnoten
- ↑ Die genaue Natur des mittelenglischen r ist unbekannt. Es könnte ein alveolarer Approximant [ɹ] gewesen sein, wie in den meisten modernen englischen Dialekten, ein alveolarer Tap [ɾ], oder ein alveolarer Vibrant [r]. In diesem Artikel verwenden wir das Symbol /r/ für diesen Laut, ohne damit eine Aussage über seine Natur treffen zu wollen.
Weblinks
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